Did bat auch Church sich auf einen der Drehsessel zu setzen: "Das Oculus kann einen ganz schön außer Gefecht setzen, ihr solltet nie stehen bei seiner Anwendung!"
Chruch nickte, er war sichtlich nervös. Er dachte an seine ersten Erinnerungen mit Finn. Dieser und Did hatten ihn nahe einer zerstörten Stadt in Argenshire aufgelesen, damals war Finn noch ein Kind gewesen.
"Du wurdest verletzt, als die Stadt angegriffen wurde!", hatten sie ihm erklärt, dann war er Finn gefolgt, überall hin. Hatte gelernt seinen Hass zu unterdrücken und zumindest meistens Moral und Vernunft vor Wahnsinn zu stellen.
"Bist du bereit?", Shanoras Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Er nickte, dann legte Did beiden ihre Hand auf die Stirn, sie selbst trug das Oculus um den Hals. Die Perlen leuchteten kurz unheimlich auf, dann begann der Raum um Shanora und Church zu verschwinden.
"Did, dachte ich mir, das ich dich hier finde!", Ladiras Stimme hallte durch den friedlichen Abschnitt des Waldes. Did saß in ihrem grauen Mantel um Flussdelta, eine Angel verweilte neben ihr im Wasser und ein kleines Feuer prasselte.
Sie hatte ihre Augen geschlossen und schien zu meditieren: "Was willst du, Hüterin des Waldes? Keine Sorge, ich habe nicht zu viele Zweige für mein Feuer abgebrochen! Und mehr als zwei Fische werde ich nicht aus dem Fluss nehmen!"
Ladira verschränkte die Arme, sie schien genervt über die sture Art der alten Frau zu sein: "Du musst dich um den Jungen kümmern, Did! Mit schwierigen Jungs hast du schließlich mehr Erfahrung als ich!"
Bei diesen Worten riss Did die Augen auf, ihr Blick wanderte schmerzverzerrt zu Ladiras Gesicht. Dieser schienen ihre Worte auch leid zu tun.
"Was für einen Jungen?", fragte Did, ihre Stimme klang deutlich weniger spöttisch.
"Den kleinen Finn vom weißen Thron!", Ladira klang auch ein wenig sanfter als zuvor. "Was für Probleme kann das kleine Prinzchen schon machen?", fragte Did nun erstaunt und durchaus interessiert.
"Er hat unglaubliche Macht Did, so etwas habe ich noch nie gesehen! Er hat ein paar Schiffe in die Luft gesprengt! Finn ist außer Kontrolle!", erklärte die Hüterin.
"Das ist beachtlich, wie alt ist der Junge, acht oder neun Jahre?", fragte Did nach und erhob sich.
"Es freut mich, das du mir bei seiner Ausbildung helfen wirst!", Ladira drehte sich kurz um, "Komm schon raus Finn!"
Did verdrehte die Augen, klar das Ladira ihn hergebracht hatte. Ein kleiner, blonder Junge mit zerzausten Haaren und einem frechen Blick trat aus dem Wald. "Was soll den die alte Schachtel mir beibringen? Ich habe keine Zeit auf alte Leute aufzupassen!", meckerte er los. Did riss die Augen auf: "Wer ist hier alt du vorlauter Bengel?"
"Finn, du darfst dich nicht überall einmischen!", besorgt riss Did den nun deutlich erwachseneren Finn zurück.
"Aber die Stadt, sie brennt, etwas wütet darin, wenn wir es nicht aufhalten werden alle sterben!", Finn dürfte jetzt 13 oder 14 Jahre alt sein. Seine Stimme ließ auf jeden Fall den Stimmbruch durchklingen. Vor Finn brannte eine ganze Stadt lichterloh, die Schreie ihrer Bürger hallten durch die schwüle Nacht. In der Mitte schien ein Monster zu toben, das alles um sich herum zerstörte.
"Warum willst du unbedingt in dieser fremden Welt den Helden spielen Junge?", Did schien mit ihren Augen die Situation abschätzen zu wollen.
"Darum geht es nicht! Die Leute hier in Argenshire brauchen unsere Hilfe! Du sagst selbst immer, dass mit großer Macht auch große Verantwortung kommt!", schrie er seine Lehrerin an.
"Aber das hier hat nichts mit deinem Kampf zu tun? Das ist der Erbe Agares, der da tobt, seine Kräfte sind enorm und wenn er kein Herz hat, welche diese zügeln, dann kann er sich nicht kontrollieren!", Did schien es nicht auf einen Kampf mit dem Tentakelmonster vor ihnen anzulegen.
"Wer hat ihm wohl das Herz genommen?", Finns Worte trafen Did hart. Sie nickte traurig: "Der Dunkle!"
"Dann werde ich ihn aufhalten, der Dunkle wird nicht mit seiner Hilfe Argenshire zerstören!", Finn war nach wie vor fest entschlossen.
Did nickte nun doch: "Gut mein Junge, kannst du dich an die vier elementaren Siegel erinnern? Ich werde das Siegel der Luft und des Feuers anwenden, du das Siegel der Erde und des Wassers! Wir platzieren die Siegel zeitgleich auf dem Rücken des jungen Baal, so sollten wir seine Kraft in seinen Körper zurückbekommen!"
Finn nickte: "Auf den Rücken mit den Siegeln, oder? Muss ich sonst noch etwas über seine Kräfte wissen?"
Did bejahte das sofort: "Die Erben Agares bedienen sich seit jeher einer zerstörerischen Macht. Diese Tentakelartigen Fäden, die du sehen kannst, kommen aus seinem Körper, sie bestehen aus dichtem Schatten und vergiften dich, wenn er angreift. Außerdem sind sie wie ein Schutzschild! Agares waren immer schon Schattendämonen!"
Finn schien kurz zu überlegen: "Gut, ich bin mir sicher, dass wir es schaffen! Lass uns diese Bestie aufhalten!"
Stunden später betrachtete Finn den schlafenden Chruch. Did hatte ein kleines Feuer angezündet, es erinnerte ihn an die brennende Stadt, die sie hinter sich gelassen hatten. Er hatte nicht damit gerechnet, dass mit dem Anbringen der Siegel aus dem Schattenmonster ein Junge werden würde. Wahrscheinlich kaum älter als er, mit pechschwarzem Haar. Die eigenartigen Fäden hatten sich wieder in seinen Körper zurückgezogen und dabei die zahlreichen Schnittwunden, die die Ritter von Argenshire ihm zugefügt hatten, vernäht. Sein ganzer Körper schien nun mit diesen schwarzen Nähten bedeckt zu sein. Finn dachte an den Kampf zurück, beinahe hätten sie es nicht geschafft. Es war nur dieser eine Junge gewesen und doch hatte er die ganze Stadt zerstört.
"Was willst du ihm sagen, wenn er aufwacht?", fragte Did ihn und setzte sich neben ihn ans Feuer.
"Auf jeden Fall nicht die Wahrheit!", schoss es aus Finn heraus, "Nenn mich einen Lügner, aber er kann doch nichts dafür, der Dunkle ist dafür verantwortlich!"
Did nickte: "Da hast du wohl recht, aber den Menschen hier wird das egal sein!" Finn nickte, er wusste, dass sie den Jungen niemals aufnehmen würden.
"Er könnte mit uns kommen!" Did zog erstaunt die Braue hoch, das wäre sicher die letzte Idee, auf die sie gekommen wäre.
"So können wir ihm ein eigenes Leben ermöglichen! Weit weg von diesen gruseligen Kräften! Er kann wie ich lernen sie einzusetzen, für das Gute!", erklärte Finn seinen Plan. Did schien das nun auch ernsthaft in Erwägung zu ziehen, so hatten sie den Dämon wenigstens immer im Blick.
"Ich werde sein Freund sein!", beschloss Finn und grinste, "Er wird gar nicht mehr böse sein wollen. Er und ich werden Helden sein!" Einen Moment später wachte der Junge auf.
Ein Krachen riss Shanora aus der Vision. Did war zurückgewichen und hatte das Ritual beendet. Church war aufgesprungen, dabei war der Drehsessel laut zu Boden gegangen. Seine schwarzen Augen fixierten Did, weit aufgerissen, unheimlich.
"Dann ist es also wahr?", fragte Church Did, "Ich bin, was dieser Marbas sagt? Ein mächtiger Schattendämon aus dem neunten Kreis? Der Erbe Agares?"
Did nickte bedrückt, sie konnte sich vorstellen, wie sich Church jetzt fühlte. Verraten und verkauft.
"Das Finn als kleiner Junge die Entscheidung getroffen hat mich zu belügen verstehe ich. Aus blindem Idealismus. Aber warum du? Du warst damals schon eine weise Frau. Du hättest mir zumindest die Siegel auf meinem Rücken erklären können!", schrie er, dann drehte er sich um und ging Richtung Ausgang.
"Church!", rief Did ihm nach, "Wir wollten wirklich nur sein bestes Junge! Vor allem Finn, vergiss das nicht!"
Church wollte einfach nur alleine sein. All diese Heldentaten von ihm und Finn waren auf der Lüge aufgebaut, dass er nie etwas Schlechtes getan hatte. Er hatte eine Stadt ausgelöscht. Einfach so. In ihm schlummerten wohl Kräfte, die er nicht kontrollieren konnte. Eine Macht, die man versiegelt hatte um die Welt davor zu schützen. Aber wer war er sich über Lügen zu empören?
Oben angekommen legte sich auf eine der blauen Liegen, die vor dem Hallenbad standen und schloss die Augen. Er selbst hatte oft genug gelogen. Alleine damals, als er mit Saphira, Celles und Finn auf der Suche nach Vanessa in dem Hotel verweilt hatte.
Finn und er hatten sich schon am Abend ihrer Ankunft dort getroffen, Saphira hatte er erzählt, dass er kurz ein paar Nachforschungen anstellen müsste. Der laute Motor seines Maybachs war durch den ganzen Ort zu hören gewesen, Finn hatte die Scheibe herunter gelassen und ihn mit seinem neuen Anzug frech angegrinst.
"Na alter Freund, was für eine Scheiße bauen meine Ziehschwestern den schon wieder? Und viel interessanter, was interessiert dich das?", hatte er Church gefragt.
Church hatte nur auf den Boden gestarrt: "Vanessa hat wohl Probleme und wird von einem wahnsinnigen Engel verfolgt!" Finn hatte die Augen zusammen gekniffen und ihn lange gemustert: "Und weil Saphira da verwickelt ist hilfst du ihnen! Ich dachte, du würdest dir ein wenig Ruhe gönnen! Du weißt, dass deine Psyche sehr anfällig ist!"
Church nickte verlegen: "Ich denke ich habe mich in Saphira verliebt!"
Finn verdrehte daraufhin die Augen: "Das bemerkst du erst jetzt?"
Church schoss scharf zurück: "Außerdem bist ja eher du es, um den man sich sorgen machen muss, nach allem was passiert ist!"
Finn nickte: "Da magst du recht haben! Ich werde hier bleiben und warten bis sie mich um Hilfe rufen, das kann nicht mehr lange dauern bei den Problemen! Was machst du heute noch? Lust auf einen Drink?"
Church schüttelte den Kopf: "Ich muss zurück ins Hotel, Saphira fragt sich sicher schon, wo ich bleibe!"
Finn legte den Kopf in den Nacken: "Na gut, damit kann ich nicht mithalten! Viel Spaß, Tiger!"
Dann war Finn gefahren und er zurück ins Hotel zu Saphira gegangen.
"Wo warst du?", hatte Saphira ihn sofort gefragt. Er konnte die Eifersucht in ihrem Blick sehen. Die Empfangsdame war sehr angetan von ihm gewesen, also von dem, was sie glaubte zu sehen. Ein Gesicht ohne Narben.
"An der frischen Luft, keine Sorge, ich habe kein Interesse an einfältigen Menschen, wie ich dir sagte!", hatte er versucht sie zu beruhigen. Sie hatte ihn daraufhin geküsst, nicht zum ersten Mal. Es hatte ihn überrumpelt, darum hatte er sich von dem Gefühl ihrer weichen Lippen mitreisen lassen, für einen Moment. Er hatte den Kuss, so gut er ihm auch gefallen hatte, unterbrochen.
"Warum tust du das?", hatte er wissen wollen. Ihre blauen Augen hatten ihn fragend gemustert. Ihm war bewusst, wie sehr er sie wollte, er hatte sie in seiner Jugend das erste Mal gesehen und sich auf sie eingeschossen. Sein Idealbild einer Frau, bedacht, intelligent und doch so schön.
"Ich bin ein Monster, Saphira!", er sah ihr damals ernst in die Augen, "Sieh dir mein Gesicht an, es ist entstellt! Sie dir meine Augen an, meine Zähne. Ich bin anders als du! Du solltest deine Zeit nicht mit jemandem wie mir verschwenden!" Saphira hatte damals beinahe schon verletzt gewirkt, dann hatte sie ihre Hände über sein Gesicht gleiten lassen, über all die Narben und Nähte. Er hatte seinen Blick dabei gesenkt, sich geschämt für sein entstelltes Gesicht.
"Bitte schau nicht weg!", hatte sie ihn angefleht, "Bitte nicht bei mir! Ich will das du mich ansiehst, wenn ich dich ansehe!" Er war verwundert gewesen und dann hatte sie auch noch begonnen sein Hemd aufzuknöpfen.
"All diese Spielchen, die du mit uns getrieben hast..." ihr Blick war so durchbohrend und intensiv gewesen, "...sollen doch nur verbergen, dass tief in dir mehr steckt als ein Monster!" Wenn sie gewusst hätte was er jetzt wusste.
"Nicht!", er hatte ihre Hände gepackt und hielt sie fest. Sie hatte die Angst in seinem Blick sehen können.
"Ich finde es nicht schlimm!", sie hatte eindeutig die Narben und Nähte gemeint, "Es ist wirklich nicht schlimm! Ich will dich berühren dürfen! Lass doch zumindest mich hinter die Mauer, die du dir aufgebaut hast!"
Church schüttelte den Kopf, um die Erinnerungen an damals zu vertreiben. Er starrte über das Schwimmbad durch die großen Fenster. Der Schnee erinnerte ihn an Saphira, so weich wie er sich um die Landschaft schmiegte. Er war ihr sehr dankbar, sie hatte ihn zumindest eine Zeit lang vergessen lassen was er war. Nun war es an der Zeit sich dem zu stellen. Er musste die Wahrheit erfahren, es würde ihn sonst in den Wahnsinn treiben.
Im selben Moment erschien Marbas erschöpft neben ihm: "'Ich habe gebracht was ihr wolltet!" Er hatte den eigenartigen Jutesack hinter sich her geschliffen.
"Gut gemacht!", sagte Church mit matter Stimme, was Marbas sofort bemerkte.
"Alles in Ordnung mit dir?", fragte er besorgt.
Church rang sich ein müdes Lächeln ab: "Ja, nur eine aufregende Reise durch die Vergangenheit! Du kannst jetzt etwas essen gehen!"
Marbas lächelte: "Du wirst eines Tages noch stolz auf das sein, was du bist!"
Ein Blick von Church reichte, um ihn zum Schweigen zu bringen und zu vertreiben.