Prolog
Sie lebte in einer weiten, kargen und trockenen Landschaft. Einer Landschaft die fast ohne Pause von eine gewaltigen, gleissenden Sonne beleuchtet wurde. Diese Landschaft bestand aus zerklüfteten hellbraunen Bergen. Es gab kaum irgendwo Schatten, nur in den Tälern und Schluchten, blieb die Kühle ein wenig länger hängen. Doch sie fühlte sich wohl hier. Sie wurde stets begleitet von einer treuen Löwin, welche für sie nach Beute jagte und ihr aufs Wort gehorchte. Auch sie selbst war in der Lage, sich in eine Löwin mit blau-silbernen, funkelnden Augen zu verwandeln. Doch das tat sie nur, wenn sie etwas besonders aufwühlte und ihre ganze Wildheit aus ihr hervorbrach.
Die Sonne und die Hitze machten ihr nichts aus. Sie war daran gewöhnt und sie liebte ihre Heimat, welche nur ab und zu von ein paar grünen Oasen, und dem glitzernden Band des heiligen Flusses durchbrochen wurde; welcher sich durch die karge Landschaft schlängelte und ein wenig Grün, in das, sonst so eintönige, Wüstengebiet brachte. Jeden Tag ging sie zusammen mit ihrer Löwengefährtin hinunter ans Ufer des Flusses und trank dort etwas Wasser. Sie war stolz, ungezähmt und manchmal voll unbändige Wut, besonders wenn irgendwo Ungerechtigkeiten passierten. Sie mied darum die Menschen so gut sie konnte. Sie wollte nicht riskieren, dass sie, wenn das wilde Tier in ihr wieder die Überhand gewann, jemanden Unschuldigen verletzte. Obwohl… wer war schon wirklich unschuldig? Ihr Blick war ebenso scharf, wie ihr Verstand und so merkte sie schnell, ob jemand aufrichtig war oder nicht. Sie lebte frei, sie lebte ungebunden und ihr Brüllen erschütterte das Land, denn sie war die Löwenfrau!
1.Kapitel
Wut bahnt sich ihren Weg
Lea erwachte auf einer Bank, neben dem Mausoleum, wohin sie der Geist ihres Vaters kurz zuvor geführt hatte. Sie blickte sich einen Augenblick lang verwirrt um, bis sie sich wieder einigermassen in der Realität zurecht fand. Was hatte sie hier eigentlich gewollt? Ach ja, sie hatte doch eigentlich wiedermal zu ihrem Vater aufs Grab gehen wollen. Stattdessen hatte sein Geist sie hierher geführt und sie damit mit einem weiteren ihrer Dämonen konfrontiert. Sie dachte an die grosse Macht zurück, welche sie als Kali empfunden hatte und fühlte sich irgendwie sehr gut dabei. Der Dämon hatte wirklich Respekt vor ihr gehabt. Und nun… war er gar zu einem wundervollen, weissen Vogel geworden! Sie versuchte all ihre Eindrücke, ihrer letzten Zwischenwelt- Reise zu ordnen, während sie langsam zum Grab ihres Vaters schritt. Etwas halbherzig, verweilte sie dort einen Augenblick lang, dann machte sie sich wieder auf den Heimweg.
Es war noch kaum Zeit verstrichen. Das wunderte sie immer, wenn sie von ihren seltsamen Reisen zurückkehrte. In ihrem Inneren fühlte sie grossen Triumph und einen wundervolle Zufriedenheit, wenn sie daran dachte, wie die Pferdefrau ihr ihre besonderen Qualitäten vor Augen geführt hatte. Sie spürte eine unbändige Kraft in sich und die Qualität, welche Kali verkörpert hatte, war noch immer sehr präsent. So nahm nun auch ein anderes Gefühl mehr und mehr Raum in ihr ein: Es war Zorn!
Sie dachte an ihren Vater und merkte, wie wütend sie teilweise noch immer auf ihn war. Eigentlich war es nicht erstaunlich, dass er sie zu diesem schrecklichen Dämonen geführt hatte. Denn immerhin hatte er einen grossen Anteil an selbigem gehabt. Sie hatte zwar durch das letzte Ergebnis gelernt, ihre Eltern etwas besser zu verstehen, doch ganz geheilt waren die Wunden deswegen noch nicht, welche vor allem ihr Vater, ihr einst zugefügt hatte. Dass er jetzt scheinbar mit ihr versuchte Kontakt aufzunehmen, über seinen Tod hinaus, änderte nicht viel daran. Zudem konnte es immer noch sein, dass sie sich das alles nur eingebildet hatte und das alles nur ein Traum gewesen war. Ein Traum, den sie durch ihre eigentliche Sehnsucht nach einer Klärung, im Verhältnis zu ihrem Vater, vermutlich heraufbeschworen hatte.
Nun jedoch machte sich wieder die Ernüchterung in ihr breit und sie merkte, dass in dieser Sache noch nicht das letzte Wort gesprochen war. Sie stieg in ihren anthrazitfarbenen Hyundai i20 und fuhr, tief in sich gekehrt, nach Hause.
Auf einmal machte sie alles wütend. Jedes Lichtsignal, welches sie am Weiterfahren hinderte, jeder Fahrradfahrer, welcher ihr in die Quere kam und jeder achtlose Fussgänger, welcher einfach in die Strasse hineinstolzierte, ohne rechts und links zu schauen. Was waren das alles doch für unachtsame Menschen!? Keiner kümmerte sich wirklich mehr um den anderen und der Feierabendverkehr, raubte einem sowieso den letzten Nerv. Dazu begann es jetzt auch noch zu regnen und die Sicht wurde immer schlechter. Die vielen Lichter der zig Autos, reflektierten auf der nassen Strasse und auch sonst sah man durch den Regen immer weniger. Lea kniff ihre Augen zusammen. Sie würde wohl wirklich bald eine neue Brille brauchen. Die Alte war viel zu schwach. Dennoch fasste sie ihre Tasche, welche auf dem Beifahrersitz lag, um die Gläser heraus zu nehmen. Einen Augenblick lang, war sie unachtsam und in diesem Moment, spürte sie einen heftigen Schlag von vorne! Sie war mit voller Wucht, in ein anderes Auto geprallt, welches warten musste, weil ein anderes in eine Seitenstrasse einbiegen wollte.
Das hatte sie glatt übersehen, weil ihre Augen nicht auf die Strasse gerichtet gewesen waren. Die durch das Aquaplaning rutschigen Strassenverhältnisse, taten ihr Übriges. Doch bevor sie sich von dem Schlag und dem Schrecken richtig erholen konnte, wurde sie von hinten ebenfalls heftig gerammt. Ein weiteres Auto fuhr in sie hinein und damit noch nicht genug! Die nächsten beiden Wagen, ereilte dasselbe Schicksal. Sie hatte einen Auffahrunfall verursacht und das würde vermutlich ziemlich üble Folgen für sie haben…