Fast einen ganzen Monat lang hielten sie sich bedeckt. In der Zeit geschah nichts. Es gab keine neuen Anschläge, von der Polizei drohte keine Gefahr. Für Phoebe wurde es mit der Zeit mehr und mehr zu der besten Zeit in ihrem Leben. Sie hatte sogar das Gefühl, die eisige Mauer um ihr Herz einstürzen zu fühlen.
Eines Abends saßen sie auf dem Dach eines Hochhauses und fröstelten Seite an Seite. Aus Nadjas kleinen Radio drang rauschend der Polizeifunk, doch die waren damit beschäftigt, einen Nachbarschaftsstreit daran zu hindern, zu eskalieren.
Die Sonne ging unter, ein paar Tauben stritten sich nicht weit entfernt gurrend um irgendetwas Undefinierbares. Auf Phoebes MP3-Player, über den sie beide gleichzeitig Musik hörten, lief leise Rock.
Sie hatten sich nah nebeneinander gesetzt. Nadja durchbrach die einträchtige Stille: "Phoebe?"
"Hmm?", sie war müde von einem langen Tag mit wenig Essen.
"Ich - ich muss dir was sagen."
Phoebe wandte den Kopf: "Schieß los."
"So leicht ist das nicht!", protestierte Nadja.
Phoebe zog die Stirn in Falten: "Okay...?"
Nadja seufzte: "Gott, das ist verdammt schwer! Bitte sei mir gleich nicht böse, Phoebe."
"Warum sollte ich dir -", weiter kam sie nicht, weil Nadja sich vorbeugte und sie küsste.
Phoebe war so überrascht, dass sie sich erst überhaupt nicht rührte, und die Frau dann von sich stieß: "Was?!"
Nadja sah verletzt aus. Phoebe sprang auf, zu verwirrt, um irgendetwas Vernünftiges heraus zu bringen. Es hatte keine Vorwarnung gegeben, keine einzige. Nadja durfte sie doch nicht derartig überraschen!
"W-wie kannst du!", brachte sie heraus.
"Es tut mir leid!", rief Nadja, aber Phoebe wich vor ihr zurück: "Was sollte das?"
"Ich konnte nicht anders, okay!", fuhr Nadja sie an: "Wir können es auch wieder vergessen."
Sie war rot geworden. Die Augen der Frau blitzten vor Wut.
Oder waren es Tränen?