Es wurde kälter. An Weihnachten kauerten Nadja und Phoebe bei einer Hilfsorganisation, die Obdachlosen etwas zu Essen und zu Trinken und insbesondere Heizungen anbot. Sie wärmten Tee über einer kleinen Flamme, irgendwo klimperte jemand hilflos auf einer Gitarre, bis Phoebe es nicht mehr ertrug.
Sie stand auf und ging zu dem Mann: „Sorry – darf ich?“
Die Gitarre wurde ihr anstandslos übergeben: „Bitte.“
Nadja folgte ihr mit beiden Tees in der Hand: „Was treibst du da?“
Phoebe zuckte mit den Schultern und schlug ein paar Akkorde an. Die Gitarre war verstimmt, wenn auch nur leicht. Offenbar durch die Kälte.
Sie stimmte das Instrument nach dem Gehör: „Ich habe früher oft gespielt.“
Die Seiten waren harte Stahlseiten, die sich in ihre Fingerkuppen gruben. Sie war schon lange aus der Übung. Trotzdem fing sie an, „Last Christmas“ zu spielen.
Nadja setzte sich neben sie: „Das kannst du auswendig?“
Phoebe grinste: „Die wirklich schlimmen Lieder vergisst man nie.“
Während sie spielte, sammelten sich ein paar der anderen Obdachlosen um sie. Der ein oder andere sang, und der Mann, dessen Gitarre sie ausgeliehen hatte, beobachtete wie ein hungriger Raubvogel ihre Finger, um sich die Griffe einzuprägen.
Als sie fertig war, wurde geklatscht. Phoebe setzte sich besser hin und schlug einen neuen Ton an.
„Kannst du singen?“, fragte sie Nadja.
Die starrte sie an: „Was hast du vor?“
Grinsend spielte Phoebe. Nadja lauschte, und erkannte das Lied dann.
[style type="italic"]„There is a House in New Orleans ...“[/style], sang sie.
Am Ende, als Phoebe die Gitarre zur Seite legte, sagte das Mädchen: „Du kannst wunderschön singen.“
„Danke“, murmelte Nadja. Phoebe nahm ihre Hände: „Du bist meine liebste Leadsängerin.“
Sie kuschelte sich an Nadja und genoss ihre Wärme. Die Frau legte ihren Kopf auf Phoebes Haare: „Aber du bist die beste Gitarristin der Welt.“
Phoebe lachte. Ganz bestimmt nicht. Sie spielte miserabel und konnte die Hälfte der Griffe nicht mehr greifen. Schon nach zwei Liedern schienen ihre Fingerkuppen zu bluten.
„Ich muss irgendwann wieder häufiger spielen.“
„Wenn wir unsere Weltreise machen?“, fragte Nadja scherzhaft.
„Au ja!“