Zum letzten Mal betrat Felix sein altes Zimmer. Hier würde er nie wieder schlafen, lesen oder Musik hören. Er würde nie wieder seine Freunde hier hin einladen oder mit seiner Maus Toshi erzählen. Auch würde er nie wieder in seinem Bett liegen und die oben an der Decke angebrachten Sterne beobachten und sich vorstellen, er wäre im fernen all, wo all seine Sorgen und Probleme vergessen wären. Nein, all das würde Felix nie wieder tun. Unlängst war sein Zimmer leer geräumt, die Sterne waren runter gekratzt und Toshi hatten sie mitgenommen. Eine leere Hülle seines ehemaligen kleinen Hafens war übrig geblieben.
Felix ging von Wand zu Wand, schaute aus dem Fenster auf ein vertrautes Bild. Eine Straße führte direkt direkt unter dem Sims vorbei, dahinter ein Mais Feld. Dort hatte Felix oft als Kind gespielt und sich lange Sommerabende mit fantasievollen, selbstgebauten Burgen, nachgestellten Kriegsspielen und seinem Geheimversteck an Süßigkeiten vertrieben.
Die davor liegende Straße war komplett leer. Früher waren hier viele Autos vorbei gefahren und auch Felix heißgeliebter Eismann ließ sich von Zeit zu Zeit blicken. Doch nun - keine Autos, kein eismann, nicht mal ein einsamer Fußgänger oder Hundebesitzer, der seine Runden dreht war zu sehen. Felix erinnerte sich an einen Horrorfilm den er einmal vor Jahren gesehen hatte. Es ging darin um eine Zombie Apokalypse. Zombies hatten die gesamte Menschheit ausgelöscht und nur ein paar mutige Einzelfälle konnten sich retten und überlebten. Er rief sich die Schluss Szene wieder in den Kopf. Eine einsame Straße, weit und breit kein Ende zu sehen, führte völlig unberührt in den Horizont. Die Sonne ging unter, und unten am
Bild Rand tauchen die Überlebenden Menschen auf. Sie gehen in langsamen Schritten die Straße hinunter und blockten dabei hoffnungsvoll in den Sonnenuntergang.
Daran dachte Felix als er aus seinem Fenster sah. Beinahe glaubte er die Schatten von ein paar in sich zusammengesunkenen gestalten zu sehen. Aber nein, sein Verstand spielte ihm einen Streich.
Bitter dachte er daran zurück wie er diesen Film mit seinem besten Freund Dean geschaut hatte. Sie hatten gelacht und sich über die Absurdität der Geschehnisse lustig gemacht. Den ganzen Abend hatten sie so getan, als wären sie Zombies und mussten vor Lachen nach Luft schnappen.
Felix wandte sich vom Fenster ab. Da entdeckte er ein letztes Überbleibsel seiner Kindheit, den Beweis dafür, dass er hier überhaupt gelebt hatte. Es Waren die mit Bleistift aufgemalten Zentimeter Striche am Türrahmen, die über die Jahre markierten, wie groß Felix geworden war. Sie waren verblasst und kaum mehr zu sehen. Trotzdem sah Felix noch genau wie er hier mit 4 Jahren stand und seine Mutter den kleinen Strich genau über seinem Kopf anbrachte. Er wusste noch wie er sich aufgeregt hatte, dass der Strich nicht sehr weit vom Boden entfernt war und er noch nicht größer war. Er hatte die Arme verschränkt und das Gesicht verzogen. Seine Mutter jedoch hatte gelacht, ihm die durch die Haare gewuschelt und gemeint, dass es nicht mehr lange Dauern und er nicht mehr durch Tür passen würde, da er zu groß war. Das hatte Felix etwas aufgemuntert.
Er strich mit den Fingern über die Bleistift Kerben. Als er 13 wurde hatten sie damit aufgehört, da Felix meinte er wäre nun zu alt für solche Kindereien. Nun tat ihm das Leid. Es fühlte sich an als hätte er seine Kindheit, seine gesamte Vergangenheit nicht völlig ausgekostet, sie nicht so gelebt wie er es hätte tun sollen. Er wollte diesen kleinen Zipfel an guten und schönen Erinnerungen festhalten und nie wieder loslassen. Doch das ging nicht, das wusste Felix genau.
Er wendete sich von der Tür ab und sah sich noch einmal um. Dann schloss er die Augen und ließ die letzten Jahre Revue Passieren. Bunte Bilder und Farben rasten vor seinem inneren Auge vorbei, Ereignisse, die er nie vergessen wollte, brannten sich in seinem Gedächtnis ein und die Gesichter von Menschen, die er liebte, schwebten in der Luft.
Der leichte Geruch von angebrannten Popcorn und frisch gemähten Gras kitzelte Felix Nase. Das war der Geruch von Zuhause, von Geborgenheit und Wärme.
All das ließ Felix nun hinter sich. Nicht freiwillig, aber es war seine Pflicht. Die Erinnerungen würden Schmerzen, aber er würde den Schmerz freudig in die Arme schließen, solange er dadurch nichts vergaß.
Mit einem gebrochene Herzen verließ Felix sein Zimmer, schloss die Tür hinter sich und ging Hinaus auf die Straße. Es war frisch, die Nacht würde bald hereinbrechen. Die Jacke fester um sich schlingenden, suchte Felix mit den Augen nach Oberst Richter. Er hatte versprochen auf ihn zu warten, damit sie zusammen wegfahren konnten. Ein kleines Stück weiter weg, am Rand des Feldes entdeckte Felix ihn, und er ging auf ihn zu.