Silvias Wecker holte sie gnadenlos aus ihren Träumen, die sich allesamt um ihre neue Situation und um das kommende Wochenende gedreht hatten. Sie hätte es noch lange in ihrem Bett ausgehalten, aber es nützte nichts. Also auf, Frühstück machen und Tommy wecken. Während sie die Milch für Tommys Kakao wärmen ließ, rührte sie ihren Kaffee um und startete ihr Laptop. Das tat sie Morgens normal nie, aber es hätte ja sein können, dass Michael sich gemeldet hatte. Das Booten des Rechners schien Ewigkeiten zu dauern. Sie ging zu ihrem Sohn und gab ihm ein Küsschen. "Aufstehen, mein Großer! Dein Kakao ist gleich fertig." Während Tommy Zähneputzen ging, war der Computer mit dem Booten fertig. Michael hatte ihr tatsächlich geschrieben. In Boston war er. Und angeflirtet wurde er offenbar heftig. "Pah, die soll sich die Zähne ausbeißen an dir, diese Natalie! Du gehörst zu mir!" - "Was sagst du Mami?" - "Nichts, Tommy! Schöne Grüße von Michael. Er hat uns ein Mail geschickt." Silvia war zwar nicht eifersüchtig, weil sie Michael voll vertraute, aber seine Worte am Schluss des Briefes gingen trotzdem runter wie Öl. Sie lächelte, als sie zu Ende gelesen hatte, was Tommy mit: "Hat er dir einen Kuss geschickt?" dokumentierte. "Ja mein Liebling, das hat er. Und liebe Grüße an dich, Tommy. Michael mag dich sehr."
Silvia freute sich zwar über Michaels Zeilen, machte sich aber Sorgen. Sie kannte ihn zwar noch nicht lange, aber sie spürte, dass er die Situation realistisch einzuschätzen vermochte. Und wenn Michael das Gefühl hatte, dass diese Natalie "auf ihn angesetzt" worden war, dann konnte man davon ausgehen, dass dem auch so war. Und wenn die Auftraggeber aus der Industrie kamen, hatten sie sicher eine mächtige Lobby hinter sich. Michael war ein intelligenter, kluger Mann, aber er würde sich vorsehen müssen. Es gibt Gegner, gegen die man nicht gewinnen kann. Das wusste auch Silvia. Sie konnte nur hoffen, dass Michael dieser Tatsache genug Bedeutung beimessen würde. Wenn man einen Gegner kennt, kann man ihn bekämpfen. Aber wenn man den Feind nicht sieht... Silvia hatte nicht mehr viel Zeit. Sie musste mit Tommy in den Kindergarten. Schnell tippte sie eine Nachricht für Michael.
Liebster Michael
Ich hab ganz furchtbare Sehnsucht nach dir! Du fehlst mir ganz arg! Aber eifersüchtig bin ich nicht, weil ich dir voll vertraue und weil du viel zu klug dazu bist, um auf eine, auf dich angesetzte Nutte, reinzufallen. Und sei sie noch so schön! Ich weiß, dass du nur mich liebst und das erfüllt mich mit Stolz und macht mich glücklich! Aber ich weiß auch, dass du ein Mann mit sehr viel Gefühl bist, deshalb glaube ich, dass deine Vermutung stimmt, und du überwacht wirst. Und das macht mir richtig Sorgen. Du bist nicht der Typ dazu, Gespenster zu sehen und du bist selbst in Sorge, denn sonst hättest du das nicht erwähnt. Bitte pass auf dich auf, Michael, wir beide hatten dich so lange nicht und jetzt, wo wir dich haben, wollen wir dich nicht mehr hergeben! Ich liebe dich so sehr, du weißt gar nicht, wie! Ich wusste selbst nicht, dass ich so lieben kann! Tommy fragt auch immer nach dir. Bitte, bitte komm bald wieder heim und sieh zu, dass dir nichts passiert, Ich brauche dich! WIR brauchen dich!
Küsse dich und drücke dich und mag dich nicht mehr loslassen....