Schliesslich mache ich mich auf den Heimweg, das Tageslicht ist nun schon wieder gänzlich verblasst und eine weitere einsame, dunkle Nacht in meiner Wohnung, wartet auf mich. Ich lege die Maske auf meinen Nachttisch, setze ich mich auf das alte Second-Hand Sofa im Wohnzimmer und nehme mein Handy hervor. Ich schaue etwas ins Facebook. Dort posten noch immer einstige Freunde und einige Verwandte ihre Inhalte. Niemand von ihnen weiss wo ich bin, doch sie wissen dass es mir gut geht. Ich habe mir einen neuen Account erstellt, jedoch ohne jegliche, persönliche Daten von mir und ihnen über den Messanger geschrieben, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchen. Natürlich wollen sie mich immer wieder dazu überreden, zurück zu kehren. Ich sage ihnen jedoch jedes Mal, dass es nicht geht.
Doch ist das auf Dauer ein Leben? Abgeschottet zu leben von all meinen Lieben, meiner Familie, meinen einstigen Freunden? Obwohl viele Freunde habe ich, wie gesagt, nicht mehr. Alles seinetwegen. Ich hasse ihn! Gerade erblicke ich das Posting von jemandem, der sich für Menschenrechte einsetzt. Dazu ein Video mit einer Frau aus einem afrikanischen Land, welches mich zutiefst schockiert. Man hat sie wie im Mittelalter an einen Pranger gestellt und ein Mann misshandelt sie gerade, indem er sie blutig schlägt. Wut und Trauer kocht in mir hoch, als ich das sehe. Denn was immer diese Frau getan haben mag, das hat sie sicher nicht verdient und dieser Mann nutzt ihre Hilflosigkeit schamlos aus. Was muss nur in solchen Kerlen vorgehen? Ich denke an Abscheulichkeiten zurück, welche mir Amir schon zugefügt hat. Einst wurde ich ausserdem von irgendwelchen Sadomasochisten ans Bett gefesselt und einer nach dem andern verging sich an mir. Das war als ich 17 Jahre alt war. Amir hatte mich an sie verkauft, weil sie einen guten Preis dafür bezahlten.
Ich traue keinem Mann mehr, die sind doch alle gleich! Ein jeder von ihnen hat in sich dieses wilde Tier, welches im Angesicht einer hilflosen Frau mit aller Gewaltt hervorbricht. Man muss nur mal schauen, was heute in Indien oder einigen arabischen und afrikanischen Ländern geschieht, besonders auch, wenn Krieg herrscht. Vergewaltigungen und Misshandlungen von Frauen und sogar Kindern, sind dort an der Tagesordnung. Es gibt auch hier in diesem Land mehr als genug Männer, welche ihre finstere Seite oft im Verborgenden ausleben. Das habe ich am eigenen Leib mehr als einmal erfahren. Ich kenne keine guten Männer, darum will ich auch mit keinem Mann mehr zusammen sein.
Dennoch ertappe ich mich immer wieder dabei, wie ich darüber nachdenke, was Amir wohl gerade macht, wie er damit umgeht, dass ich weg bin. Sucht er mich wohl? Wie geht es ihm? Seltsame Besorgnis erfasst mich … Immerhin habe ja auch ich irgendwo in mir ein wildes Tier, sonst würde diese Frau nicht immer wieder von mir Besitz ergreifen. Ich weiss ja noch immer nicht, ob ich Amir nicht schwer verletzt habe damals. Manchmal bin ich versucht jemanden nach ihm zu fragen, doch eigentlich hat er es nicht verdient, dass ich auch nur einen Gedanken an ihn verschwende.
Ich lese noch etwas weiter die verschiedensten Postings in Facebook, wahrlich nicht viel Erbauendes darunter! Was schaue ich da überhaupt noch rein? Was erhoffe ich mich dabei? Ich gehe ihn die Küche und hole mir etwas Vanille- Schoko Eis aus dem Tiefkühlfach. Essen lenkt mich ein wenig ab. Ich setze mich hin … ganz allein, an meinem kleinen Küchentisch. Es ist einsam… doch ich bin ja schon lange einsam. Eigentlich hätten zwei Personen Platz an diesem Tisch. Ich stelle mir vor wie Monica mir gegenübersitzt und romantische Gefühle steigen plötzlich in mir hoch. Wir würden ein paar Kerzen anzünden und uns liebevoll anlächeln. Ab und zu würden wir einander an den Händen nehmen, um uns unsere Zuneigung zu zeigen, ein wenige Wein zusammen trinken und lecker essen. Dann würden wir uns schliesslich ins Schlafzimmer zurückziehen und wer weiss, was dann noch so kommen würde...
Ich verschlucke mich und muss husten. Was sind das nur für Gedanken? Ich weiss ja nicht mal, wie Monica dazu steht. Ich schäme mich plötzlich und Wut auf mich selbst steigt in mir hoch, während ich mit einem Schluck Wasser dem Hustenreiz entgegenwirke. So ein Schwachsinn! Da schmachte ich einer anderen Frau hinterher, die vermutlich nicht mal was von mir möchte. Und wenn, dann eh nur eine normale Freundschaft, ohne körperliche Zärtlichkeiten. Ich stehe abrupt auf und fege mit der rechten Hand die Kerze vom Tisch, welche ich doch nie anzündete.
Wieder übermannt mich dieses traurige, schwermütige Gefühl. Es holt mich immer wieder ein und ich bin machtlos dagegen. Ich stelle den Rest des Eises ins Kühlfach zurück, denn mein Appetit ist mir vergangen. Ich werfe mich aufs Sofa und schalte noch etwas den Fernseher ein. Es kommt mir vor, als würden immer und immer wieder nur Nachrichten von missbrauchten Frauen gesendet. Ich zappe weiter und weiter und merke dabei, dass ich eigentlich viel zu müde bin, um TV zu schauen. Meine Augen werden schwerer und schwerer, die Bilder von all dem Elend auf Erden, scheinen in meine Träume überzugehen, wie dunkle Schatten und setzen sich dort irgendwie fest. Schliesslich entgleitet mein Bewusstsein… und ich schlafe ein. Doch während ich schlafe, öffnet sich etwas in meinem Inneren und die seltsame, kriegerische Frau tritt erneut daraus hervor! Sogleich nimmt sie mich ganz und gar in Besitz. Ich will mich noch wehren, doch es gelingt mir nicht. Und ohne es zu merken stehe ich wie in Trance auf und gehe in mein Schlafzimmer… wo die neu gekaufte Maske liegt...