An Nevilles Standbild brannte sie immer noch. Die einsame Kerze strahlte warmes Licht in den Hof. Von ihr ging eine besondere Magie aus. Weich, sanft und weise schien sie den Platz zu erhellen. Wer immer sie dort aufgestellt hatte, beschützte sie mit großer Macht. Die Geschöpfe der Finsternis wagten es nicht sich ihr zu näheren. Ein junger Magier schritt mit großer Zielstrebigkeit zu ihr. Er war allein und schien eins zu sein mit der Nacht. Schweigend stand er vor dem Bildnis. Er verneigte ebenso schweigend und ging den Weg zurück, den er gekommen war.
An einem der neuangelegten Beete blieb er stehen. Er legte ein einzelnes Rosenblatt vorsichtig in das Beet. Er hob seinen Zauberstab und sprach einen sehr mächtigen Zauber. Aus dem Boden erstreckte sich langsam und kräftig ein Rosenstock mit zarten rosafarbenen Blüten. Die Rosenblüten bildeten eine verspielte Ranke um den Stamm. Er pflückte eine der unzähligen kleinen Blüten ab und steckte sie vorsichtig in ein kleines silbernes Döschen. Dann verschwand er in der Dunkelheit.
Im Thronsaal des Dunklen Lord erwartete man mit Spannung auf die Neuigkeiten aus dem Ministerium. Der Kronleuchter drehte sich und eine Kerze änderte ihre Farbe. Draco allerdings beschäftigten anderen Fragen. Seine Mutter hatte ihm gesagt für einen derartigen Zauber nur rumänische oder bulgarische Rosen in Frage kamen. Sie hielten Kühle besser aus und hatten eine entsprechende Empfänglichkeit für Magie. Sie brauchten mindestens eine Blüte um diese zu vervielfältigen. Vielleicht konnten die Weasleyzwillinge eine besorgen, hoffte Draco. Immerhin lebte dort ein weiteres Wiesel.
Unruhig und unaufmerksam bediente er seinen Herrn beim Abendessen und verschüttete prompt etwas Wein auf Lord Potters Schoß. „Vergebung, Mylord.“ Ungewohnt locker flüsterte ihm Potter zu: „Willst Du ihn gleich hier ablecken?“ Draco Wangen verfärbten sich hoch rot. „Vor allen?“, hauchte er in Harrys Ohr. „Soll ich es Dir befehlen? Von mir erwarten sie so etwas.“, flüsterte Harry zurück. „Bitte nicht. Mylord.“ Das Herz des Dieners klopfte laut. „Na dann nicht.“ Ein kaum sichtbares Grinsen huschte über Lord Potters Gesicht. Etwas veränderte ihn unmerklich. Es war angenehm. Draco fühlte, das es nicht nur Unterwerfung war, was ihn so fesselte. Gerade hier neben dem Thron zog ihn etwas zu Harry hin. Da war nicht nur Angst, Zorn oder gar Hass. Er hatte kein Wort für die Empfindung.
Albus beobachtete die beiden jungen Männer aufmerksam. Es gab Hoffnung für Harry. Er wollte es unbedingt glauben. Er kämpfte um seine Hoffnung. Manchmal schien sie ihn zu verlassen. Der alte Mann wünschte sich sehr, daß sie es damals richtig gemacht hatten. Er empfand tiefe Schuld. Der Junge hatte ihm blind vertraut. Damals hatte er Harry nicht die volle Wahrheit erzählt.
Wenn die Magie Harry nicht akzeptiert hätte, wäre er gestorben oder schlimmer noch wahnsinnig geworden. Letzteres war bei Voldemort offensichtlich geschehen. Voldemort hatte der Magie nicht standgehalten und so leitete ihn nur noch der Wahnsinn. Harry allerdings blieb stark und klar. Seine Kälte und Grausamkeit ließ sich meistens berechnen. Wenn man sich an die Vereinbarungen hielt, klappte es ziemlich gut. Dennoch sorgte sich Dumbledore sehr um Theseus. Wenn sie es nicht schafften, den Garten zu errichten, mußte das Kind sterben. Keiner von ihnen hatte die Macht sich Potter wirksam entgegen zu stellen. Das Flitwick abgesagt hatte, war verständlich und dennoch feige. Sie brauchten dringend Hilfe. Denn das eigentliche Problem war noch nicht mal ansatzweise gelöst worden, auch wenn er schon intensiv geforscht hatte. Rosen im Oktober- was trieb den Jungen nur so an.
Fred und George verstanden immer mehr, was das Leben im Schwarzen Schloss von ihren Geschwistern verlangte. Die brutale Ruhe, die oft über allen lag, raubte ihnen den Atem. Am liebsten wären sie abgereist, aber sie konnten das Kind nicht im Stich lassen. Die Eule von Bill, der ihnen mitteilte, dass er das Dunkle Mal annehmen würde, überraschte sie nicht. Fleur hatte öfter erwähnt, dass Veelas Dunkle Magie in sich trugen. Das Geierwesen gehörte genauso zu ihr wie die betörende Anmut.
Die beiden Zwillinge freuten sich auf Unterstützung und fragten sich zugleich, ob der Dunkle Lord auch von ihnen erwartete das Mal zu nehmen. „Ich tue es nicht.“, sagte Fred energisch. „Was tust Du nicht?“, fragte Minerva McGonagall leise. „Das Dunkle Mal annehmen.“, antwortete George bestimmt. Klar und verständlich sagte er es in den Raum hinein: „Ich bin freigeboren und niemanden untertan.“ Minerva fiel ihr Besteck aus der Hand. Die Höflinge seiner Lordschaft starrten zum Gästetisch hinüber. Sie hätten ihre Seele dafür gegeben, das Angebot zu bekommen. Lord Potter blickte kurz auf und aß seelenruhig weiter. Atemlose Stille herrschte. Als er sein Essen beendet hatte und die Serviette ablegte, stand er auf. Er ging ruhig zu dem Tisch, an dem die Weasleys saßen. Albus und Minerva hielten den Atem an. „Lust auf eine Partie Zauberschach?“, fragte Potter lässig ohne das Dunkle Mal auch nur zu erwähnen.