Kapitel 22
Zwei ganze Tage waren verstrichen, seit die Jäger des Waldes in die verbotene Schlucht flüchten mussten, nach einer sicheren Nacht reisten die Jäger des Waldes am nächsten Tag ein gutes Stück weiter durch den Wald. Zuerst quer durch einen Pinienwald, danach folgten eine sumpfige Landschaft und schliesslich wieder Laubwald. Am späten Nachmittag entdeckte die Katze im Herz des Laubwaldes eine rissige alte Eiche, dessen Stamm so dick war wie zwei Elefantenhinter. Das spezielle, die Eiche war ziemlich gross, dennoch besass sie einen kurzen Stamms, so dass jede Katze, jung oder alt, sie gut besteigen. Bei diesen guten Vorrausichten beschloss Blitz zwei Nächte auf der Eiche zu übernachten.
Diese öde Arbeit, dachte Brombeere deprimiert. Leider musste sie heute den ganzen Nachmittag Unkraut zerkleinern, dabei wäre sie lieber jagen gegangen. Im Schatten der Eiche beobachtete Brombeere, Stern neidisch, die mit Maus und Schnee fangen spielte. Schnee versuchte energisch den flauschigen Schweif von Stern zu fangen, während Maus kreischend versuchte auf die rechte Schulter von Stern zu klettern. Stern schnurrte vergnügt und begann ihren Schweif extra schnell zu bewegen, damit Schnee ihn nicht packten konnte. Durch Sterns Babysitter Dienst konnte sich Nebel endlich eine schöne Pause gönnen. Zusammen mit Sturm sonnte sich die Kätzin auf einem Felsen, warf aber immer wieder einen prüfenden Blick in Richtung Stern.
Während Brombeere Sterns Aufgabe seufzend beobachtet, stach ihr Donners Pelz ins Auge. Die schwarze Freundin half im Moment gerade bei Mond aus. Aus dem Augenwinkel konnte sie beobachten, wie Donners Schnurhaare vor Begeisterung betten, Mond zeigte ihr gerade, was sich alles aus einem Unkrautstängel basteln liess. Donner wäre bestimmt eine gute Seherin, wenn sie die Begabung dazu besitzen würde.
Brombeere setzte die öde Arbeit fort, zerteilte einen dicken Stängel in zwei gleichmässige Hälfteten, die anschliessend auf einem ordentlichen zerkleinerten Unkrauthaufen landeten. Eigentlich sollte man den Menschen erklären wie wichtig Unkraut ist. Stattdessen heisst es für den Mensch: Weg mit dir du nichtsnutziges Ungeziefer. Vor Brombeeres Augen schritt Bach vorbei, steuerte zu Teiger und dessen Rasselbande. Sie redete mit ihnen irgendetwas Undeutliches und deutete dabei auf Brombeere. Brombeere atmete zufrieden auf. Bestimmt muss mich einer der vier ablösen.
Dunkel stand auf, die leichte Verärgerung ins Gesicht geschrieben und steuerte zu Brombeere hinüber. „Du kommst um mich abzulösen“, ein schadenfroher Ton kam über ihre Lippen. Sie schob ihm den zerkleinerten Unkrauthaufen vor die dunkeln Pfoten. Dunkels Gesicht verzog sich zu einer lustigen Grimasse. „Von wegen“, höhte er. „Ich soll dir helfen, vom Ablösen war nie die Rede.“ Frustriert nahm Brombeere wieder einen Pfote Unkraut zu sich und bearbeitete es wortlos weiter. Dunkel sortierte die verwelkten Unkrautstängel und starrte dabei verträumt in die Baumkronen der Eiche. „Bist du eigentlich hier aufgewachsen?“, Brombeere versuchte die peinliche Stille zu bekämpfen. Dunkel schüttelte den Kopf. „Nein, ich wurde nicht bei dieser Eiche geboren“, miaute er frech und blickte weitern in die Gablungen der kopfüberliegenden Eiche. Brombeere verdrehten die Augen. „Ich meine, bist du bei den Jägern des Waldes aufgewachsen oder nicht?“, Brombeere starrte ihm ernst in die Augen. Erneut schüttelte er den gestreiften Kopf und wich ihrem Blick aus. „Irgendwo, in diesem Wald wurde ich geboren, zusammen mit Teiger aber er ist nicht mein Bruder“, antwortete er und hing seiner Erinnerung nach. „Und du?“, fragte er zögerlich und griff nach einem neuen Unkrautstängel. „Ganz weit weg wurde ich geboren“, fieberhaft überlegte sie was sie noch dazu erfinden könnte. Donner wäre bestimmt eine gute Flunkerei eingefallen. Der Stängel knackte zwischen Dunkels Krallen. „Von wo kennst du denn Stern und Donner?“, er richtete den Blick auf die spielende Stern und auf die lerneifrige Donner. Brombeere leckte sich einige Unkrautfasern aus dem Pelz. „Seit der Schul... ich meine seit meiner frühsten Kindheit“, korrigierte Brombeere ihren Menschensprachfehler. „Dunkel!“, rief Teiger zu ihm hinüber und platze das Gespräch zwischen den Katzen. „Wir haben eine Taube zum Essen“, fuhr Nacht fort und präsentierte stolz seinen Fang. „Ich komme gleich, wir sind gerade fertig geworden“, rief er zurück, packte das fertige Unkraut, brachte es zu Mond und liess sich neben Streif sinken. Brombeere schaute ihm nach, alleine ist Dunkel richtig nett aber zusammen sind sie der reinste Kotzhaufen!
Donner unterhielt sich gerade mit Mond, als Brombeere mit dem fertigen Unkrauthaufen zu ihnen hinüber trabte. „Vielen Dank für deine Hilfe“, bedankte sich Mond und betätschelte den fertigen Unkrauthaufen. „Jetzt habe ich wieder einen grossen Vorrat und ich glaube Brombeere, du kannst Feierabend machen.“ Die Laune von Brombeere besserte sich sofort nach diesen Worten, jegliche öde Unkrautarbeit war schon wieder aus dem Gedächtnis verschwunden. Glücklich hüpfte sie über die Wiese, kletterte geschickt den niedrigen Eichenstamm hinauf, balancierte wacklig über einen dicken Ast und machte es sich in einer Gabelung bequem.
Donner sah Brombeere schmunzelnd hinterher, wie sie die Eiche hinauf kraxelte, auch sie würde bald Feierabend haben, da war sie sich sicher. „Könntest du mir noch einen letzten Gefallen erledigen?“, Monds Stimme schweifte sie von ihren Gedanken ab. Die Seherin streckte ihr mit dem Maul einen Bündel Unkraut unter die Nase. Donner nickte einwilligend. „Gut, behandle Streif, er hat sich aufgeschürft“, erklärte Mond ihr den Auftrag. Donner machte einen widerstrebenden Gesichtsausdruck. Warum ausgerechnet Streif?
„Du musst bloss den Saft des Unkrautes rauspressen, wie ich es dir vorher gezeigt habe“, Mond dachte, Donner wusste nicht, wegen ihrem eigenartigen Gesichtsausdruck, wie sie ihn behandeln musste. „Warum heilst du ihn nicht mit deiner Heilkraft“, widersprach Donner und wollte Streif auf keinen Fall behandeln. „Gegen eine so winzige Verletzung hilft ein Tropfen Unkrautsaft“, miaute sie. Zögernd nahm Donner das Unkraut, sie wollte Mond nicht anvertrauen, wie sehr sie Streif nicht ausstehen konnte. Mond nickte zufrieden und eilte zu Nebel, die ihre Hilfe brauchte. Langsam schlurfte Donner zu Streif hinüber, der cremefarbene Kater lag in der Nähe der Eiche und nagte das zartrosa Fleisch von einem Tierknochen. Das Herz klopfte ihr bis in den Hals, Donner wusste nicht wie sie ihn ansprechen sollte aber zum Glück war weder Dunkel, Nacht noch Teiger in Sicht. Er leckte sich über den Rückengrat, besonders über die drei schwarzen Streifen und liess seine Muskeln in der Sonne spielen. Donner räusperte sich: „Ich soll dir deine Schürfung einreiben.“ Streif schaute sie uninteressiert an. „Sie befindet sich dort hinten“, Streif deutete faul auf sein Hinterteil. Ich reibe dir nicht den Arsch ein, für wen hältst du mich! , fast wollte Donner dies laut aussprechen aber sie bemerkte, dass sie aus dem Hinterhalt beobachtet wurde. Brombeere spähte mit verkniffenem Lachen vom Eichenast hinunter und zuckte begeistert mit dem hängenden Schweif. Mond wäre enttäuscht wenn sie es nicht erledigen würde, daraufhin streckte Streif ihr den Hinter vors Gesicht. Am rechten oberen Teil des Oberschenkels zog sich eine frische Kruste entlang. Ungeschickt presste sie den Saft aus dem Unkraut, dass viele Spritzer nicht auf der Schürfung von Streifs Hinterteil landeten, sondern am Boden. Schnell sog die Schürfung die wenigen Safttropfen ein. „Wie hast du dir den die Schürfung geholt?“, fragte Donner während sie den Saft einrieb. „Ich bin in einem Bachbett gestolpert und habe mich an den Steinen aufgeschürft“, gestand er wenig verlegen. Donner musste sich ein leichtes Lächeln verkneifen. Also ein Trampeltier ist dieser Streif also.
Streif schlug seine Krallen ins Gras, von den scharf riechenden Dämpfen, brannte der Saft. Donner setzte die Arbeit vor und bemerkte, wie Streif eine Katze energisch beobachtet. Der observierte Kater sass mit Blatt auf einer Wurzel und leckte ihr über die Brust. Wütend verzog Streif seine Augen zu Schlitzen, als Kralle seine sein Blick kaltblütig ignorierte. „Hast du ein Problem mit Kralle?“, fragte Donner vorsichtig. „Ja und nein“, gab er frustriert zurück. Donner beendete ihre Arbeit und setzte sich neben Streif. „Erzähle es mir aber nur wenn du willst“, Neugier flammte in ihren Augen auf. Streif atmete tief ein und schnaufte laut aus. „Kralle ist mein Vater und Nacht mein Bruder“, fing er an. Donne riss ihre Augen auf. Das hätte sie nie gedacht. Kralle und Nacht sahen sich ähnlich aber Streif überhaupt nicht. „Meine Mutter hiess Wind und sah ähnlich aus wie ich, einfach mit mehr Streifen“, murmelte Streif und schloss seine Augen. „Doch sie wurde kurz nach unserer Geburt von einem Fuchs getötet.“ Donner sank das Herz in den Pelz, zum ersten Mal tat ihr Streif leid. „Kralle hatte Wind schon vor unsere Geburt verlassen aber als er von ihrem Tod hörte, nahm er uns zu den Jägern des Waldes mit“, erzählte er weiter. „Anscheinend liebte er Blatt mehr und hat keine Zeit für seine Kinder“, knurrte Streif enttäuscht. „Er behandelt uns wie stinknormale Katzen.“ Wieder schlug er seine Krallen in die Erde, dann grunzte er und nuschelte: „Ich gehe spazieren.“ Streif erhob sich, streckte den Körper nach allen Seiten und verabschiedete sich von Donner. Eine Weile sah Donner ihm nach, bis er ihm dichten Wald verschwunden war. Sie wusste, er würde Kralle wegen seiner Tat nie verzeihen, er musste Streif in seiner Kindheit zu fest verletzt haben.