Orphiel und Orphiala Aglasis spazierten Hand in Hand durch den farbenprächtigen Wald ihrer Heimat. Neben ihnen trotteten ihre beiden Begleittiere der Wolf Sunkma und eine weisse Hirschkuh, namens Tahina. Sie suchten nach Früchten und Beeren, um die grossen Führer mit einem leckeren Mahl zu empfangen. Bei sich trugen sie grosse Körbe und ein Messer, um die Früchte von den Ästen zu schneiden. Überall wuchsen wilde Trauben und Pfirsiche. Jedes Mal, wenn sie eine Frucht abschnitten, nahmen sie zuerst mit der Mutterpflanze selbiger Kontakt auf und bedankten sich, dass sie ihnen ihre Früchte als Nahrung schenkte. Für die Indigenes war es ganz natürlich, das jedes Lebewesen, ein Bewusstsein besass, dass, auch wenn es noch so einfach war, gewürdigt werden wollte.
Bei einem wunderschönen, von dichtem Schilf umgebenen Teich, machten sie schliesslich eine Pause und liessen ihre Füsse etwas ins kühle Wasser baumeln. Das tat sehr gut und sie beobachteten die kleinen, bunten Fische, welche anfingen sanft an ihren Zehen zu knabbern. Es kitzelte und sie mussten lachen. Auch Frösche kamen und gaben extra für sie ein Quakkonzert. Das Fürstenpaar freute sich sehr und bedankte sich bei den Tieren, welche ihnen auf ihre Weise, etwas schenkten. Orphiala streichelte einen kleinen, grünen Frosch, welcher zu ihr gehüpft war. Vertrauensvoll kletterte er auf ihre Hand und sie führte ein leises Gespräch mit ihm. Orphiel bewegte seine Zehen und schaute amüsiert zu, wie die Fische sich seinen Bewegungen anpassten. Als… auf einmal ein schmerzerfülltes Röhren an ihre Ohren drang. Sie sprangen auf und die Fische und Frösche, flohen vor Schreck. «Was ist das?» frage die junge Indigene. «Ich weiss auch nicht, es klang irgendwie nach einem Hirsch, einem Hirsch, den ich von irgendwo her kenne. Was in des Ewigen Namen, ist ihm zugestossen?» «Wir müssen unbedingt nachschauen!» Das Fürstenpaar ging in die Richtung, aus der es glaubte den Laut vernommen zu haben. Es musste irgendwo dort hinten zwischen den Büschen gewesen sein.
Als sie dort anlangten, erschraken sie zutiefst. Ein mächtiger Hirsch, mit einem riesigen Geweih, lag niedergestreckt auf dem Boden. Mehre Pfeile steckten in seinem Körper und jemand kauerte über ihm und wollte ihm gerade die Kehle durchschneiden. «Das ist eins der Erstlingstiere, es gehört doch zu unserem Bruder Imanuel!» rief Orphiel «Heh du da, bist du verrückt, lass das Tier in Ruhe!» Die Person, welche dem Hirsch hatte die Kehle durchschneiden wollen, floh blitzschnell. Leider konnten das Fürstenpaar sie ihm Schatten der Büsche nicht richtig erkennen. Doch es musste jemand von ihrem Volk sein, denn er hatte lange glatte Haare und seine Haut war weder ganz dunkel, noch sehr hell. «Stehenbleiben!» schrie Orphiel und setzte dem Jäger nach. Orphiala beugte sich tief erschüttert über den schwer verletzten Hirsch. «Beim grossen Geist, was ist dir nur zugestossen?» Die Augen des Hirsches waren weit aufgerissen und er atmete schwer. «Das wird schon wieder,» beschwichtigte ihn die junge Frau. Zum Glück konnten die Erstlingstiere, so wie ihre menschlichen Anführer, nicht sterben. «Sei tapfer, wir schauen das Hilfe kommt.» Sanft streichelte Orphiala den Hirsch und rieb etwas von einer Heilpaste, die sie immer bei sich trug, auf seine Wunden. Doch das Tier zuckte unter jeder ihrer Berührungen ängstlich zusammen. Es schien unter Schock zu stehen. «Ich tu dir nichts, ich will dir nur helfen,» beruhigte sie den Hirsch. Doch dieser gab ihr keine Antwort, er schien vollkommen traumatisiert. «Wie nur konnte dir jemand so etwas antun,» flüsterte die junge Frau. «Ich habe ihn nicht erwischt!» Orphiel kam zurück zu ihr. «Dieser elende Jäger, wie konnte er es wagen sich an einem der heiligen Tiere zu vergreifen!?» sprach Orphiala zornig. «Der arme Hirsch ist traumatisiert. Er hat nicht mal mit mir gesprochen. Wir müssen ihn schnellstmöglich ins Dorf bringen und dort richtig verarzten. Das wird ein Aufruhr geben.» «Ich hoffe nur, Imanuels Gefährte kann uns später mehr über sein Angreifer erzählen,» sprach der junge Indigene und dann machten sie sich auf, um Hilfe zu holen.
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Während ich zusammen mit meinen Begleitern gen Westen fliege, holt mich alles was ich im Dorfe der Awrighas erlebt habe, wieder ein. Ich kann es einfach nicht vergessen. Es war einfach zu schrecklich und jetzt da ich daran zurückdenke, kommt es mir vor, wie ein finsterer Traum, der meine Seele irgendwie zutiefst erschüttert hat. Wie sehr sehne ich mich nach Ruhe, nach Frieden, ich will von all diesen Schrecken fliehen, denn der Schrecken wohnt auch ihn mir. Das ist wohl der schlimmste Schmerz. Er drückt mein Herz wie ein Schraubstock zusammen. Das Atmen fällt mir schwer und immer und immer wieder, erlebe ich alles noch einmal. Dieser Hass, überall das Steinfeuer, die Atombändiger. Was nur hat unsere Welt da an Fürchterlichem hervorgebracht? Ich kann es noch immer nicht recht glauben. Warum nur musste ich auch die Kontrolle verlieren? Warum nur konnte ich meiner Aufgabe als grosser Führer, in den so viele ihre Hoffnung setzen nicht nachkommen? Immer wieder versage ich und nun weiss ich gar nicht mehr, wie ich meinen Freunden noch begegnen soll. Wie können sie mir noch vertrauen, wenn ich mir selbst nicht mal mehr vertrauen kann. Doch eigentlich haben unsere Völker das Vertrauen sowieso zum grossen Teil schon verloren. Man spürt es überall, man sieht es überall. Machtstrukturen beginnen sich zu entwickeln, die nichts mehr mit dem himmlischen Leben zu tun haben. Nicht mehr alle sind gleichberechtigt und es wird immer mehr um die Ressourcen, welcher Art auch immer, gekämpft. Meine Hoffnung sie schwindet, jeden Tag schwindet sie mehr und ich bin machtlos dagegen!»
Während Hanael so vor sich hinbrütete, spürte er plötzlich eine sanfte Berührung an seinem Rücken. Es war Hanania, welche mit ihm zusammen auf seinem Paradisi ritt. «Verzweifle nicht, Geliebter, es wird alles gut werden. Ich glaube fest daran. Bei den Pfeilern des Lichts, wartet etwas auf uns, etwas gänzlich Neues, Wunderbares. Dann werden wir vielleicht auch endlich unsere Last, als grosse Führer von Eden, abgeben können.» Der junge Mann, drehte sich halb zu seiner Gemahlin um und drückte seine Stirn an ihre. «Meinst du wirklich?» «Ja, ich glaube es. Ich spüre in allen Fasern meines Seins, den Wandel, der uns bevorsteht.» «Doch was dies für ein Wandel sein wird, wissen wir noch nicht. Vielleicht wird er gar nicht so gut sein.» «Er wird unseren Seelen jedoch Linderung verschaffen, da bin ich sicher.» «Das hoffe ich,» sprach Hanael bekümmert. «So wie es jetzt ist, kann es doch nicht mehr weitergehen. Überall kommen immer wieder neue Probleme hinzu. Warum nur sind wir so hilflos dagegen. Sogar meine Kräfte habe ich missbraucht. Alles nur wegen diesem dummen Krieg!» «Du darfst dich deswegen nicht so quälen Liebster. Immerhin hast du so den Kampf beendet und die daran Beteiligten, zur Vernunft gebracht.» «Aber zu welchem Preis? Du und meine Freunde sind verletzt worden. Das hätte niemals passieren dürfen.» «Aber wir nehmen es dir doch nicht übel, dafür wurden umso mehr vor weiterem Leid bewahrt. Dafür habe ich gerne dieses Opfer gebracht.» Hanania schmiegte sich eng an ihren Gemahl und tatsächlich fühlte sich dieser dadurch etwas getröstet.