Angestrengt sprintete ich einen Berg hinauf und spürte wie meine Lunge, bereits nach ein paar Minuten Sprint, zu brennen anfing. Im Hellen wirkte der düstere Wald gar nicht mehr so bedrohlich, wie letzte Nacht. Trotzdem fand ich es unheimlich alleine hier zu sein und hörte daher auch nicht auf, schneller zu laufen.
Erst jetzt fiel mir auf, dass sich das Rennen viel schwerer anfühlte. Gestern noch waren wir mit einem Affenzahn durch den Wald gesprintet und waren beide nicht aus der Puste gewesen. Jetzt hatte ich Mühe den Berg zu erklimmen und schon nach ein paar Minuten schmerzten meine Knie und mein Rachen fühlte sich an, als hätte ich Chilli gegessen. Trotz dem unwohlen Gefühl, im Wald alleine sein zu müssen, reduzierte ich schließlich das Tempo und joggte nur noch träge durch den dichten Wald.
Die Luft war immer noch beißend kühl und der Himmel bedeckt. Aber immerhin regnete es nicht mehr und der dichte Nebel schien sich allmählich aufzulösen.
Eine Weile lief ich noch weiter in den dunklen Wald hinein und bildete mir ein, genau zu wissen, in welche Richtung ich laufen musste, um wieder zu diesem Baumstamm zu gelangen. Doch dieses naive Gefühl hielt nicht lange an. Irgendwann gestand ich mir zögernd ein, dass ich keine Ahnung hatte wo ich überhaupt war und aus welcher Richtung ich gekommen sein musste.
Jeder Baum hatte die gleiche triste Farbe an sich, ragte gleich weit in den Himmel und hatte gleich viele kahle Stellen.
Als hätte ich einen Marathon hinter mir, blieb ich schnaufend an einem äußerst breiten Baum stehen und versuchte mich zu erholen.
Wo zur Hölle war ich? Hier würde mich der Junge doch unter keinen Umständen finden. Ich wusste ja noch nicht einmal um welche Uhrzeit wir uns treffen wollten. Verzweifelt rutschte ich zu Boden.
Plötzlich machte sich Panik in mir breit. Erst jetzt realisierte ich wirklich, was es bedeutete, keine Ahnung zu haben, wo man sich befand. Ich wusste weder wo wir uns eigentlich treffen wollten, noch wie ich überhaupt zurück finden würde. Mein Handy hatte kein Netz und das bedeutete, dass ich in den endlosen Weiten Englands verschollen war.
Verdammt was sollte ich denn jetzt machen?
Die Bäume begannen sich schwer im Wind zu wiegen und gaben ein quietschendes Geräusch von sich, das mir eine Gänsehaut bescherte. Ich drückte meinen Schal etwas mehr an meinen Körper, denn der Wind drang durch meine leichte Kleidung und ließ mich frieren. Plötzlich spürte ich etwas Kaltes und Nasses auf meiner Nase.
Schnell tippte ich mit meinem Finger auf meine Nasenspitze und wischte das Wasser ab. Ich lehnte meinen Kopf nach hinten und starrte in den wolkenverhangenen Himmel, aus dem nun noch mehr Regentropfen direkt auf mein Gesicht schossen.
Kopfschüttelnd richtete ich mich auf und lief kämpfend gegen Wind und Wetter durch den ungemütlichen Wald.
Kein Baum kam mir auch nur annähernd bekannt vor. In welche Richtung sollte ich nur laufen? Wahrscheinlich würde ich verhungern oder verdursten!
Nein bei diesen Temperaturen würde ich sicher erfrieren oder vor völliger Erschöpfung einsam im Wald zusammensacken und sterben.
„Eine kleine Pause“, flüsterte ich und wollte mich unter einer großen Tannen auf den Boden setzen. Doch gerade als ich den Boden mit meinen Fingerspitzen berührte, erschreckte mich ein hoher Schrei.
Sofort sprang ich ängstlich auf und blickte mich im Wald nach der Ursache dieses Geräusches um.
Meine Gedanken begannen mir noch mehr Angst einzujagen. Was wenn das Mädchen hier war?
Mit einem Messer? Wenn sie mich hier töten wollte, wo es niemand mitbekommen würde? Vielleicht war dieser mysteriöse Mann hier, von dem der Junge und sein Vater gesprochen hatten? Mein Herz rutschte mir beinahe in die Hose und mich durchzuckte ein unangenehmes Gefühl von Angst, als das Geräusch sich ganz nah neben mir wiederholte und plötzlich ein großer Greifvogel von der riesigen Tanne neben mir flog.
Erleichtert atmete ich einmal kräftig aus und spürte wie mein Herzschlag sich gleich zu beruhigen begann.
Es war niemand hier, nur ein Vogel. Zum einem war das gut, denn dann konnte ich die Angst verfolgt zu werden verwerfen. Zum anderen aber hätte mir diese Person vielleicht aus dem Wald helfen können.
„Verdammte Scheiße“, fluchte ich stampfte mit dem Fuß auf.
Der Schrei hatte meinen Körper für ein paar Sekunden mit Wärme gefüllt, sodass ich mich in Bewegung setzte. Der Regen preschte gnadenlos an meinen schmächtigen Körper und durchnässte mich bis auf die Knochen. Er war bereits so heftig geworden, dass meine Sicht unklarer wurde und ich Mühe hatte, überhaupt noch geradeaus laufen zu können. Innerhalb von Minuten war der Weg aufgeweicht worden und nun war es eine Kunst, nicht auszurutschen.
Das Knacken der heruntergefallenen Äste unter meinen Schuhen gruselte mich, denn außer das, dem gleichmäßigen Prasseln des Regens und dem Pfeifen des Windes, war es still. Gerade jetzt vermisste ich den lauten Lärm der Großstadt unheimlich. Ich hätte nie geglaubt, dass ich den jemals vermissen könnte, denn bisher hatte ich mich darüber immer nur beschweren können.
Unermüdlich kämpfte ich mir den Weg frei und lief ahnungslos in eine unbestimmte Richtung, hoffend einen Weg aus diesem Wald finden zu können. Völlig umsonst hatte ich Stunden vor dem Spiegel gestanden und überlegt was ich nur anziehen sollte, wie ich mich schminken sollte und wie ich meine Haare tragen sollte. Warum hatte ich auch keinen Regenschirm mitgenommen? Obwohl, bei diesem starken Wind, wäre er nur kaputt gegangen oder ich hätte ihn verloren.
Gedankenversunken stolperte ich vor mich hin und versuchte mir vorzustellen, wie schön es wäre, wieder im Schloss anzukommen und in meinem warmen Bett zu liegen. Plötzlich kreuzte ein steiler Abhang meinen Weg und brachte mich dazu, abrupt stehen bleiben zu müssen.
Außer Atem betrachtete ich meine Umgebung und wurde plötzlich in ein Rauschen gehüllt. Was war das für ein ungewöhnliches Fleckchen?
Trotz des immer noch strömenden Regens, fielen ein paar Sonnenstrahlen durch die dichten Blätter. Mein Blick schweifte den Abhang hinunter und ich konnte einen kleinen Fluss erspähen.
Ich folgte dem Bächlein bis zu seinem Ursprung und erblickte schließlich einen wunderschönen Wasserfall.
Klares Wasser fiel einen großen und grauen Steinhang hinunter. Die grauen Steine waren dicht von Moos und Algen besetzt.
Unten sammelte sich das glasklare Wasser und floss ruhig ein kleines, in farbenfrohe Blumen eingehüllte, Bächlein entlang.
Gleich neben dem atemberaubenden Wasserfall erstreckte sich ein bunter Regenbogen der mir die Sprache verschlug. Bunte Vögel umkreisten den farbenfrohen Ort und gaben exotische Laute von sich.
Ich starrte in den blauen Himmel über mir und bemerkte, dass der Regen hier vorüber war. Sonnenstrahlen fielen in mein Gesicht und hüllten mich in Wärme ein. Ein kleines Bisschen kam in mir Heimatgefühl hervor und Hoffnung. Den ganzen Aufenthalt über hatte ich keine Sonnenstrahlen abbekommen und genau deswegen konnte ich diesen wunderschönen Ort wertschätzen. Gedankenversunken betrachtete ich die Landschaft, doch schon nach wenigen Augenblicken wurde ich gestört.
Eiserne Kälte legte sich auf meine Schulter und ließ mich zusammenzucken.
Ich war zu benommen um meine Aufmerksamkeit etwas anderem, als dieser atemberaubenden Kulisse zu schenken.
Schnell verschwand die Kälte an meiner Schulter wieder. Wenige Sekunden später, schlangen sich kalte Hände von hinten um meine Hüfte.
Ich ahnte wem diese Hände gehören könnten. Schnell verbesserte sich meine Laune ums Tausendfache und meine Mundwinkel zogen sich zu einem breiten Lächeln nach oben.
Langsam drehte ich mich nach hinten um und blickte erfreut in blaue Augen, die jedoch ihr Glitzern längst verloren hatten.
Ich war erleichtert, dass er mich hier gefunden hatte, aber seine gesamte, magische Ausstrahlung war plötzlich verschwunden. Stattdessen hatten sich nachdenkliche Falten auf seinem Gesicht breit gemacht und er wirkte unzufrieden.
Vielleicht hatte er heute einfach ein wenig Stress gehabt. Kurz überlegte ich und sah mich um. Niemand war hier, also hatte er sicherlich nichts gegen einen Kuss, richtig?
Ich lehnte mich gegen ihn, spitzte die Lippen und war kurz davor meine Lippen auf seine zu legen, als er den Kopf wegdrehte und ich ihm lediglich auf die Wange küssen konnte.
Irritiert lief ich einen Schritt zurück und schaute ihm vorwurfsvoll entgegen. Direkt trat Hitze in mein Gesicht und ich konnte mir nur allzu gut vorstellen, wie rot mein Kopf gerade sein musste.
Wie zur Hölle hatte er mich gefunden? Wie wahrscheinlich war es denn bitte, dass er genau um diese Zeit sich denkt, genau diesen Teil des Waldes zu besuchen?
Hatte er mich verfolgt?
Plötzlich konnte ich ein verschmitztes Lächeln erkennen. Eine Weile starrte ich ihn einfach nur an, doch nachdem dieses Lächeln immer noch nicht verschwunden war, fiel ich ihm in die Arme und drückte ihn ganz fest an mich. Genau jetzt merkte ich, wie sehr ich ihn die Zeit über vermisst hatte, obwohl es gerade mal ein paar Stunden her waren. Wie konnte man mit einem Schlag so abhängig von einem Menschen sein?
Doch nicht lange verharrten wir in dieser Position, denn schon kurze Zeit später legte er seine kalten Hände auf meine Schultern und stieß mich weg von sich.
Verdattert stand ich in einer viel zu großen Entfernung zu ihm und warf ihm böse Blicke zu.
Was sollte das?
War ich ihm plötzlich nicht mehr gut genug? Am liebsten hätte ich meine Gedanken geradewegs herausposaunt, aber das konnte ich keinesfalls tun. In meinem Hirn spukten so viele Fragen herum, die ich ihm aber unmöglich stellen konnte.
Wie hatte er mich gefunden? Warum war er immer dort wo ich war? Und verdammt nochmal warum hatte er mich weg gestoßen? Erst umarmt er mich von hinten und dann darf ich ihn nicht mal mehr umarmen?Was denkt er wer er ist?
Plötzlich spürte ich in mir aufsteigende Wut. Was hatte er sich dabei gedacht? Ich wollte ihm etwas sagen, etwas was er von mir nicht erwartete, ich wollte frech und unabhängig wirken.
Ich wollte ihm einfach zu spüren geben, dass ich keineswegs auf ihn angewiesen war, auch wenn das völliger Schwachsinn war und das wussten wir sicherlich beide.
„So und warum genau stalkst du mich nochmal?“, fragte ich mit ernster Miene und einem Hauch von Arroganz.
Er war ein Typ und genau deswegen war ich mir ziemlich sicher, dass er meine Botschaft gar nicht verstehen könnte. Statt sich rauszureden, begann er seine freundlichste Miene aufzusetzen, packte meine Hand rannte mit mir quer durch den Wald. Wenn er das von gestern wiederholen wollte, dann könnte er das getrost vergessen!
Mehrere Male stolperte ich über Wurzeln. Jedes Mal fing er mich jedoch behutsam auf, stellte mich sicher neben sich, schaute mir ein paar Sekunden in die Augen und riss mich dann schleunigst weiter.
Ich versuchte mich aus seinen Griffen zu befreien, denn seine anfängliche Unfreundlichkeit und seine Eile begannen mir Angst zu machen. Ein zarter rot- stich zeichnete seine Augen und machte ihn mysteriöser und erschreckender als zuvor.
Immer mehr beschleunigte er das Tempo, sodass ich schon bald den Boden nicht mehr erkennen konnte und ihm lediglich hinterher stolperte.
Die Kontrolle über meine Füße hatte ich längst verloren und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis ich den Boden von unten betrachten würde.
„Wo gehen wir hin?“, keuchte ich außer Atem und versuchte stehen zu bleiben, aber er nutzte seine, mir überlegene Kraft und zog mich weiter.
„Später“, murmelte er unfreundlich und erhöhte das Tempo erneut.
„Nicht so schnell!“
Als wäre ich seine kleine Schwester, begann ich unzufrieden an seinem Arm herum zu zotteln und versuchte ihn zum Stehen zu bringen.
Rasend schnell stoppte er und drängte mich gegen einen massiven Baum. Ich riss die Augen weit auf, als ich spürte wie sich die Rinde in meinen Rücken bohrte.
Meine Fingernägel krallten sich vor Schmerz in seine Jacke und ich bekam das Gefühl, mir würde jemand die Luft abdrücken. Nicht jemand, er nahm mir die Luft zum atmen.
Ich versuchte meinen rasenden Puls zu regulieren, doch seine Augen die immer blutroter wurden, vereinfachten die Sache nicht so ganz.
„Sei still“, flüsterte er leise in mein Ohr und begann sich über die Lippen zu lecken.
Ich wollte einen Schritt zurückweichen, doch blöderweise stand hinter mir der Baum, an den er mich immer noch mit vereinten Kräften presste. Meine Kehle schnürte sich zu und das Blut begann in meinen Adern zu pulsieren. Er schnaufte wütend und gehetzt.
Endlich löste sich der Druck an meinem Hals und er nahm seinen Arm dort weg. Erleichtert atmete auf und merkte wie sich meine Anspannung löste.
Dann aber legte er langsam seine Handfläche neben meinem Kopf, an den Baum und verlagerte sein ganzes Gewicht dort hin.
Wie ich es hasste mich unterzuordnen, doch mir schien keine andere Wahl zu bleiben. Vorsichtig griffen seine kalten Finger unter meinen Kiefer und mit einem Ruck schoben sie meinen Kopf in die Höhe, sodass ich in seine Augen starren musste.
„Lass das!“, brachte ich endlich völlig heiser raus und versuchte dabei seinen Blicken stand zu halten. Kurz schloss er seine Augen, ich hörte wie er leise aufseufzte und dann ließ er mich endlich los.
Das Rot in seinen Augen hellte für eine Sekunde mächtig auf, doch dann verschwand es komplett. Er schüttelte seinen Kopf und riss ihn angeberisch in die Luft. Die Sekunde der Freiheit hatte ich genutzt und war einen Schritt zur Seite gewichen.
Immer weiter lief ich unsicher rückwärts und war bereit, erneut mit einem Baum zusammenzustoßen. Ich zuckte zusammen als ich den nächsten Baum berührte, doch schon eine Sekunde später versuchte ich bei ihm Schutz zu finden.
Die große Distanz zwischen uns nahm mir meine Angst für einen Moment, doch schon nach dem nächsten Wimpernschlag stand er dicht vor mir. Sein Atem streifte meine Wangen und versetzte mich kurz in Starre.
Er ließ seine Schultern wieder schlapp hängen, die Zornesfalten verschwanden und ein zufriedenes Lächeln legte sich auf seine Lippen.
„Lass mich los!“, rief ich empört und stieß ihn weg von mir. Mit stapfenden Schritten entfernte ich mich von ihm und lief wütend weiter. War ihm nicht aufgefallen, dass er mir auf diese Weise Angst machte? Ich wollte ihn hassen, doch ich wusste genau, dass ich mich nach dem sehnte, was wir gestern noch gehabt hatten.
Seine Schritte wurden schneller und schließlich lief er neben mir, um nach meiner Hand greifen zu können.
Erschrocken zog ich sie aus seiner Gewalt und wich zur Seite, um einen Abstand zwischen uns herstellen zu können.
„Was ist?“, erkundigte er sich mit erhobener Augenbraue.
„Ist das dein Ernst?“
„Ich kann dir nicht ganz folgen.“
„Was war das eben?“
„Kontrollverlust.“
„Ja könnte man so sagen und was war die Ursache?“
„Erkläre ich nachher.“
„Wie nachher? Sag´s mir doch einfach hier, dann verstehe ich vielleicht auch deine Eile?“, antwortete ich eingeschnappt und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Das geht hier nicht!“, rief er verärgert und war dabei erneut nach meiner Hand zu greifen.
„Vergiss es! Erst will ich eine Erklärung!“, schrie ich und schlug ihm auf die Hand.
„Jetzt sei nicht albern, für so was haben wir keine Zeit.“
„Das ist mir egal“, zischte ich und verschränkte stur die Arme vor der Brust. Angespannt seufzte er und ließ seine Augen wieder nervös durch den Wald wandern.
„Du wirst es eh nicht verstehen, wenn ich es dir hier sagen. Flüchtig.“
„Versuch es einfach.“
„Kannst du mir nicht vertrauen?“, fragte er und setzte dabei seinen liebevollsten Blick auf. Oh nein, darauf würde ich dieses Mal nicht reinfallen, nicht nachdem er so mit mir umgesprungen war.
„Nein!“
„Okay, wir werden eventuell abgehört.“ Was? Ich war mir nicht sicher wie ich auf diese Aussage reagieren sollte. Abgehört? Na klar und ich bin eigentlich die Queen von England! Ich war kurz davor in einem Lachanfall zu enden, doch seine ernste und versteinerte Miene, bewahrte mich davor.
„Ja na klar und verfolgt werden wir auch, weil du der geheime James Bond bist oder was?“, lachte ich. Diesen einen Spruch hatte ich mir einfach nicht verkneifen können.
„Hm?“
„Ach vergiss es“, entgegnete ich knapp, nachdem ich begriff, dass er meine Worte schon wieder nicht verstanden hatte.
„Vertrau mir einfach“, rief er energisch, packte meine Hand und zog mich hinter sich her, durch den Wald. Vertrauen? Ich wollte es nicht, aber ich tat es. Warum? Ich habe keine Ahnung! Seinen „Kontrollverlust“, so wie er das nannte, konnte ich getrost verdrängen.
Etwas fehlte. Ich brauchte einen Augenblick, bis ich begriff was es war. Das Geräusch unserer Schritte auf dem feuchten Laub war verschwunden. Wir waren stehen geblieben und plötzlich wirkten völlig neue Eindrücke auf mich.
Etwas überrumpelt ließ ich meine Blicke über die Landschaft streifen. Kleine Holzhütten mit Strohdächern und zart orangenen Wänden standen mit gegenüber. Perfekt sortiert, dass man meinen könnte, sie bildeten eine Wohnsiedlung. Doch fürs Wohnen waren sie viel zu klein. Mehr als ein kleines Bett würde unter ihren Dächern wohl kaum Platz finden.
Alle standen sie auf einer Holzplattform, in der Mitte eines kleinen See`s. Abgeschirmt zu den anderen waren sie alleine und hatten keine Brücken, die sie miteinander verbinden würden. Nicht mal zu ihren kleinen, braunen Holztüren gab es eine Brücke, sodass ich mich zu fragen anfing, ob man sie überhaupt betreten konnte. Es schien als würden sie verlassen im Meeres- blauen Wasser stehen.
Ich hielt nach dem Ende dieser süßen Siedlung Ausschau, doch sie schien endlos zu sein und verschwand schließlich im sanften Nebel. Vor jeder Hütte waren kleine Blumenkästen gestellt, die farbenfroh strahlten. Diese Umgebung war das komplette Gegenteil zum Rest des Waldes und ließ einen denken, sie gehöre hier nicht hinein. Genauso wie dieser wunderschöne Wasserfall.
Fast erschreckend langsam trat er an den glasklaren See heran und begann mit seiner linken Hand, wie wild in der Luft herum zu fuchteln. Ich stand abseits von ihm und betrachtete seine unregelmäßigen Bewegungen. Zögernd lief ich auf ihn zu und folgte seinen ruckartigen, unregelmäßigen Bewegungen zweifelnd.
„Du! Durch wildes Herumfuchteln in der Luft, werden wir auch nicht wieder zum Hotel finden“, beklagte ich mich arrogant und verschränkte abweisend die Arme vor der Brust.
Doch diesen Satz bereute ich schon wenige Augenblicke später. Plötzlich tat sich etwas und in der Luft erschienen blaue Zeichen. Er wusste genau was er tat und schob sie konzentriert hin und her, bis er sie schließlich richtig sortiert hatte und sie im Anschluss einfach fallen ließ. Auf den Boden zersplitterten sie und blieben letztendlich in tausend Teilen, reglos dort liegen.
Es schepperte laut durch den Wald, als wären eine Million Gläser zu Bruch gegangen. So plötzlich wie sie aufgetaucht waren, waren sie nun auch wieder verschwunden und ließen einen glauben, man hätte sich alles nur eingebildet. Ich hatte mich für verrückt gehalten, zu denken sie irgendwo her zu kennen, doch dann erinnerte ich mich wieder an diese grauen Zeichnungen. Auf jedem Blatt hatten sie, in der rechten Ecke, wie eine Signatur gestanden. Ob mir damit der Urheber einen Hinweis geben wollte?
Schnell verwarf ich meine Gedanken wieder, als er seine Arme energisch in die Luft streckte und damit das Wasser unruhig werden ließ.
Was Anfangs ein wildes Durcheinander war, begann sich langsam zu ordnen und formte sich allmählich zu mächtigen Wellen. In kleinen Abständen kamen Meter hohe Wellen auf uns zugerast, die kurz vor uns wieder versiegten. Erstaunt starrte ich dem Wasser entgegen und konnte gar nicht begreifen, was hier eigentlich geschah.
Plötzlich entdecke ich ein lebendes Wesen, das im See schleunigst auf uns zu kam. Für kurze Zeit ragten schimmernde Schuppen aus dem blauen Wasser und zogen meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Was kam da auf uns zu? Ein Fisch?
Sekunde um Sekunde näherte es sich uns und ich bemerkte schnell, dass ich mich zu fürchten begann. Die Welle mit der es kam, ragte hoch empor und hatte schon längst die anderen überholt. Doch das schien nicht zu reichen. Sie stieg mehr und mehr empor und in mir machte sich die Befürchtung breit, wir würden überflutet werden.
Fasziniert von diesem Wesen, vergaß ich meine Angst und ignorierte die Tatsache überflutet werden zu können. Gefangen in der mächtigen Welle kam die mysteriöse Gestalt auf uns zu und schien uns vernichten zu wollen.