Am Tag vor den Feierlichkeiten zum Bund der Gestirne wurde das beschauliche Dorf Aspura von lautem Pferdegetrappel aus den Vorbereitungen gerissen. Zehn Männer und Frauen, alle in roter Kleidung und bis an die Zähne mit den verschiedensten Waffen bestückt, bahnten sich ihren Weg auf die Taverne des Ortes zu. Das verwitterte Schild mit dem Reiter über der Tür schwang unbeeindruckt hin und her, während die Söldnertruppe absaß und sich um den stattlichen Mann mit schwarzen Haaren und passenden Bart sammelten.
»Ihr kennt die Regeln. Ihr könnt trinken, euch amüsieren und auch sonst tun was ihr wollt. Aber keine Gewalt oder andere Verbrechen. Ich bin es Leid unseren Sold für Strafen auszugeben, ganz abgesehen davon, dass wir dafür angestellt worden für Ruhe zu sorgen. Morgen werden wir einigermaßen nüchtern benötigt.«
Von dem ein oder anderen Mitglied war ein Murren zu hören, doch ein Blick aus Maliks hartem Gesicht genügte um sie zum Schweigen zu bringen. Nur wenige Minuten später hatten sich die Mitglieder der Roten Sonne über den Ort verteilt während ihr Kommandant ihnen nach sah. Er wusste, dass einer von seinen Leuten Verwandtschaft im Dorf hatte, manch einer fühlte sich vielleicht sogar berufen bei den Vorbereitungen zu helfen. Die meisten jedoch hatten die Taverne des Ortes gestürmt, um sich zu vergnügen, und dahin folgte er ihnen.
Der Geruch nach verschütteten Bier, verschwitzten Männern und gebratenem Fleisch vermischte sich mit dem Duft der Blumen, die irgendeine umsichtige Seele im Gastraum als Dekoration für das Fest aufgestellt hatte. Der Wirt hatte ihn erspäht und zapfte sofort einen Humpen seines selbst gebrauten Dunkelbieres. Der Mann war um die vierzig, klein und mit einem sehr lauten Organ gesegnet. Doch nichts konnte seinen Geschäftssinn übertreffen. Er wusste, mit wem man sich gut stellen musste und hatte ein ausgezeichnetes Gedächtnis, das vor allem mit Geldstücken besonders gut funktionierte. Wenn es Gerüchte gab oder irgendjemand den heißesten Klatsch und Tratsch verbreitete, dann konnte man sicher sein, dass der Wirt des Fliehenden Ritters sich daran erinnern konnte.
»Sagt nichts, sagt nichts Malik,« der Wirt begrüßte ihn freudestrahlend, »die Zimmer oben sind vorbereitet und der Stall steht für eure Pferde zur Verfügung, nur hineinführen müsst ihr sie selbst. Mein Stallbursche geht morgen den Bund ein und ist leider zu aufgeregt, um seiner Arbeit nachzugehen. Er hat sich sogar ins Stroh übergeben. Aber ich plaudere schon wieder, die Rote Sonne ist uns immer willkommen.« Malik machte eine auffordernde Handbewegung in Richtung des Kruges und der Wirt sprach sofort weiter.
»Heute seid ihr aber sehr ungeduldig. Ihr wollt wohl sofort die neuesten Geschichten hören, die mir zu Ohren gekommen sind?«
»Bin ich überall für meine Geduld bekannt Wirt?« Der angesprochene zeigte ein breites Grinsen. »Nicht wirklich, also gut.«
Ungefähr eine Stunde hatte Malik dem Wirt zugehört und immer mal wieder eine Münze fallen lassen. Einige Dinge, die sein Informant berichten konnte, waren ihm selbst schon zu Ohren gekommen. Andere allerdings waren neu und für ihn und seine Söldner womöglich sehr lukrativ. Eigentlich kamen sie nur in dieses Dorf um die Priester für die Zeremonien zu unterstützen. Ein Auftrag der jedes Jahr leicht verdientes Geld versprach und seinen Leuten die Möglichkeit gab sich auch etwas zu amüsieren. Viel zu oft waren sie abgelegenen Gegenden unterwegs oder auf Schlachtfeldern. Im Fliehenden Ritter war meistens noch mehr aus ihrem Aufenthalt herauszuschlagen. Er hatte sich mit einem seiner Söldner und einem fremden Reisenden zu einem Kartenspiel in eine Ecke zurückgezogen, doch seine Gedanken zogen weite Kreise und er war nicht bei der Sache.
Schon letztes Jahr hatte er ein Auge auf einen jungen Mann geworfen, der seit einigen Jahren hier lebte. Noch immer war sich Malik nicht sicher, was das Besondere an ihm war. Es war ein unbestimmtes Gefühl, welches ihn in seiner Nähe überkam. Wie kleine elektrische Schläge die seinen Rücken hinunter liefen. Vielleicht war es sein ungewöhnliches Aussehen, das ihn irgendwie an Keona erinnerte, vielleicht aber auch etwas völlig anderes. Bei diesem Besuch hatte er sich fest vorgenommen, dieser Sache nachzugehen. Laut den Berichten, die regelmäßig bei ihm eintrafen, lebte sein Zielobjekt noch immer hier und alles war beim Alten geblieben. Am schlimmsten war, dass er auch weiterhin mit diesem hartnäckigen Bastard Killian zusammen lebte, der seine Nase immer wieder in Sachen stecken musste, die ihn nichts angingen. Vor allem bei der Suche nach den Deziras war er immer im Weg und machte es Malik und seinem Kaiser immer schwerer den Mythos vom Aussterben des sagenumwobenen Volkes aufrecht zu erhalten. Auch diesen Herbst wollten die Zwei wieder auf die Suche gehen und diesmal hatten sie wohl auch von den Gerüchten in der Hauptstadt gehört. Einen tiefen Schluck und vier verlorene Silbermünzen später verließ Malik das volle Gasthaus in die Dunkelheit des Abends.
An anderer Stelle im Dorf war Killian damit beschäftigt einige farbige Laternen aufzuhängen und wäre fast von der Leiter gefallen als Jaroth unvermittelt unter ihm auftauchte. »Die Rote Sonne ist in der Stadt!«
»Das ist kein Grund mir das Genick zu brechen und hör auf dich an mich heranzuschleichen und wie aus dem Nichts aufzutauchen.« Killians Stimme war gereizt.
»Die Rote Sonne ist in der Stadt Killian,« wiederholte er nachdrücklich, »und du weißt ganz genau, was das heißt!«
»Das heißt, das ihr Hauptmann dir wieder nachsteigen wird Jaroth und das es gute Schaukämpfe geben wird, sonst nichts.«
Jaroth verschränkte die Arme und sah nach oben zu seinem langjährigen Freund und Geliebten. »Dieser Kerl führt irgendwas im Schilde, immer wenn dieser Typ hier ist, jagt mir seine Gegenwart eine Gänsehaut über den Rücken. Als wollte er mich auffressen.«
»Bitte tu nicht so naiv, er will dich flachlegen, das ist alles.« Nun klang die Stimme des Dunkelhaarigen nicht nur gereizt, sondern auch einen Hauch eifersüchtig.
»Müssen wir das wieder durchkauen, ich bin nicht interessiert und er auch nicht. Du weißt, dass ich seine Männer einmal ausgefragt habe, als sie betrunken genug waren. Er hat für Kerle nichts übrig!«
»Du siehst auch nicht aus wie ein Kerl und strotzt vor Männlichkeit und meine Güte vielleicht will er aus deinen Haaren eine Jacke häkeln, was weiß ich. Er hat dir nie was getan oder uns belästigt also lass es gut sein oder geh zu ihm und frag ihn einfach. Ich habe keine Lust mehr mir immer wieder deine haltlosen Anschuldigungen anzuhören.«
Killian kletterte von der Leiter und blieb vor seinem Freund stehen. Jaroth war bereits in seine Kleidung für die Feiertage gehüllt, die bei Herren traditionell aus schwarzen Beinkleidern und einem hellen Hemd oder Wams bestanden, farblich dazu passend waren Schnüre um die Arme und auch in die Haare geflochten. Beide hatten eine ernste Miene.
»Du nimmst diesen Malik nicht ernst und ich fürchte, das sich das noch rächen wird. Die Gerüchte besagen, dass er für den Kaiser arbeitet und du weißt genau, was das heißt!«
»Ja das er gut bezahlt wird und nun zieh endlich Leine und lass mich arbeiten. Nicht jeder kann wie ein Pfau durch die Straßen laufen, sondern manche müssen bei den Vorbereitungen helfen.«
Man konnte den beiden jungen Männern ansehen, das sie kurz davor waren sich wirklich in die Haare zu kriegen. Es wäre nicht der erste Streit gewesen, der in einer Prügelei endete, auch wenn sie sich meistens nach kurzer Zeit wieder versöhnten. Doch diesmal ließ es Jaroth nicht darauf ankommen.
»Ich wüsste einfach gerne, warum er mich beunruhigt, dich aber so unglaublich wütend macht.«
Mit diesen Worten verschwand er um die nächste Hausecke, genauso gewandt und schnell wie er gekommen war und Killian blieb mit einer roten Papierlaterne allein zurück. "Ganz einfach du Idiot, weil ich eifersüchtig bin und fest daran glaube, dass er dir an die Wäsche will.«
Die letzten Worte waren nur gemurmelt und wenn sie jemand gehört hatte, dann nur die breit grinsende Halbelfe auf dem Hausdach direkt über ihm. Keona gab Jaroth recht. Malik war tatsächlich nicht an Männern interessiert. Jedenfalls nicht in sexueller Hinsicht. Nachdenklich sah sie in den Himmel. War es wirklich schon ein Jahr her, dass sie dem Hauptmann der Roten Sonne begegnet war? Nachdenklich spielte sie mit dem Anhänger an ihrer Kette, in den eine schwarze Haarsträhne eingearbeitet war.