5.Kapitel
Monica
Am Abend beschliesse ich, mal wieder etwas wegzugehen, wenn ich schon so völlig neu hergerichtet war. Es ist ziemlich kühl geworden und es sieht ganz so aus, als würde es noch Regen geben. So ziehe ich vorsichtshalber meinen schwarzen, knielangen Mantel mit der Kapuze an. Ich gehe zu einer Bar, welche nicht sehr weit entfernt ist. Ich war schon mal dort und sie hat mir einen guten Eindruck gemacht. Sie ist stilvoll eingerichtet und das Personal ist freundlich. Als ich eintrete, empfängt mich schummriges, lilafarbenes Licht. Alles hier ist in Lila gehalten, auch die hohen Barhocker, die Sofas und Wände. Bilder mit passenden, modernen Stillleben, schmücken selbige. Die Auch die vielen verschiedenen Flaschen hinter dem lilafarbenen, mit goldenen Reliefen verzierten Tresen, sind von unten lila beleuchtet. All das wirkt irgendwie magisch. Ich setze mich in eine etwas stille Ecke und beobachte das Treiben um mich herum. Es hat noch nicht sehr viele Leute, aber es werden immer mehr. Die Bardame mit dem kleinen Schwarzen, kommt freundlich lächelnd zu mir und nimmt meine Bestellung auf. Sie erinnert mich irgendwie an meine einstige Liebste Claudia. Ihr Haar scheint einen kupfernen Schimmer zu haben und auch das Gesicht und die Figur, so viele erinnert mich an Claudia. Sehnsucht ergreift mich auf einmal und ich lächle die Serviceangestellte wohl etwas zu vertraut an. Denn diese wirkt auf einmal verlegen und weicht meinen Blicken aus. Ich nehme das mit einer gewissen Schwermut zur Kenntnis. Sie scheint kein Interesse zu haben, sie ist bestimmt Hetero. Doch habe ich früher nicht auch das Gefühl gehabt heterosexuell zu sein? Ich war damals nur an Männern interessiert, lange Zeit. Doch nach all den schlimmen Erfahrungen mit Amir, habe ich erstmal von Männern die Nase voll.
Wieder steigt Wut und Trauer in mir auf. Was machte ich eigentlich hier? Was nutzte es, einfach unterzutauchen, ohne dass jemand von meinem Verbleib weiss? Eigentlich habe ich hier keinerlei Anschluss und meine grosse Liebe Claudia habe ich auch verloren… Mein Blick schweift noch einmal zur Serviertochter herüber, welche mit anmutiger Freundlichkeit einen Gast nach dem anderen bedient. Das Lokal füllt sich langsam und je mehr Alkohol fliesst, umso heiterer und auch aufgeheizter, wird die Stimmung. Ein Gruppe recht junger Männer, scheinen sich durch ihren Konsum von zu viel Schnaps, etwas hochgeschaukelt zu haben. Sie stupsen einander gegenseitig an und deuten immer wieder anzüglich grinsend auf die Bardame, welche weiterhin unermüdlich ihrer Arbeit nachgeht. Immer freundlich lächelnd, immer mit einem flotten Spruch auf den Lippen und einer liebevollen Besorgnis, allen Gästen gegenüber. Sie scheint geboren für diesen Job. Doch leider gibt es immer solche, welche die Freundlichkeit einer Frau falsch interpretieren. Dazu gehören wohl auch die drei jungen Herren, welche nun immer mehr anfangen die Serviceangestellte anzuquatschen und sogar nach ihr zu grabschen. Sie weicht ihnen, noch immer lächelnd, aus. Doch das spornt die Männer nur noch mehr an. Immer wieder grabschen sie nach ihr und noch schreitet niemand ein.
In mir kocht auf einmal ein unbändiger Zorn hoch. ein roter Nebel schiebt sich vor meine Augen, als ich mich selbst sehe, wie… ganz ähnliche Männer wie diese dort drüben, sich immer und immer wieder an mir vergehen! Obwohl ich eigentlich nur schreien, nur weg will aus diesem Teufelskreis, in den mein einstiger Freund mich geschubst hat. Auch diese Männer hier überschreiten immer wieder Grenzen, werden immer aufdringlicher und ich merke, wie die Bardame langsam etwas hilflos wirkt.
Der rote Nebel vor meine Augen verdichtet sich, durchdringt mehr und mehr mein ganzes Sein und… dann merke ich, wie die Rachegöttin erneut aus mir hervorbricht! Ich gehe ohne lange zu überlegen zum schlimmsten der drei Säufer, packe ihn an seinem schwarzen Hemdkragen und schleudere in über zwei Tische, Richtung Ausgang. Die Leute die darum herum sitzen, springen erschrocken auf und starren mich an. Mir ist es als würden glühende Funken aus meinen Augen sprühen, denn sie schauen mich auch dementsprechend entsetzt an. Ich bin nicht mehr Herr meiner Selbst. Ich gehe zu dem am Boden Liegenden hin und trete ihm nochmals kräftig in die Seite.
Dann packe ich ihn erneut und schleudere ihn ein weiteres Mal mit erstaunlicher Kraft Richtung Türe. Ich stosse diese auf und zerre ihn hinaus. Er weiss nicht wie ihm geschieht und getraut sich gar nicht sich zu wehren, denn mein Zorn ist grenzenlos. „Lass die Angestellte endlich in Ruhe, Mistkerl!“ schreie ich und meine Stimme kling fremd und wie von fern an meine Ohren. Ich trete dem Mann nochmals in den Hintern und befördere ihn ganz aus der Tür. Dann kehre ich innerlich noch immer kochend wie ein Vulkan, der kurz vor dem Ausbrechen steht, zu dem beiden andren zurück und richte mich bedrohlich vor ihnen auf. Irgendwie komme ich mir viel grösser und mächtiger vor. Es ist als würde mein Schatten die beiden vollkommen einnehmen. Sie schauen ängstlich an mir empor und ergreifen dann von allein die Flucht. Als sie das Lokal ebenfalls verlassen, trete ich dem einen nochmals kräftig mit meinen hohen, schwarzen Stiefeln ins Gesäss und er fällt taumelnd die beiden Treppentritte vor dem Eingang hinunter. „Und dass ihr euch ja nicht mehr hier blicken lasst!“ schreie ich und schaue den dreien zu, wie sie voller Panik davonrennen, ohne sich nochmals umzublicken.
Als ich aber in die Bar zurückkehre, kommt mir ein Kasten von einem Mann mit einer dunklen Lederjacke entgegen. Vermutlich der Security. Er packt mich bestimmt an den Schultern und bittet mich das Lokal ebenfalls nicht mehr zu betreten. „Wir hatten genug Trubel heute“, spricht er. „Ja, aber auch nur, weil du dich bisher nicht bequemt hast einzugreifen, während eine Angestellte eindeutig sexuell belästigt wurde!“ spukte ich ihm ins Gesicht. Meine Wut war noch immer nicht abgeklungen. „Jaja schon gut, geh jetzt einfach, ok?“ Ich spüre den Impuls mich zur Wehr zu setzen, lasse es dann jedoch bleiben und mich nach draussen begleiten. Die Serviertochter beobachtet das mit etwas Bedauern in ihren wunderschönen, vermutlich grünen Augen und schliesslich kommt sie nochmals zu mir. „Ich danke ihnen. Sie haben mir wirklich einen grossen Gefallen getan.“ Meine Wut verraucht nun mehr und mehr, in ihrer Gegenwart sowieso und ich erwidere: „ War doch selbstverständlich.“ „Nein, war es nicht. Sie waren die einzige die mir half. Mein Name ist übrigens Monica.“ Sie reichte mir ihre Hand. „Ich bin Milena!“ „Danke für deinen Beistand Milena…“