Alistair Moody wusste genau, dass Potter ihm gerade ein besonderes Privileg einräumte. Hier in der Neutralen Zone gemeinsam in Augenhöhe ein Butterbier zu trinken, zeigte den Respekt, den der Dunkle Lord ihm zollte. Draco fand das Etablissement furchtbar schmutzig. Es erinnerte ihn an die Absteigen, in denen er sich während seiner Flucht aufgehalten hatte. Moody nickte verstehend: „Kingsley erweist Dir nicht genug Respekt, deshalb bist Du verärgert. Du zwingst ihn, Dich wahrzunehmen.“ Der Auror vertrat die These, dass radikale Ehrlichkeit im Umgang mit der Dunklen Seite durchaus klug war. Vor allem wenn man wollte, dass Lord Potter weiter sprach.
Lord Potter beobachtete Malfoy aus den Augenwinkeln. Dracos Abscheu diesem Laden gegenüber amüsierte ihn sehr. Sein kleiner, verzogener Sklave konnte ihn wirklich erheitern. „Genau darum geht es mir. Er hat geschworen, dass er standhält und drückt sich jetzt. Das lasse ich nicht zu.“ , sagte er und blickte offen in Moodys rollendes Auge. „Beginnst du deshalb einen Krieg oder riskierst ihn zumindest? Shacklebolt ist ein Idiot, aber dafür den Frieden aufs Spiel setzen. Das sieht Dir nicht ähnlich.“ Potter passte es nicht, dass Malfoy diesen Teil des Gespräches mitbekommen könnte.
In einer Ecke der Neutralen Zone staubte zwischen mancherlei Gerümpel ein altes, wurmstichiges, vermutlich unbrauchbar und vor allem sehr schmutziges Klavier. Sperrmüll, dachte Potter, so ein Muggelbegriff seiner Kinderzeit. „Sweetheart. Da drüber wartet ein Klavier auf Dich. Spiel was für mich.“, befahl er kühl. „Was soll ich für Euch spielen, Mylord?“, fragte Draco brav. Moody konnte sich einer kleinen Gehässigkeit nicht enthalten: „Hier passt am besten irgendwas von Muggeln. Vermutlich kennt ein echter Reinblüter keine Muggelmusik, oder?“ Ein weiteres Mal färbten sich Draco Wangen rot. Er schwieg, bis ihn sein Herr streng ansah: „Antworte dem Master, Draco. Kennst Du Muggelmusik?“ „Verzeihung, Sir.“, entschuldigte sich Malfoy sofort bei Moody. „Es dauerte einen Moment bis mir etwas Passendes einfiel. Ich könnte von Chopin Nocturne für Euch spielen, Mylord.“
Lord Potter mochte nicht zugeben, dass er das Stück nicht kannte. Hier konnte man Malfoy geradezu angeborene gute Erziehung erleben. Plötzlich fühlte Lord Potter einen Bruchteil einer Sekunde unterlegen. „Gute Idee. Spiel es für uns.“
Der Auror zeigte sich beeindruckt: „Du kannst Chopin aus dem Kopf spielen?“ Lord Potter entschied sich, direkt im Schloss nachzuschlagen, wer Chopin war. „Ja, Sir.“, brachte Draco mit einer eigenartigen Mischung aus Stolz und Demütigung hervor. Er hasste die Situation, wagte jedoch nicht in der Öffentlichkeit aufzubegehren. So ging er zum Instrument, räumte etwas von dem Kram beiseite und setzte sich auf den Klavierhocker, der verdächtig knirschte. Das Klavier klang weniger verstimmt, als Malfoy erwartet hatte. So begann er sich in der Musik zu verlieren.
Lord Potter wandte sich wieder seinem Gesprächspartner zu. „Ich vertraue auf den Verstand der Zaubererbergamot. Ein Minister, der nicht regierungsfähig ist, muss ersetzt werden. Sollte jemand das Schwarze Schloss angreifen, werden wir uns zu verteidigen wissen“ Alistair hatte diese Haltung erwartet. Er hörte erstaunlich gute Klavierinterpretation, die ihm Respekt abnötigte.
Die ersten Takte spielten sich noch ungelenk für Malfoy. Dann schloss er die Augen und träumte sich nach Malfoy Manor. Er träumte von einem wunderbaren Herbstsonntag mit seinen Eltern. Seine Mutter saß neben ihm auf einem Klavierhocker. Sein Vater trank Tee im Sessel. Draco spielte mit seiner Mutter vierhändige Stücke. Er war damals gerade dreizehn gewesen. Eine wunderbare Zeit mit seiner Familie. Er war wunderbar behütet aufgewachsen. Malfoys Finger flogen beinahe über die Tastatur.
Mittlerweile waren die Gespräche im Lokal eingeschlafen. Alle lauschten der wunderschönen Melodie. Er gab sich der Musik hin, wie es nur ein Magier vermochte. Seine wunderschöne Mutter, die ihn immer wieder ermunterte sich auszuprobieren, schien ihm nahe zu sein. Er flog das erste Mal mit seinem Besen. Sein Vater lächelte ihm stolz zu. Er träumte weiter und die Musik rann aus seinen Händen und seiner Seele.
Lord Potter hatte nicht erwartet, dass Malfoy ein so kompliziertes Stück spielen konnte. Es hatte etwas magisches, wenn gleich sich Lord Potter unterlegen fühlte. Das war natürlich albern, wie er sich gleich darauf zurechtwies. Niemand hatte ihm jemals etwas anderes beigebracht, als zu dienen, zu führen oder zu kämpfen. Nagut er konnte etwas Zauberschach und Snape explodiert, aber das war nicht dasselbe. Selbst Quidditch hatte er für andere gelernt. McGonagalls Besessenheit die Hausmeisterschaft zu gewinnen, hatte ihm viele Vorteile gebracht. Dennoch auch hier war er nur ein Mittel zum Zweck gewesen. Selbstverständlich hatte er auch diese Aufgabe gelöst.
Die Musik umfing ihn zärtlich, traurig und sehnsüchtig. Draco bereitete ihm am meisten Genuss, wenn er dazu gezwungen wurde. Vielleicht sollte Lord Potter das heute Nacht ausprobieren, Malfoy dazu zwingen sich einem Partner hinzugeben. Er wusste auch mit wem. Einen Moment lang dachte er an den Vampir und Malfoy. Das Bild bereitete ihm Unbehagen. Er schüttelte es ab, wie eine lästige Fliege.
Die Unterhaltung mit Alistair Moody nahm er wieder auf, als Draco geendet hatte. Der Saal klatschte und Draco deutete stilvoll eine Verbeugung an. „Bring was zu trinken mit, Malfoy.“, wies Lord Potter seinen Sklaven an. In diesem Augenblick wollte er den Jungen wieder bestrafen, ohne genau zu wissen warum. Moody bot ihm dafür die perfekte Möglichkeit. Gehorsam brachte Draco zwei Flaschen Butterbier für die beiden Herren. „Du wolltest vorhin wissen, weshalb ich Malfoy im Schlepptau habe. Sein Patenonkel war so nett, ihn mir auszuliefern. Einen Diener dabeizuhaben macht oft Sinn. Malfoy kann ziemlich nützlich sein. Er ist ein tolles Spielzeug im Bett und auch sonst, wie Du gerade gemerkt hast.“