Die Feder
Heute kam mir mein Opa in den Sinn. Ich hatte als Kind bis zum Schulalter die Woche über bei ihm gelebt. In einer schönen Siedlung mit vielen anderen Kindern. War eine gute Zeit - ich möchte sie nicht missen.
Ich kann mich noch sehr genau an ihn erinnern. Seine kräftige Statur. Sein gütiges Gesicht und seine Glatze, die von einem kleinen, zarten Kranz weißer Haare umsäumt wurde. Fast wie ein kleiner, eng anliegender Heiligenschein.
Als Kind fragte ich ihn einmal, wo denn die Oma wäre. Er erklärte mir, dass sie im Krieg umgekommen sei. Sie waren damals zu Verwandten nach Berlin geflohen, da das Haus, in dem sie gewohnt hatten, völlig zerbombt worden war.
Bei einem Fliegerangriff dort wurde das Haus getroffen. Meine Oma, die ich nie kennen gelernt hatte, warf sich auf meine Mutter und rettete ihr (und mir) damit das Leben. Ihr eigenes hatte sie dabei gelassen. Ich merkte, dass es ihm sehr schwer fiel, mir darüber zu berichten, obwohl alles schon recht lange zurück lag. Aber er beantwortete mir trotzdem meine kindlichen Fragen.
Mit feuchten Augen sagte er mir kleinem Jungchen, dass er sie nie vergessen hat und dass sie ihn immer wieder "besuchen" würde. Ich sagte ihm, dass ich sie aber noch nie hier gesehen hätte und er meinte, das man sie auch nicht sehen könne, da sie ja auch schon lange tot wäre.
Aber er würde es immer ganz genau spüren, wenn sie da ist und sie würde ihm immer ein Zeichen geben, wenn sie anwesend ist. Er sagte mir, dass er dann in Gedanken mit ihr sprechen könnte. Darauf hin fragte ich ihn, was es für ein Zeichen wäre, dass sie ihm gibt und er antwortete, dass er immer, wenn sie da ist eine kleine Feder finden würde.
Und tatsächlich, als ich ihn so ansah und seine Hand hielt, bemerkte ich auf seiner Schulter eine ganz kleine Feder. Ich nahm sie vorsichtig auf und hielt sie vor sein Gesicht. Er lächelte und sagte: Ja ich weiss, wir haben gerade über Dich gesprochen.
Er war ein so gütiger und weiser Mensch....
Weiß auch nicht, warum ich gerade an ihn denken muss. Und wie ich so über meine Armlehne fahre, bemerke ich eine kleine........ Feder.
Tolkien