Entsetzt schrie Alice auf, als sich sich aufrappelte und Kragmar mit hoch erhobenem Morgenstern über sich aufragen sah. Sie stürzte nach vorne, doch der Schädel, mit den hindurch getriebenen Klingen schlug bereits mit einem Knirschen auf dem Boden auf.
Schockiert blieb sie stehen und schlug entsetzt die Hände vor den Mund. Blut lief hinter den klobigen Stiefeln des Hordenanführers über den Boden und tränkte das helle Holz.
„Keeda“, flüsterte sie tonlos und konnte den Blick nicht von der Blutlache wenden, die sich über dem Boden ausbreitete. Kragmar ließ die Waffe fallen und starrte ebenfalls auf den roten Boden zu seinen Füßen. Taumelnd trat er einen Schritt zurück, gab Alice den Blick frei und murmelte leise ein paar Worte in der grobschlächtigen Sprache der Orks.
Ein angewidertes Jammern kam aus dem Fleischhaufen und zuckte. „Holt mich hier raus, verdammt!“
Schockiert atmete Alice auf und ließ die Hände zu ihrem Herzen sinken, „Keeda“, flüsterte sie erneut und Tränen traten in ihre Augen, als sie sah wie sich eine obsidianfarbene Hand unter grauem Orkfleisch hervor schob und blind in der Blutlache umher tastete.
Endlich riss sie sich aus ihrer Starre und ergriff die Hand der jammernden Drow. Mühsam zog sie sie unter der Kommandantin hervor und half ihr dabei, sich notdürftig das Blut aus Gesicht und Augen zu wischen, welches ihre silberne Haare rot gefärbte.
Keeda stand angeekelt auf und schüttele sich, als sie an sich herab blickte und hinunter zu der Kommandantin schaute. Ihr Blick wanderte nach oben, weg von dem zertrümmerten Schädel der ehemaligen Orkanführerin und hinauf in das scharfkantige Gesicht Kragmars.
„Ihr habt mein Leben verschont“, bedankte sie sich und griff nach dem Unterarm des Hordenführers, „Ich stehe in eurer Schuld.“
Kragmar beachtete ihre Worte nicht und starrte noch immer auf das Werk vor seinen Füßen. Alice kniete derweil neben Harbek und tastete fieberhaft nach dessen Herzschlag. Erleichtert seufzte sie auf, als sie das rhythmische Pochen unter seiner Brust wahrnahm. Sie rüttelte ihn leicht, aber der Zwerg stöhnte lediglich ohne die Augen zu öffnen.
„Ich war ihr verpflichtet und habe Treue geschworen. Zu was macht mich diese Untat?“, flüsterte Kragmar mit rauer Stimme und wandte sich zu Keeda, „Ich will euren Dank nicht.“
„Sie wollte euer Volk in den Untergang führen, sie sagte selbst, dass sie jeden Ork opfern würde, wenn sie dadurch zu ihrer Rache käme. Ich kenne eure Sitten nicht doch ihre Missetaten machten sie zu keiner guten Kommandantin.“
„Vasil Bloodscar wollte Gerechtigkeit und damit die Blutfehde beenden.“
„Vasil Bloodscar wollte Rache, doch diese bleibt nie ungerächt. Eine Vergeltung an den Menschen würde die Fehde anheizen, nicht beenden. Ihr habt das richtige getan, Kragmar Deepscar, unser beider Völker verdienen Frieden.“ Keeda sah den Hordenführer eindringlich an.
„Womöglich habt ihr Recht“, riss er sich zusammen, „Womöglich auch nicht, doch die Zukunft gehört den Lebenden, nicht den Toten.“
Alice lachte unterdrückt auf und hob entschuldigend die Hand, während sie aufstand und sich zu ihnen gesellte.
„Wenn es doch nur so wäre“, erklärte sie zynisch und zuckte mit den Schultern, Kragmar sah sie unverständlich an. „Wenn sich die Toten aus ihren Gräbern erheben, haben die Lebenden keine Zukunft.“
„Ihr meint die schwarze Hexe, die sich der Toten bemächtigt und ihnen ihren Frieden nimmt“; fragte Kragmar nach und knurrte zornig. Alice nickte zustimmend.
„Valindra. Sie ist einer der Gründe, weswegen wir nicht im Streit miteinander liegen dürfen. Wenn wir sie nicht aufhalten, wird es bald nicht mehr von Bedeutung sein, wem dieses Viertel einst gehörte.“
„Ich verstehe“, knurrte Kragmar nachdenklich, „Ihr wollt Frieden schließen, um Krieg gegen die Hexe zu führen.“
„Nein, wir wollen Frieden schließen, um Leben zu retten!“, versuchte Alice zu erklären, doch Kragmar grinste höhnisch.
„Versuch nicht dich zu rechtfertigen, auch mein Volk verabscheut und fürchtet die Hexe. Es ist mir gleich weswegen ihr die Waffen nieder legen wollt, solange sie nicht erneut gegen uns erhoben werden. Wir brauchen alle Frieden, die Lebenden, wie die Toten.
Da Vasil nun tot ist, bin ich Kommandant des Vielpfeil-Stammes und werde mich mit eurem Hauptmann treffen, womöglich kommen wir zu einer Einigung.“