Charly fand Ron und Mine in der Bibliothek. Er sah ihnen einen Moment neidisch aus einiger Entfernung zu. Ron hatte ein Buch mit dem verheißungsvollen Titel „Französisch für Einsteiger“ auf dem Schoß. Liebevoll nervte ihn Mine so eben mit den ersten Vokabeln. Sie lehnten aneinander gekuschelt und Ron seufzte: „Warum gibt es eigentlich keinen anderen Lord in England?“ Mine stupste ihn zärtlich auf die Nase: „Sei froh, dass er nicht aus Bulgarien kommt. Dann müsstest Du mit Viktor lernen.“ Sie schienen so glücklich zu sein, dachte Charly. Trotz dieser komplizierten Situationen und der äußerlichen Probleme herrschte zwischen Hermine und Ron eine tiefe grundsätzliche Harmonie. Die Leute meinten oft, dass die beiden nicht zusammenpassten. Aber sie unterschätzten Rons Intellekt und Hermines Konsensfähigkeit. „Ich denke eher, dass Viktor froh sein sollte. Sonst würde ich mit ihm lernen.“ Hermines Kichern erfüllte den Raum.
Charly unterbrach das Paar nur ungern. „Kann ich Dich nochmal kurz wegen Abigail sprechen?“ Rons leicht genervter Ausdruck sprach Bände. „Ist das nicht diese Aurorin, die Fred verhört hat?“, fragte Hermine, die nur kurz hoch sah. „Ja. Genau um sie handelt es sich. Harry hat sie Charly geschenkt.“, erklärte der jüngere Weasley. „Da hat sie richtig Glück gehabt. Mit diesem Baker spielt er selbst herum, hat Snape erzählt.“, fand Mine. „Setz´ Dich doch, Charly. Im Moment sind wir die einzigen hier.“ Eigentlich hatte Ron keine Lust noch einmal über das Thema zu sprechen, aber Charly verzweifelter Gesichtsausdruck zeigte die Notwendigkeit an. „Vielleicht können wir Dir zu zweit besser helfen.“, hoffte er. „Dieses Halsband bringt sie noch um.“, fing Charly an sein Problem zu erläutern. Ron unterbrach, um Hermine auf den aktuellen Stand zu bringen. „Harry hat ihr ein Halsband angelegt.“ Die Normalität, mit der Ron und Hermine darüber sprachen, war merkwürdig. „Okay.“ Hermine verstand die Schwierigkeiten von Charly. Vor einigen Jahren hätte sie sie selbst gehabt. „Also, wie können wir Dir helfen?“
Der Drachenhüter beschrieb die Situation mit kurzen Sätzen. Er war kein Freund langer Reden. Am liebsten hätte er die Sache vom Tisch. Sie war viel komplizierter, als alles was er bis jetzt erlebt hatte. Mine begriff, dass das Problem tiefer lag. „Du möchtest ein guter Mensch sein. Hier im Schwarzen Schloss bewegen wir uns auf einem schmalen Grat. Wir wissen nicht immer, was wirklich gut ist. Damit müssen wir leben. Du kennst doch diesen kleinen Jungen Theseus…“ Sie wartete auf Charlys Reaktion.
Er nickte kurz und sie sprach weiter: „Man brachte ihn vor einigen Monaten hierher. Lord Potter hatte keine Verwendung für ihn. In der Regel ist das ein sicherer Untergang. Sklaven, die er nicht braucht, gehen an die Vampire. Nur so kann man sie im Konkordat halten. Also habe ich dem Dunklen Herrn gesagt, dass Theseus ein richtig hübscher Junge ist. Er könne ihm in einigen Jahren richtig Spaß machen. Ich habe ihm auf die „amüsante“ Möglichkeit einer künftigen Vergewaltigung hingewiesen, um Theseus vorläufig vor den Vampiren zu schützen. War das böse oder gut?“ Charly entwickelte eine Vorstellung von dem Problem. Ron fuhr fort: „Für Mum und Dad ist die Sache mit gut und böse immer so einfach, aber das ist eben nicht. Außerhalb dieser Mauern weiß fast niemand, was es heißt Dunkelheit nur mildern, aber nicht brechen zu können. Wir beide und Ginny sind oft genug die letzte Bastion der Gnade. Aber ist es gnädiger, Draco Malfoy verhungern zu lassen oder ihn zum Sexspielzeug zu degradieren? Ist Avada Kedavra gnädiger, als untot?“ Ron wurde leiser und sanfter. Seine Trauer und Unsicherheit kamen zum Vorschein: „Ich weiß es nicht immer. Eine letzte Bastion kann im Zweifelsfall fallen. Wir müssen dann damit weiterleben. Mein Anliegen ist so viele Menschen und Geschöpfe am Leben zu halten, wie es mir möglich ist oder ihnen eine sauberen Tod zu gewähren.“ Hermines Hand lag warm und zärtlich in seiner.
Charly begriff mit einem Mal, welche Qualen das Trio aushielt. Wie die meisten Mitglieder des Phoenixordens hatte er keinen Gedanken daran verschwendet. Er hatte nie darüber nachgedacht, welche Konsequenzen sie ertrugen. Man sah nur die Bilder der scheinbaren dunklen Harmonie im Tagespropheten. Wie war es eigentlich für Ron, Herr der Schattenjäger zu sein? Wenn Hermine am Verhandlungstisch saß und diskutiert wurde, wen das Konkordat schützte? Plötzlich erschien ihm sein Problem eher klein und er schämte sich dafür. Vor allem aber schämte er sich dafür, wie leicht er es sich in Rumänien gemacht hatte. „Komm´ mit. Gehen wir in die Kerker. Sehen wir uns an, was Abigail erwartet, wenn Du sie zurückgibst. Dann zeige ich Dir, wie man einen Sklaven erzieht. Mine ist auch nicht gut darin.“, schloss Ron seine Erklärungen.
Jeder Schritt hinab in die Kerker führte tiefer in die Kälte und Dunkelheit. Unstetes Licht flackerte kalt ohne Hoffnung zu spenden. Die Schattenjäger verneigten sich tief vor Lord Weasley und seinem Bruder. Lord Weasley und Lord Potter kamen nur gelegentlich hier runter. Meistens liessen sie sich die Gefangenen hochbringen. „Wo finde ich Florian Baker?“, fragte Ron gezielt. „Er ist mit den anderen Auroren hinten rechts in der Gemeinschaftszelle.“, antwortete der Diensthabende. „Ist der Dunkle Herr hier?“, wollte er wissen. „Lord Potter verhört gemeinsam mit Lord Snape Peter Pettigrew im kleinen Verhörraum.“, lautete die überraschende Antwort. „Lord Snape wollte keinen Schmutz in seinem Quartier, solange seine kleine Veela ihn besucht.“, erläuterte der Schattenjäger, die umgestellte Frage. „Interessant. Schauen wir uns die Sache mal an.“, meinte Ron gelassen. Charly schluckte kurz. Er würde seine Unschuld verlieren, da war er sich sicher. Man verlor die Unschuld nicht beim ersten Sex, wie Muggel fälschlicher Weise dachten. Aber was wussten die Muggel schon von der Magie.