Es war einmal ein Mädchen, das in einer großen Stadt lebte, sie kannte nur Häuser, Straßen und diesen besagten kleinen Park, der zu Fuß etwa eine halbe Stunde von ihrem Zuhause lag. Die meiste Zeit des Tages saß sie allein in der kleinen Wohnung im dritten Stock, Fernseher gab es natürlich keinen, den Besuch des Kindergartens konnte sich die Mutter nicht leisten, da das wenige Geld, das sie in dem kleinen Geschäft um die Ecke verdiente, gerade zum Einkauf der notwendigsten Lebensmittel reichte. Eigentlich war das kleine Mädchen, nennen wir sie Carolin, immer sehr artig und brav und wenn ihre Mutter zur Arbeit musste, spielte sie mit ihrer Stoffpuppe und redete auch mit ihr. Sie erzählte ihrer Karo, so hieß die Puppe, all ihre Wünsche und Träume, ja sogar all ihre Sorgen und Ängste und der kleine, selbstgestrickte Stoffhund, der keinen Namen hatte und nur „Hund“ von Carolin gerufen wurde, durfte ihre Geheimnisse hören. Das war ein Abkommen zwischen den dreien und Carolin wusste, dass sie sich auf die beiden bedingungslos verlassen konnte.
Wenn ihre Mutter von der Arbeit nach Hause kam, gab es immer eine kleine Leckerei, einmal ein Stückchen Apfel, dann wieder ein Stück Banane. Nein keine ganze Banane oder ein Apfel, nur einen Teil und das war der Teil, der nicht angefault oder zerdrückt war. Denn der Geschäftsführer konnte diese Teile nicht mehr verkaufen und sie mussten deshalb weggeschmissen werden. Carolins Mutter fragte deshalb immer ihren Chef, ob sie sich ein paar dieser Stücke mitnehmen durfte , die Mutter schnitt das Obst immer so zu recht, dass die Stücke appetitlich aussahen, Carolin schmeckten sie, alles andere war egal. Meist ging die Mutter nach dieser Belohnung - natürlich nur wenn das Wetter es erlaubte - mit ihr in den schon erwähnten kleinen Park.
Die kleine Carolin schaute glücklich beim Fenster hinaus, blauer Himmel, nur ein paar kleine weiße Wölkchen konnte sie sehen.
Mami wird heute sicher wieder mit mir in den Park gehen, sagt sie zu ihrer Karo, die sie zärtlich im Arm hält und springt dabei hoch und wirklich, der Schlüssel im Schloss wurde umgedreht und Mami stand in der Tür, in der Hand hielt sie heute ein Stück von einem Pfirsich und Carolin stürmte zu ihr hin, biss bedächtig ein kleines Stück ab und begann zu jubeln, so etwas Gutes brachte die Mami ihr schon lange nicht mehr mit. Als das letzte kleine Stückchen vom Pfirsich im Mund steckte, nahm sie ihre Mami an der Hand und bettelte, bei diesem schönen Wetter doch wieder in den Park zu gehen und Mami drückte ihre kleine Hand, das hieß, jaaa und sie machten sich auf den Weg.
Gehorsam ging Carolin neben ihrer Mutter her, bei jeder Ampel wartete sie geduldig dass sie grün wurde, obwohl sie am liebsten gelaufen wäre, um schneller im kleinen Park anzukommen. Als sie ihre Mami beobachtete, fiel ihr auf, dass diese heute ganz besonders still war, hatte es vielleicht etwas mit ihr zu tun? Oder tat ihr vielleicht etwas weh, wieder das Knie, das ihr schon öfters Schwierigkeiten machte. Carolin blieb stehen und sah ihrer Mutter in die Augen, „Mami bist du wegen mir so traurig?“ sagte sie leise zu ihrer Mutter. Da lächelte die Mutter und versicherte, dass nicht sie der Grund für ihre Sorgen war, doch die kleine Carolin würde das sowieso nicht verstehen, dass Einsamkeit das Herz schwer machen kann.
Carolin kannte schon den Weg, nach der nächsten Ecke, da lag der Park, ihr Lieblingsplatz, eine Schaukel, eine Wippe und natürlich ein Klettergerüst mit einer Rutsche, einer roten Rutsche und jetzt konnte man das rot schon zwischen den grünen Sträuchern sehen. Kaum berührten die kleinen Füße die weiche Wiese, fing die kleine Carolin schon zu laufen an, ihr absoluter Lieblingsplatz war das Klettergerüst, da konnte man von oben die anderen Kinder beobachten und …..da sah sie immer diesen größeren Jungen mit den blonden Locken, den fand Carolin supercool.
In der Zwischenzeit schlenderte Carolins Mutter zu einer Parkbank, von wo aus sie ihre Tochter immer Auge behalten konnte. Die größeren Kinder waren manchmal ein wenig wild und die Kleineren kamen dann unter die Räder, wie man so schön sagt. Carolins Mutter ließ ihre Gedanken in die Vergangenheit schweifen, wo der Vater der Kleinen noch bei ihnen war, sie hatten auch nicht viel, doch es war eine schöne Zeit, die einfach zu kurz war, da Carolins Vater bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, das ist nun schon fast zwei Jahre her und nun war nichts mehr so wie es einmal war. Ihre Augen suchten Carolin, doch wo war sie? Das Klettergerüst war leer, ein anderes Kind saß auf der Schaukel. Carolins Mutter sprang auf und lief durch den kleinen Park, sie rief Carolins Namen, doch niemand antwortete.
Als Carolin auf das Klettergerüst stieg, entdeckte sie den blonden Jungen, der traurig am Rand des Parks unter einem großen Baum saß, weinte er? Carolin strengte sich an, das Gesicht des Jungen genauer zu sehen, er richtete jedoch den Blick nach unten, hat er vielleicht etwas verloren, überlegte Carolin. Sie beschloß hinunter zu rutschen und ging geradewegs auf den Jungen zu. Sie setzte sich neben den Jungen auf die Erde und zupfte ihn am Ärmel. Gedankenverloren schaute der Junge sie an und bemühte sich etwas zu lächeln, was jedoch kläglich misslang und dicke Tränen liefen ihm stattdessen über die Wangen und landeten auf der Erde. „Bist du traurig“, sagte Carolin, „oder hast du dir weh getan?“ Der Junge fing zu erzählen an, zuerst stockend, dann immer schneller und die kleine Carolin hörte ihm zu. Seine Mutter ist in den Himmel geflogen und kommt nie mehr wieder zurück, er schluchzte, wie sollte er ohne seine Mama leben, wie? Die kleine Carolin schlang die Ärmchen um seinen Hals und drückte den Jungen. Auf diese Frage wusste Carolin auch keine Antwort, doch sie konnte es fühlen, denn ihr Papa lebte jetzt auch im Himmel, das hatte ihr die Mama erzählt.
Die beiden Kinder saßen still nebeneinander und die Welt rund um sie existierte nicht mehr, kein Laut drang zu ihnen durch.
Carolins Mutter suchte den ganzen Park ab und in der letzten Ecke, unter einem großen Baum, da hatte sie beiden entdeckt, ein blonder Junge mit gelocktem Haar und Caroline mit ihren dunklen, langen Haaren, die bis auf die Schultern fielen, wirklich ein schönes Bild. Vorsichtig beugt sich Carolins Mutter zu den beiden hinunter und streichelte beide. Der Junge schaute sie mit ungläubigen Augen an, kein fremder Mensch hatte ihn jemals gestreichelt, nur seine Mama.
Ab diesem Tag waren Carolin und der Junge, sein Name war Mark, Freunde. Fast jeden Tag trafen sie sich am Spielplatz und tollten, lachend herum, bis eines Tages….. der Vater von Mark ihn auf den Spielplatz begleitete. Carolins Mutter saß immer auf derselben Parkbank, oft hatte sie ein Buch mit, denn seit sich die Kinder so gut verstanden und Marc auf seine kleine Freundin wie ein Kavalier aufpasste, konnte sie ein wenig lesen. Vertieft in ihre Lektüre bemerkte Carolins Mutter nicht, dass sich jemand zu ihr setzte, Marcs Vater, der von seinem Sohn genauestens informiert worden war, wusste wer neben ihm saß, Carolins Mutter hatte bis zu diesem Augenblick keine Ahnung und erschrak, als die beiden Kinder lachend und gut gelaunt auf sie zuliefen und beide gleichzeitig Mami und Papa riefen.
Die Erwachsenen wurden von ihren Kindern einander vorgestellt und …..die wahre große Liebe begann.
Der kleine Park blieb für die kleine Familie der schönste Platz auf dieser Welt, so oft es die Zeit erlaubte, gingen sie gemeinsam dort hin und …..wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch immer glücklich und zufrieden, in dieser großen Stadt.