Es ist mittlerweile Mittwoch und ich versuche, die Zeit hier, irgendwo im Nirgendwo einfach an mir vorbeiziehen zu lassen. Emilias persönlicher Beschützer ist immer in Sichtnähe und es kostet mich viel Beherrschung, nicht mehr zu der Nadel zu greifen. Doch was würde es mir bringen?
Der Abend kommt immer näher. Die Mädels auf meinem Zimmer machen ständig irgendwelche Partys, bei denen ich nicht dabei sein darf oder spielen im Piyama irgendwelche Spiele. Eigenrlich möchte ich nicht dabei sein. Trotzdem brennt eine Frage auf meiner Zunge: Warum?
Das ist wohl etwas, das mir niemand so richtig beantworten kann. Weder Emilia, die mich nach allem, was geschehen ist, mit dem Arsch nicht mehr anschaut. Noch Die Mädels, die sich nen Spaß draus machen. Oder auch ich... Wieso ritze ich mich? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich nicht mehr kann. Ich bin erschöpft.
Mein Auge brennt. Wenn mein Auge brennt, brauche ich Augencreme... die nächste Blamage....Während sich die anderen einen Schlafanzug überziehen, gehe ich mit der Tube auf den Flur und erblicke Emilia und Frau Bauernschmidt. Sie stehen zusammen und tuscheln und lachen. Ich gehe auf sie zu. Sie hören auf zu reden und sehen mich an. Beide. Ich beachte nur Emilia wirklich intensiv.
„Julia,“, beginnt Frau Bauernschmidt, „Wir haben gerade über dich gesprochen.“ Ich schweige. Was haben sie wohl besprochen?, frage ich mich innerlich. Wenn ich so darüber nachdenke, möche ich das auch gar nicht wirklich wissen. Zumindest weiß ich jetzt, warum Emiliaso laut gelacht hat. Sie hasst mich! So etwas kann man niemals rückgängig machen. Selbst jetzt sieht sie weg, als wäre sie gar nicht da.
Andererseits vielleicht war das gerade auch ein verlegenes Lachen, als sie Frau Bauernschmidt gesagt hat, wie sehr sie mich in Wirklichkeit immer noch liebt. Sie liebt mich!, rede ich mir ein, um mich besser zu fühlen. Es hilft nichts.
Ich tue es ab mit einem Nicken. Frau Bauernschmidt sieht mich fordernd an. Möchte sie, dass ich frage, worüber sich die beiden denn nun unterhalten haben? Ich tue es einfach. Sie lacht nur und entgegnet: „Tja, das würdest du jetzt gerne wissen, ne? Können wir dir leider nicht sagen. Lehrergeheimnis.“. Ich tue unbeeindruckt, muss mich nicht viel anstrengen. Es ist mir egal.
„Ach..., Apropos: Emilia , du hattest doch gesagt, dass du mein Tagebuch gelesen hattest, richtig? Kann es sein, dass du das noch irgendwo bei dir zu Hause hast? Ich finde es bei mir irgendwie nirgends.“, frage ich meine Traumfrau Schrägstrich Klassenlehrerin und sehe sie dabei ununterbrochen an. Sie hat einen tollen Blick. So intensiv und neckisch. Sie ist so süß... Ihr Gesichtsausdruck verändert sich schlagartig. Plötzlich wirkt sie nicht mehr so desinteressiert. Auf ihren Lippen zeichnet sich ein schelmisches Grinsen am.
„Natürlich, dann kann ich dich erpressen...“, droht sie spielerisch und wirkt, wie ein kleines Kind. Ich freue mich über ihren plötzlichen Enthusiasmus und frage mich gleichzeitig, ob sie es ernst gemeint hatte. Ein paar Sekunden lang sehen wir uns einfach nur an. Es ist, wie früher. Einmal, das weiß ich noch ganz genau. Wir saßen auf ihrem Bett. Da habe ich zum ersten Mal ihre wunderschönen, gepflegten Füße gesehen. Sie sehen toll aus. Alles an ihr sieht toll aus. Jedenfalls haben wir da zehn Minuten einfach nur auf dem Bett gesessen und uns angesehen. Ich hatte mal irgendwo gelesen, dass es die Beziehung aufbauen soll und, dass man dabei viel über den jeweils anderen lernen kann. Der, der das behauptet, hat recht. Ich habe vieles gelernt über meine Klassenlehrerin. Und doch noch lange nicht alles. Ich hätte niemals gedacht, dass sie so grausam konsequent sein könnte, mir gegenüber. Und doch, wenn ich einen Moment aufhöre, mit meinen Hormonen zu denken, kann ich sie verstehen. Es ist vernünfig. Eine Fünfundzwanzigjährige Lehrerin und ihre fünfzehnjährige Schülerin? Das ist falsch... Wir sind falsch! Trotzdem tut es weh, sich das einzugestehen, denn sie ist das einzige, was ich will.
Ich schüttle meine Gedanken ab und versuche mich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren.
„Frau Bauernschmidt, könnten Sie mir vielleicht die Creme drauf machen?“, frage ich und lasse dabei Emilia ganz gezielt außenvor. Sie spürt, dass ich ihr damit etwas sagen möchte. Kleiner Wink mit dem Zaunpfeil, Emilia!, möchte ich sagen, zügle meine Emotionen dann aber direkt wieder. „Ich muss erst in Mathias' Zimmer. Da gab es anscheinend ein Problem mit Daniel. Ich schätze, das wird länger dauern, aber vielleicht kann Frau Adams dir ja helfen.“ schlägt sie vor. Mein Blick schweift zu Emilia. Ich unterdrücke ein Grinsen. „Ja, gute Idee... Emilia?“, entgegne ich dann. Sie nickt nur und sagt: „Ich mache es gerne.“. Frau Bauernschmidt wendet sich von uns ab und geht in das Zimmer von Daniel. Emilia rennt in irgendeine Richtung. Ich frage mich, was sie vorhat, folge ihr jedoch. „Siehst du, es endet immer bei uns beiden, Emilia! Hey..., bitte gib das mit uns beiden nicht so schnell auf. Das, was wir haben, ist etwas Magisches!“, meine ich nur ein weiteres von vielen Malen. Sie sieht mich gar nicht wirklich an, sondern schaut sich nur auf dem Flur um, ob alles am rechten Platz ist. Sie ignoriert mich, wie immer.
„Du sollest davon wegkommen, Julia. So, wie ich es tue.“, antwortet sie schließlich kalt.
„Du kommst nicht davon weg! Du versuchst, dich hinter etwas zu verstecken, was du nicht bist! Trotzdem kannst du nicht verleugnen, dass das, was wir haben, nicht normal ist.“, entgegne ich frech.
„Das einzig besondere oder viel mehr, das einzig abartige, was wir haben ist es doch, dass ich mich tatsächlich auf eine Beziehung mit einer Minderjährigen eingelassen habe.“, bemerkt sie und sieht mich zum ersten Mal direkt an. Ich schweige. Wie gerne ich wieder einfach nur wegrennen wollen würde und das alles verdrängen wollen würde. Mich in eine ruhige Ecke setzen und alles mit dem Schmerz betäuben, den die Nadel in mir auslöst. Ich muss aufhören, mich vor der Wahrheit zu verstecken.
Das einzig Abartige..., so bezeichnet sie unsere Beziehung. Ein Kloß bildet sich in meinem Hals, vor dem mich keiner bewahren kann. Ich möchte sterben.
„Wo möchtest du eigentlich genau hin?“, frage ich sie, um von dem wegzukommen, was sie gesagt hatte. „In dein Zimmer. Wegen der Augencreme.“, erklärt sie mir.
Ich mache Halt. Sie wartet auf mich und sieht mich an. „Was denn, brauchst du doch keine?“, fragt sie mich verwirrt. Ich nicke.
„Doch, aber müssen wir das im Zimmer machen? Die hassen mich da eh schon alle!“, erkläre ich leicht befangen. Sie lacht auf.
„Hab dich nicht so.“, sagt sie, stellt sich hinter mich und schiebt mich an. Sich spüre ihren leichten Griff in meinen Seiten. Es fühlt sich warm und angenehm an. Wie früher... Es ist magisch!, denke ich innerlich und schweige. Plötzlich bewegt sie die Finger an der Stelle, kitzelt mich ein paar Sekunden und beobachtet, wie ich mich krümme.
„Hast du das etwa extra gemacht?“, frage ich, als sie aufhört und grinse schief. Sie antwortet nur: „Tja, das werden wir jetzt wohl nie erfahren....“, was mich zum Lachen bringt.
Wir gehen in mein Zimmer. Sie bittet mich, mich vor ihr hinzulegen. Ich lege mich auf das ungemütliche Bett und sie setzt sich neben meinen Körper. Ich seh hoch zu ihr. Ihr Lächeln hat etwas sanftes. Jetzt gibt es keine fiesen Mädels, die mich verabscheuen und keinen Freund, der ihr immer die Zunge in den Hals steckt, wenn er sie sieht. Es gibt nur uns beide! Ihre Hand krallt mich an meiner Taille fest. Ganz langsam geht sie mit der Tube an meinem Auge entlang. Dann schraubt sie die Tube wieder zu und legt sie in aller Seelenruhe auf den Nachttisch. Sie beugt sich zu mir runter. Das wird sie nicht tun!, denke ich mir. Doch, sie wird. Ihre Lippen berühren meine Lippen. Ich frage mich, ob sie weiß, dass hinter ihr die ganzen Mädels stehen, die das ganze Spektakel beobachten. Aus heiterem Himmel steht sie auf und verlässt auf den Lippen kauend das Zimmer. Damit hat sie sich ihren Job zur Hölle gemacht, das weiß sie. Es ist ihr egal, denn sie liebt mich! Ich warte, bis sie von Flut verschwunden sein müsste und verlasse dann ebenfalls das Zimmer, da ich nicht in dem Getuschel untergehen möchte.
Der Mittwoch zieht sich ewig in die Länge. Es ist 03.00Uhr. Sekunden vergehen, wie Minuten. Minuten, wie Stunden. Ich sitze in den Duschräumen, allein. Vor mir ein Collegeblock. Ich schreibe mir all diese bösen Gedanken vom Leib. Das wird besser sein, als es vom Leib zu ritzen. Emilia betritt den Raum. Sie kommt zu den unpassendsten Momenten. Sie hat diesen Gesichtsausdruck, den ie oft hat. Ich frage mich, was er zu bedeuten hat. Sie wirkt verwirrt und besorgt zugleich. Meine „Ex“ hat müde Augen. Wie gerne ich sie jetzt ins Bett tragen würde und dann die Decke, ganz sanft über ihren schönen Körper streifen wollen würde. Ich liebe sie.
„Was tust du denn so spt noch in den Duschräumen, Julia?“, fragt sie mich und lässt sich neben mir auf dem Boden nieder. Ein Gähnen entweicht ihr. Sie ist wirklich müde.
„Ich kann nicht schlafen und wollte auf meinem Zimmer niemanden stören.“, erzähle ich ihr. Sie schenkt mir ein müdes Lächeln und bemerkt: „Das ist aber wirklich lieb von dir!“. Ich muss lächeln.
„Und was machst du so spät noch in den Duschräumen, Hannah?“, arme ich sie nach. Sie grinst frech.
„Ich wollte auf die Toilette und habe das Licht brennen sehen.“, meint sie, „Dann wolle ich sehen, wer da noch so spät herumgeistert. Es ist Nachtruhe, Juliane. Das ist so gesehen ganz schön fech von dir, einfach aufzustehen. Ich glaube, wenn wir wieder in der Schule sind, lasse ich dich ernstmal nachsitzen.“.
„Wenn wir dabei alleine sind, dann gerne ewig...“, witzle ich und möchte sie küssen. Wieder weicht sie mir aus. Es erinnert mich an die Zeit vor der Fahrt. Ich bekomme Schmerzen in der Brust, ignoriere sie.
„Nicht, okay?“, sagt sie und ist direkt wieder kilometerweit entfernt. Ich kann meine Enttäuschung nicht bewahren. Ich sehe zu meinen Händen, die in dem Schoß liegen. Emilia bekommt einen Anflug von Schuldgefühlen. Das spüre ich.
„Hör mal..., für mich ist das auch schwer.“, erklärt sie mir beinahe flüsternd. Ich sehe ihr in die Augen. Sie sind glasig. Muss sie weinen? Schuldgefühle überkommen mich.
„Dann hör doch auf, dagegen anzukämpfen!“, schlage ich vor. Für sie ist das Thema jetzt beendet. Das merke ich....
„Was schreibst du denn da?“, fragt sie mich und nimmt mir den Block weg.
„Nicht...“; flehe ich und versuche, ihn ihr wegzunehmen. Es hat keinen Zweck. Ich komme sowieso nicht gegen sie an.
„Ach..., dein Tagebuch darf ich lesen, aber hierbei wirst du schwach? Das ist ja interessant!“, grinst sie mich an. Sie beginnt, es laut vorzulesen. Ich frage mich, wozu. Ich kenne es doch längst und sonst ist hier niemand. Denkt sie, es kommt dann demütigender? Wenn ich drüber nachdenke, ist es mir recht, wenn sie es sieht.Dann kennt sie wenigstens die ganze Wahrheit. Mal sehen, was es mit sich bringt.
,,Hundert Gründe, warum Emilia Adams zum Verlieben ist“, liest sie. Ich muss lächeln, als ich sie ansehe. Sie wirkt geschockt. Sie gibt mir den Block wieder und küsst mich. Zwischenzeitlich lässt sie von mir ab und flüstert: „Das ist wirklich süß!“.
Magisch!, geht es mir durch den Kopf.
Sie versüßt mir die Träume in dieser Nacht und auch in den darauffolgenden...