Alice, Harbek und Keeda warteten geduldig und traten als letzte vor den imposanten Thron. Knox erhob sich seufzend und stieg die Stufen seines Podestes zu ihnen hinab. Erschöpft fuhr er sich durch den dichten Bart. „Ihr seid die ersten, über deren Gesichter ich mich tatsächlich freue. Die Geier vor euch, haben mir den letzten Nerv geraubt.‟
„Ihr solltet euch freuen, die Zeremonie überlebt zu haben‟, wies Keeda ihn mit verschränkten Armen zurecht, doch ihr Lächeln raubte den Worten die Schärfe.
„Glücklich, ist nicht das richtige Wort, auch nicht erleichtert. Ich fürchte in meinem tiefsten Innern habe ich gehofft zu versagen, doch nun muss ich mein Amt schweren Herzens annehmen‟, seufzte Knox und schüttelte ergeben den Kopf. Harbek zog verständnislos die Brauen zusammen und zupfte nachdenklich am engen Kragen seines Hemdes.
„Ich wolltet diese Position tatsächlich nicht‟, stellte er überrascht fest, „Doch ich verstehe nicht weshalb. Macht, Einfluss, Geld … Ihr habt alles was man sich wünschen kann.‟
„Ich habe meine Freiheit gegen Thron und Krone getauscht‟, erklärte Knox düster, „Ein weiser Mann sagte einst, ein wahrer König ist Sklave seines Volkes. Mein Krönungsgang, war der letzte in Freiheit, niemand sollte ihn leichten Herzens gehen.‟
Alice nickte verständnisvoll, „Auch wenn es eigenartig klingt glaube ich, dass euer Schwermut gleichzeitig eure größte Stärke ist. Er zeigt, dass ihr euch der Verantwortung bewusst seid, die ihr hiermit übernehmt. Ihr werdet ein großartiger Herrscher, König Knox.‟ Sie sah ihn zuversichtlich an und entlockte dem ernsten Soldaten ein Lächeln.
„Das hoffe ich‟, entgegnete er schwach und rückte sich die Krone zurecht, „Dieses Ding ist so verdammt ungewohnt, da wünsche ich mir gleich meinen Kriegshelm zurück, der hält mich zumindest trocken sobald es regnet.‟
„Apropos‟, warf Keeda neugierig ein, „Wie fühlt ihr euch? Stärker, als ob nichts und niemand euch aufhalten könnte oder glaubt ihr im nächsten Moment schlagartig zu altern und die Lebenskraft zu verlieren?‟ Alice rammte ihr den Ellenbogen in die Seite, um sie am weiter sprechen zu hindern, doch die Drow sah sie brüskiert an.
Knox schmunzelte und hob die Hand, bevor Keeda den Mund zu einer schnippischen Bemerkung öffnen konnte, „Ich fühle mich verändert. Stärker, ja, aber nicht unbesiegbar, viel eher … jünger‟, versuchte der König seine Emotionen in Worte zu fassen. Alice und Keeda sahen ihn verständnislos an und auch Knox wusste nichts mit seinen eigenen Erklärungen anzufangen, lediglich Harbek nickte wissend.
„Nun verstehe ich den Fluch, der auf der Krone lastet‟, murmelte er leise und nachdenklich vor sich hin. Sie alle sahen ihn erwartungsvoll an, aber er blieb schweigend in seine Gedanken vertieft.
„Und willst du uns in deiner Erkenntnisse einweihen?‟, fragte Keeda und trommelte ungeduldig mit den langen Fingern.
„Die Krone hat Neverember die Lebenskraft genommen und stellt sie nun Knox zur Verfügung, sie ist eine Art Speicher. Von einer Person nimmt sie die Energie auf und an eine andere Person gibt sie sie ab, so verfügt der König bis zu seinem Tod über die Kraft, Schnelligkeit und Geistesgegenwart eines jungen Mannes. Valindra hatte Recht, dieser Zauber ist zu alt und kompliziert, um ihn zu brechen und muss noch aus den Tagen der wilden Magie stammen‟, erklärte Harbek händeringend. Alice sah staunend zu dem goldenen Reif auf Knox Haupt hinauf. Der König berührte das kalte Metall und wollte es absetzte, doch seine Hand zögerte. Stirnrunzelnd ließ er sie sinken und schüttelte nachdenklich den Kopf.
„Ich bin kein Meister der Magie und möchte auch keiner sein. Solche Zauber sollten nur den Göttern zustehen und daran werde ich auch weiterhin glauben.‟ König Knox stemmte die Hände in die Seiten und sah zu den ausladenden Toren in ihrem Rücken.
„Die Teufel sind aus Helms Hold vertrieben‟, berichtete er tief in Gedanke, „Und auch mit den Waidmännern wollen wir über einen Friedensvertrag verhandeln. Unser Abkommen mit den Orks scheint sie inspiriert zu haben. Allmählich kehrt Ruhe in Neverwinter ein, auch wenn mir Gerüchte über Pläne der Drow zu Ohren gekommen sind.‟
Keeda horchte bei seinen letzten Worten auf, „Revolten?‟
Der König schüttelte den Kopf, „Lediglich Sichtungen außerhalb ihrer Territorien, doch die Mond- und Sonnenelfen glauben sie unter Kontrolle.‟ Keeda nickte bedächtig und verfiel ebenfalls in angestrengtes Grübeln.
„Wir sollten uns den Festlichkeiten anschließen‟, bemerkte Knox und riss sich aus seinen Gedanken, „Diese Themen können wir zu einem späteren Zeitpunkt erörtern. Heute Nacht müssen wir die Freude feiern wie sie kommt und geht.‟
Wohlig seufzend und mit vollen Bäuchen lehnten sie an einem der zahlreichen Geländer der Protectors Enclave und blickten zufrieden auf die Feuer und Laternen hinab, die das Dunkel der Nacht vertrieben und die Stadt in ein Lichtermeer verwandelten. Sie hatten stundenlang mit den Menschenmassen gefeiert, und weiterhin schien das Ende der Festlichkeiten nicht in Sicht. Irgendwann, spät in der Nacht, hatten sich Alice, Harbek und Keeda zurückgezogen, um ihre überreizten Sinne zu beruhigen und die Stille der Nacht zu genießen. Das laute Gelächter und Scheppern zusammenschlagender Krüge drang gedämpft zu ihnen hinauf, vermischte sich mit dem Zirpen der Grillen und den raschelnden Blättern zu einem einschläfernden Rauschen.
Alice ließ sich auf die Stufen sinken und lehnte müde die Stirn gegen das kalte Eisen. „Könnt ihr glauben, dass wir uns erst vor ein paar Monaten begegnet sind?‟ fragte sie schlaftrunken. Harbek lächelte im Schutz der Dunkelheit und schüttelte den Kopf.
„Es scheint, seitdem sei eine Ewigkeit vergangen‟, gab er nachdenklich zu und ließ sich neben sie auf die steinernen Stufen fallen.
„Ich weiß nicht, was ich ohne euch getan hätte‟ erwiderte Keeda abwesend und strich sich durch die silbernen Haare.
„Sterben?‟, schnaubte Harbek belustigt und erntete dafür einen Seitenhieb von Alice. Keeda lächelte und schubste den Zwerg nach vorne.
„Vermutlich‟, gab sie widerwillig zu, „Doch das Gleiche gilt für euch beide. Ich kann nicht zählen wie oft wir uns gegenseitig das Leben gerettet haben.‟
„Oder in Schwierigkeiten gebracht‟, gab Harbek schmunzelnd zu bedenken und zog das göttliche Siegel unter seinem Wams hervor.
„Oder uns zum Lachen gebracht haben‟, lächelte Alice glücklich und griff nach ihren Händen, „Ich weiß, Valindra ist besiegt und allmählich herrscht Frieden in Neverwinter, aber lasst uns unser Versprechen erneuern, ja?‟ Sie sah Keeda bittend an und die Drow ließ ich vor ihr und Harbek in die Hocke sinken.
„Wir müssen kein Bündnis mehr schließen, um zusammen zu bleiben.‟
„Ich bitte euch!‟
Harbek schnaubte belustigt und setzte sich aufrechter hin, „Hat da jemand Verlustängste?‟ Er grinste Alice an, die nachdrücklich seine Hand fester packte.
„Ein wenig‟, räumte sie grinsend ein und sah ihre Freunde erwartungsvoll an.
„Lasst uns schwören Seite an Seite zu kämpfen, uns in Not zu helfen und unsere Freundschaft zu bewahren. Für die Menschen von Neverwinter und den Frieden, den wir alle verdienen.‟
„Für die Götter, die uns schützen.‟
„Und die Freiheit, nach der wir streben.‟
*** Ende ***