Doch eine Niete mit dem Erfolgs-Los
Eine Kurzgeschichte über das Projekt Leben
Da, es fährt in die Straße ein.
Das gelbe Auto hält, der Postbote steigt aus und läuft mit einem Stapel Briefe und Kataloge auf den Briefkasten zu.
Wenige Minuten später halte ich den rosa Briefumschlag in der Hand. Ein Moment wie in der Zalando-Werbung. Na ja, nur ohne die Schuhe.
Meinem Atem lauschend, sitze ich auf dem Sofa. Ich hätte nie gedacht, dass Worte in meiner eigenen krakeligen Handschrift mich so verstören könnten.
An mein Ich, in fünf Jahren...
Eineinhalb Seiten voller Pläne, Wünsche und Hoffnungen. Warum mich das so erschreckt?!
Nichts davon habe ich erfüllt. Mit Anfang 20 zieht mich das echt runter.
In den Sozialen Netzwerken stehen doch jeden Tag Sätze wie:“Im Leben geht es nicht darum zu warten, dass das Unwetter vorbeizieht, sondern zu lernen im Regen zu tanzen.“
Danke lieber Autor mit dem Namen Unbekannt. Wieso fällt es mir so schwer, meine Ideen zu verwirklichen?
Stattdessen bilde ich vorzugsweise Sätze mit Fragezeichen am Ende.
Hey, das gibt es ja auch: ein Ausrufezeichen auf meiner Tastatur!
"Glaube an deine Kräfte. Wenn du an deine Stärke glaubst wirst du täglich stärker!“ (Dalai Lama)
Es fühlt sich doch gut an, solche Sprüche zu lesen, vielleicht auch zwei oder dreimal.
Das Leben zu Planen, nein, das ist nun wirklich nicht mein Ding. Schon Termine in einen Kalender eintragen, eine echte Plage. Apropos, ich glaube, vor ein paar Tagen war da ein Zahnarzttermin, ups.
Ich sehen ja ein dass man etwas Vorausplanen muss. Schließlich sagt die Gesellschaft, dass du mit 18 Jahren erwachsen bist und auf eigenen Füßen stehen sollst.
Vielleicht ist das der Grund, warum ich so niedergeschlagen bin.
Meine Mama ist ja schon enttäuscht, wenn ich mein Zimmer nicht aufräume.
Wie, du hast mit Anfang 20 noch nicht die ganze Welt gesehen, keine Ausbildung und auch keinen Doktortitel?!
Auf dem rosa Zettel stehen zwar solche Ziele, aber:
Immer diese Kopfschmerzen!
Jeden Tag ausschlafen
Uni beginnt um 8 Uhr!
Nur das machen, was ich wirklich möchte.
Bin dann mal lernen!
Studium erfolgreich Abschließen.
Klausur 4.7!
Ja, es stimmt, das sind nur kleine Ziele. Aber jeder fängt doch mal so an.
Wie irgendein schlauer Mensch wohl mal sagte.
Fakt ist jedoch, wir alle Planen jeden Tag. Mal das Abendessen, mal die Ferienresidenz im Rentenalter.
Ich schaue mir meinen Brief genauer an. Zehn Ziele stehen dort geschrieben. Ein paar, vielleicht auch drei, habe ich erreicht.
Nach meiner Rechnung werden bestimmt 70% aller Pläne im Sande verlaufen.
Was soll ich sagen; grabt sie ein!
Denn nur so lernen wir Neues kennen. Gehen neue Schritte. Überdenken die Alten.
Öffnen die Augen. Sehen das Richtige. Sehen das Wichtige.
Verdammt, wie langweilig wäre denn das Leben, wenn alles funktionierte.
Ohne Ecken und Kanten.
Bloß eine schlichter, gerader Pfad bis hin zu den Lilien.
Meinem Atem lauschend schließe ich den rosa Briefumschlag wieder und verstaue in irgendwo ganz hinten im Schrank.
In fünf Jahren werde ich ihn wieder Lesen.
Das ist der Plan?
Nadja Schmidt