Finn raffte sich auf, sein ganzer Körper schmerzte und die Geister in ihm rumorten noch mehr, aber er unterdrückte sie weiter, er würde sich nicht gegen Treplew erheben. Die Stimme einer Frau hatte die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, so blieb er von weiteren Angriffen verschont. Er kannte ihre Stimme, auch wenn er sie schon lange nicht mehr gehört hatte. Treplew schien sich direkt über ihre Anwesenheit zu freuen, er frohlockte und legte ein Tänzchen hin.
"Die Kleine von unserem Bruder, Finn, ich glaube du kennst sie, oh ich werde so viel Spaß mit ihr haben!", Treplew begann verrückt zu kichern. Finn erkannte die Frau, auch wenn die Haarfarbe eine andere war und sie keine edlen Sachen trug. Sie war von Schürfwunden überseht und ihre Kleidung strotzte vor Schmutz. "Sassy", presste er hervor, "Du hast mich gefunden!" Sassy deutete ihm zu schweigen: "Schone deine Kräfte, ich erledige diese Made jetzt!" Finn aber stellte sich zwischen die beiden, torkelte mit erhobenen Händen vor sie: "Bitte tu ihm nichts, er ist nur verwirrt!"
Sassy seufzte: "Er ist nicht verwirrt, er ist besessen und wahnsinnig Finn!"
Treplew empfand die beiden wohl als sehr amüsant, er lachte einfach weiter. Er ging langsam zu einer der Säulen, dann schlug er dagegen. Sassy und Finn konnten sich gerade noch retten, aber Treplew war schneller, er ließ alle Säulen einstürzen, die beiden wurden unter den herabfallenden Trümmern begraben.
Sassy hustete und spuckte, der Staub und Schutt hatte ihrem Mund verklebt. Sie lebte, trotz der Trümmer, behütet unter den großen schwarzen Schwingen eines Drachen. "Finn?", brachte sie hustend hervor, der Drache begann zu schwinden, Finn stand statt seiner nun vor ihr. Er schien wieder bei Kräften zu sein, seine Augen leuchteten in einem tiefen violett.
"Hör auf!", schrie er Treplew an, mit einer Handbewegung entstand eine Schockwelle, die den Schutt auf die Seite des Raumes befestigte. Der herabfallende Kronleuchter blieb in der Luft, wie durch Geisterhand, hängen, direkt über Finn.
"Was...", Sassy starrte fassungslos auf das Chaos. Treplew hingegen schien nicht überrascht zu sein: "Siehst du jetzt, was er ist? Er ist der Dunkle! Er ist der Dunkle!" Seine Stimme überschlug sich förmlich. Dann versetzte er einem der auf der Seite liegenden Trümmer einen Stoß, sodass er auf Sassy zuschoss, diese kauerte sich zusammen, aber nichts geschah. Der Brocken war, wie der Leuchter, einfach erstarrt.
"Denkst du immer noch, dass wir nicht kämpfen müssen, kleiner Bruder?", schrie Treplew, dann geschah etwas Unerwartetes: Sassy war in Blitzgeschwindigkeit über die Trümmer gesprintet und berührte ihn kurz an der Brust: "Vergiss das nicht, Ezra!" Dieser dankte ihr das mit einem Schlag, den Finn mit einem Körper abfing. Finn prallte dabei gegen Sassy und schleuderte sie über den Fliesenboden zurück zur Türe, wo sie liegen blieb. Dann verschwand das Spektakel, der Luster krachte zu Boden, der Brocken radierte auf die Wand zu und zerschellte.
"Bist du etwa müde?", Treplew witterte seine Chance, "Zeit endlich zu sterben, du Plage!"
Finn sackte zusammen und Treplew setzte zu seinem finalen Schlag an.
"Du wirst Finn nicht anrühren!", raunte plötzlich eine düstere Stimme hinter Treplew. Dieser schnellte herum, seine Klauen bohrten sich in die Brust des Besuchers. Nichts als ein leises Lachen ertönte von diesen. Treplew riss die Klauen zurück: "Was... Nein!" Seine Hand begann sich langsam zu verfärben und verkümmerte. Die Haut wurde schwarz und vertrocknete Rauch stieg von ihr auf.
"Church!", flüsterte Sassy voller Hoffnung, langsam rappelte sie sich wieder auf.
"Immer zur Stelle, um dir den Arsch zu retten, Kleines!", Church zwinkerte ihr zu, "Nun zu dir, degenerierter Psychopath! Du verkloppst meine Freunde sicher nie wieder, verstanden?"
Alpha kam nun ebenfalls durch die Tür und ließ sich neben Sassy nieder: "Geht es dir gut, was für eine Frage, dir geht es nicht gut. Wie schwer bist du verletzt?"
Treplew schnellte zu Alpha und entriss ihm seine Machete, mit welcher er sich den verseuchten Arm abschnitt. Alpha stolperte erschrocken zurück, er konnte nicht fassen was sein Bruder angerichtet hatte. Newra rannte direkt zu Finn, um ihn abzusichern: "Die Jäger haben draußen Stellung bezogen und treiben die Dämonen zurück, aber wir müssen uns beeilen. Sie werden den Tempel nicht ewig halten können!" Treplew schien all das einfach nur lustig zu finden: "Zuerst töte ich den Dämon, dann hole ich mir Finn, die Vampirschlampe folgt und die Jägerin bildet den Abschluss. Mein großer Bruder wird der Nachtisch!"
"Du bist doch einfach nur noch krank!", schrie Church Treplew an und fixierte seinen Gegner. Treplew starrte auf den blutigen Stumpen, eigenartige Fäden schossen daraus hervor, wie bei Church. Sie bildeten nach und nach den Arm nach. "Mal sehen was deine Kräfte so können!" Da erst bemerkte Church, das Treplew nicht ohne Grund zugestochen hatte. Er kopierte seine Kräfte, absorbierte einen Teil seiner Fähigkeiten. "Egal was du kannst", knurrte er, "Ich mache dich fertig! Du bist und bleibst ein degenerierter Wahnsinniger, ich ein alter Dämon aus den Unterlanden!"
Treplew lachte nur, dann stürmten die beiden aufeinander zu und prallten voller Wucht aufeinander. Beide durchbohrten sich gegenseitig mit den giftigen Fäden. Treplew hatte auf Churchs Herz gezielt, Church hatte seine Arme und Beine getroffen. Treplew wankte: "Warum stehst du noch? Du müsstest... tot sein..."
Church lachte hämisch: "Idiot! Man nennt mich den HerzLOSEN Dämon! Jetzt habe ich dich!" Treplew riss sich die Fäden aus Armen und Beinen, dann stolperte er auf Newra zu und schlang ihr einen der Fäden um die Kehle. Church verharrte verärgert, er hatte nicht auf die anderen geachtet. Und Treplew hatte seine Fixierung gegen ihn verwendet.
"Lass sie los!", brüllte Sassy und stürzte auf sie zu.
"Tick-tack", zischte Treplew, "Die Zeit ist um! Einer muss sterben!" Newra starrte entsetzt zu Sassy als Treplew ihr mit seinen spitzen Zähnen die Halsschlagader durchbiss. Sassy bremste ab, Treplew rann Blut aus dem Mund, als er Newras Körper einfach wegwarf wie eine alten Sack. "Ich werde euch alle vernichten! Das verspreche ich euch und mir! Ich werde euch jagen! Keiner wird mehr in Sicherheit leben können! Vor allem du nicht, Finn, der Dunkle!", Treplew strich über die Wand und verschwand durch das Portal. Er hatte Newras Kräfte absorbiert und sich aus dem Staub gemacht. Sassy rannte zu Newras leblosen Körper und fiel auf die Knie: "Dieses Monster!"
Church kam ebenfalls hinzu und kniete sich neben Newras Körper, schwarze Fäden schossen aus seinem Brustkorb und begannen die Wunde am Hals zu vernähen. "Wird sie es schaffen?", fragte Sassy bedrückt. Finn richtete sich langsam auf und blickte auf das Chaos, das sein Ziehbruder angerichtet hatte. "Newra...", flüsterte er, "Es tut mir leid..."
Alpha kam heran und legte Sassy eine Hand auf die Schulter, Worte für diese Situation hatte er keine.
Die Jäger stürmten freudig auf Finn zu, als er die Stufen zurück nach Ilutia heraufkam. Julopatra und Kyra jubelten erst, dann sahen sie, dass Finn eine Leiche trug. Mit Tränen in den Augen blickte er zu den beiden und schüttelte den Kopf, in dem Moment begannen Yuna und Titus, Julopatras Hunde, zu jaulen.
"Nein...", Julopatra ging langsam auf Finn zu, dieser legte die Leiche auf den Altar des Tempels. Julopatra drehte sie um, ihre Befürchtung wurde traurige Gewissheit.
"Wir hätten sie nicht alleine gehen lassen dürfen", flüsterte Kyra, die sonst so taffe Rothaarige stand den Tränen nahe vor dem Altar. Sassy und Alpha stützten Church, der Finn als Einziger mehr als nur kritisch musterte.
"Das ist deine Schuld!", schrie er auf einmal, "Das alles hier! Finn, das ist dein Werk! Das hast du angerichtet!" Finn drehte sich zu ihm um, seine Augen leuchteten violett. Er schien sich nicht dazu zu äußern, stieg die Treppen wortlos wieder hinunter.
"Die Angriffe der Dämonen haben aufgehört. Die Verstoßenen haben sie vertrieben, sie kämpfen an unserer Seite!", ein Jäger machte Meldung.
"Na klar", zischte Alpha, "Der König ist zurückgekehrt!" Einen Moment später kam Finn mit der schwarzen Krone zurück, er warf die Julopatra und Kyra vor die Füße. "Die Krone des Dunklen, da habt ihr euer Relikt!", Finns Augen waren wieder türkis, er wirkte müde und erschöpft, hatte aber keinen Kratzer.
"Wieso bist du nicht verletzt? Was hast du getan, Finn?", schrie Church ihn an. Finn ignorierte ihn weiter, er ging an den schockierten Jägern vorbei und verließ den Raum. Vor der Tür blieb er stehen, die Verstoßenen scharrten sich sofort um ihn.
"Heil dem König"
"Gelobt sei unser König"
"Er wird uns Erlösung bringen!"
Finn kniete sich auf den Boden, er schien sich sehr zu konzentrieren. Eine Schockwelle ließ alles um ihn erzittern, dann zog sich die Überwucherung und all der Schmutz zurück, violette Blumen erblühten und die alten Gemäuer begannen nach und nach zu erstrahlen. In den Lüstern gingen hunderte Kerzen an und leuchteten den Tempel aus, die Gärten wurden wieder schön und die Pflanzen wuchsen nur noch dort, wo sie sollte. Auch die Verstoßenen begannen sich zu verändern, die Eisenbeschläge fielen ab, die Haut kehrte auf die Knochen, und das Fell auf die Haut zurück. Augen wuchsen einfach nach, Kiefer, Krallen, Pfoten, einfach alles. Auch ihre Stimmen veränderten sich: Waren sie zuvor düster und krächzend, so wurden sie klar und rein, mystisch schön. "Er hat uns gerettet", schallte es nun glockenhell durch die Gärten. Church hatte das Spektakel angewidert beobachtet, er wandte sich an Julopatra: "Bring mich sofort hier weg oder ich vergesse mich!"
Julopatra war verwirrt, hatte aber nichts dagegen, den Dämon so schnell wie möglich los zu werden: "Wohin willst du?"
"In die Welt der Menschen, bring mich in eine Gruft eines kleinen Friedhofs, wo ich einfach für mich sein kann!", Chruch schien kurz davor zu sein die Fassung zu verlieren, das blieb auch der trauernden Sassy nicht verborgen.
"Church...", sie wollte ihn beruhigen, "Es gibt eine Erklärung für alles, ich bin sicher!" Chruch wollte diese aktuell nicht hören: "Ich will alleine sein, Sassy!"
Sassy war von ihm noch nie so angeschnauzt geworden, sie unterbrach ihren Versuch mit ihm zu sprechen. Chruch merkte, dass er sie damit irgendwie verletzt hatte: "Hör mal, ich werde einen Spiegel aufhängen, einen viktorianischen Spiegel mit einem Sprung am rechten Rand. Gib mir ein paar Tage Zeit, dann kannst du mich ja besuchen!" Julopatra stand an der Wand und winkte ihm zu, sie schien einen passenden Ort gefunden zu haben. Church drehte sich noch einmal zu Sassy um und schloss sie in die Arme: "Gut gekämpft, Kleines!"
Sassy begann zu weinen, das war mehr als sie für einen Tag verkraften konnte. Gerade schienen sie noch endlich Finn gefunden zu haben, aber dafür schien alles andere einfach zu zerbrechen. "Versprich mir, dass du nicht durchdrehst", Sassy drückte ihn fest an sich, auch wenn sie sich immer angezickt hatten, aber ihr war ihr Partner ans Herz gewachsen. "Ich versuche es!", Church löste sich aus ihrer Umklammerung und steuerte das Portal an, ohne sich noch einmal umzudrehen. Sassy versuchte ihre tränenden Augen wieder in den Griff zu bekommen, aber scheiterte kläglich. Um sie herum rannten alle, schrien, fragten, verstanden nicht. Sie fühlte sich einsam, verlassen. Alpha kam zu ihr und nahm sie von hinten in den Arm, sie machte keine Anstalten deswegen zu zicken und ließ es einfach zu.
"Alles wird gut", er klang nicht überzeugt von dem, was er ihr da ins Ohr flüsterte, aber sie war trotzdem dankbar dafür. "Ich hoffe es!", ihre dünne Stimme war kaum zu hören, sie hatte immer noch das Gefühl versagt zu haben. "Verschwinden wir hier", Alpha ließ sie los und ergriff ihre Hand, "Zu viel Trubel!"
Sassy folgte ihm dankbar in den Garten, da, wo sie sich vor den Ereignissen getrennt hatten. Die alte Bank wirkte neu und aus dem Springbrunnen schoss jetzt frisches Wasser. Es sah schöner aus, als zuvor, aber es fühlte sich schrecklich an.
"Du hast Finn gefunden", Alpha drückte Sassys Schultern runter, sodass sie sich setzen musste, "Also hast du nicht versagt!" Sassy starrte zur Tür, wo Finn mit Julopatra und Kyra zu diskutieren schien.
"Habe ich das?", fragte sie, "Habe ich Finn gefunden oder nur das, was der Dunkle von ihm übrigließ?" Alpha folgte nachdenklich ihrem Blick: "Das wird sich erst zeigen, ich bin noch nicht bereit, die Hoffnung aufzugeben. Sieh dir an, was er mit diesem Ort gemacht hat!"
Sassy konnte das nicht abstreiten, Illutia war nun wunderschön. "Aber woher bekommt er all diese Macht?", sie dachte an das Farbenspiel von Finns Augen, "Ich kenne keinen Magier in Elensar, der so mächtig ist!" Alpha setzte sich zu ihr und zog sie an sich, sie lehnte sich auch dankbar an seine Brust. "Elensar", murmelte er, "Da ist mein Bruder aufgewachsen... Was würde ich dafür geben es einmal zu sehen!"
Sassy zog eine Braue hoch: "Wer weiß, vielleicht wirst du das eines Tages!"