Mittlerweile brannte im Thronsaal des Dunklen Lord nur die Hälfte der Kerzen auf dem Kronleuchter. Der gesamte Hof versammelte sich gerade. Manch einem wurde klar, wie viele Tage noch bis Samhain blieben und wie wenige Kerzen noch brannten. Vor ihnen lag eine wahrhaft dunkle Zeit. Die Dunklen Wesen unter den Bewohnern des Schlosses fühlten sich immer stärker und agiler.
Albus Dumbledore dachte an die letzte Nacht im Grimmauldplatz, in der Harry noch Harry gewesen war. Sie hatten alle versucht, ihn zu überreden. Der Junge hatte sich bis zuletzt gewehrt. Doch dann spielte Shacklebolt seinen größten Trumpf aus. Aus der Mysterienabteilung hatte er die Zukunftskugel mitgebracht. Es handelte sich um ein sehr mächtiges Artefakt, obwohl sie eher unscheinbar wirkte. Sie hatte etwas von einem Erinnermich. Sie lag klein in der Hand. Diese Kugel zeigte eine Version möglicher Folgen einer Entscheidung. Sie hatten Harry erklärt, dass er sich die Konsequenzen ansehen solle, wenn er vorhabe, den Trank nicht zu nehmen. In der Zukunftskugel sah Harry seinen Sieg über Voldemort und den Preis dafür. Er sah in der Kugel seine toten Freunde, Remus, Tonks, Fred, Colin, Dobby, Mad-Eye, Albus, Severus. Er sah das zerstörte Hogwarts, das brennende Verschwindekabinett, die verletzte Katie Bell, den Wahnsinn des Rassismus und alles andere.
Allerdings zeigte die Kugel grundsätzlich nur eine mögliche Zukunft. Shacklebolt hatte dem Jungen nicht erklärt, das es auch andere Sichtweisen gab. Vor allem hatte er Harry nicht erklärt, dass man auch weiter in die Zukunft sehen konnte. Der Bezwinger von Voldemort hatte keine Chance zu sehen, was die Zukunft 19 Jahre später bringen konnte. Harry erfuhr nichts von der Möglichkeit eines glücklichen Lebens an der Seite der Frau, die er liebte. Er erfuhr nichts von seinen geliebten Kindern. Sie hatten ihm die freie Wahl genommen. Nach dem Blick in die mögliche Zukunft nahm Harry den Trank ohne sich weiter zu wehren. Ein würdiger Herr der Dunkelheit grausam, beherrscht und klug.
Dumbledore beobachtete den jungen Dunklen Lord mit einem warmen Gefühl und Trauer um den jungen Mann, der er nie geworden war. Seine Lordschaft schritt wie jeden Morgen langsam zu seinem Thron. Das Sonnenlicht brach sich in den Edelsteinen des Herrschersitzes, bevor es von der Dunkelheit geschluckt wurde. Die Gnadenlosigkeit nahm mehr und mehr Raum ein. Snape saß Dumbledore wie immer gegenüber. Wesentlich entspannter erwartete der Tränkemeister den Tag. So ein Ausflug ins Wizard World hatte seine Vorzüge. Vielleicht sollte er der Veela bei Gelegenheit eine Eule senden, wenn sich Pettigrew erholt hatte. Sein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. Wie gut, das Albus nicht alles über ihn wusste. Seine Dienste für Lord Potter gestalteten sich meistens erkennbar angenehmer, als die für Voldemort. Potter belohnte großzügig, gab verständliche Befehle und handelte nachvollziehbar. Früher hatte Snape Harry oft unterschätzt. Heute beeindruckte ihn die Härte und Konsequenz seines Lords oft.
Die Zwillinge unternahmen allerlei Faxen, um mit Theseus unauffällig Kontakt aufzunehmen. Der Junge hatte neben seiner Lordschaft auf einem Sessel Platz nehmen müssen. Er fühlte sich unsicher, weil alle Augen nach vorne gerichtet waren. Lediglich Dracos Hand, die dezent auf seiner Schultern lag, gab ihm ein wenig Sicherheit. Zum Glück, dachte Malfoy, wusste der Junge nicht, welche Szenen es hier gegeben hatte. Er mochte den Jungen jeden Tag mehr. Egal was Potter verlangte, er gehorchte auf jeden Fall. Das schwor er sich jedes Mal, wenn er den Jungen sah. Das Frühstück und die Audienz verliefen ereignislos, worüber der Tisch des Phoenixordens dankbar war. Theseus grinste den Zwillingen zu. Seine Unsicherheit schwand zusehends.
Nachdem Frühstück schickte Potter Theseus zu Snape um die Schwarzen Künste weiter zu trainieren. Er sah dem Jungen nach und sagte zu Draco: „Welch eine interessante Konstellation zwischen uns beiden. Du wurdest zum Prinzen erzogen und bist mein Sklave. Ich wurde wie ein Sklave erzogen und bin heute ein Lord.“ Sein Sklave biss sich auf die Zunge und lenkte dann erfolglos ab: „Kaffee, Mylord?“. „Ja bitte. Was meinst Du zu dieser Ironie? Antworte mir.“, provozierte Potter weiter. „Wenn Ihr zum Sklaven erzogen wurdet, dann war die Erziehung wohl nicht sehr erfolgreich.“ Mist. Schon wieder hatte Malfoy sich nicht im Griff gehabt. Potter zog eine Augenbraue hoch: „Ein Prinz bist Du auch nicht geworden, so gesehen war Deine Erziehung auch kein Erfolg. Vielleicht hat Theseus noch genug Zeit, damit wir herausfinden können, ob seine Erziehung ein Erfolg wird.“ Dracos Gesicht verlor die Farbe. Das Damoklesschwert über dem Kind hatte er versucht zu verdrängen. Jetzt stand die Drohung wieder leibhaftig vor ihm. Mittlerweile kannte er Potter gut genug um zu wissen, wie ernst die leise Drohung war.