Hunde waren die Ersten, die den Hof bestürmten und sogleich begannen die vielen, scheinbar, unbekannten Gerüche aufzunehmen. Nicht zottig, nicht riesig, nicht geifernd, ja womöglich nicht einmal boshaft. Jagd- und Treibhunde mittlerer Größe liefen wie aufgescheucht hin und her. Neugierig wie Ermittler beschnüffelten sie alles, was mit ihren feinen Nasen erreichbar war, sogar die tiefer werdenden Schatten. Sie suchten etwas ohne eine konkrete Spur zu verfolgen. Einer von ihnen, offensichtlich der Jüngste, schnupperte am Rad des Karren. Hob instinktiv den Kopf, schnüffelte erneut und rannte mit wedelnder Rute davon. Ein gellender Pfiff erscholl und von dem Rudel auf dem Hof verblieben noch zwei. Bedächtig hielten sich Alna und Klarich Rücken an Rücken bewaffnet mit einer Sense und einem Flegel.
»Zu je Dreien. Sucht sie. Ihr, zu mir«, brüllte ein hochgewachsener Mann, den zu jeder Seite ein weiterer flankierte. Angriffslustig und überheblich blickten sie von ihren Pferden herab.
Klarich schnaubte, verengte die Augen und senkte die Sense. Er kannte, nein, erkannte den Anführer, welcher hier unerwartet Männer wie Hunde zu seinem Heim führte. Ein bleischwerer Kloß rutschte nur widerwillig seinem Hals abwärts.
Jener in der Mitte, Kopf dieser Meute, beugte sich vor und legte seine Hände selbstsicher und übereinandergehalten auf den Sattelknauf.
»Bauer Klarich.« Der Mann nickte wissend. »Wir sehen uns zu oft.« Er hob seine linke Hand und zeigte zwei Finger. Rechnen konnte der Kerl demnach auch. Der nächste Finger folgte sogleich. »Zum dritten Mal, in so kurzer Zeit?« Trotz seiner unbestreitbaren Abstammung sprach dieser die gemeine Zunge gut verständlich. Mancher würde vielleicht sogar so weit gehen zu behaupten, seine Aussprache klinge treffender, als die so manchen Landarbeiters.
»Was zum Henker soll das hier werden?« Die Sense hob er mahnend und verdeutlichte, diese nach Bedarf einzusetzen. Sein Blick orientierte sich nach allen Seiten, auch jenen, die er nur im Augenwinkel erfassen konnte. Hinter ihm hielt Alna hingegen die ihren offen. »Drei in der Scheune, drei im Lagerhaus«, raunte sie mit geneigtem Kopf.
Unmöglich können das alle gewesen sein, die bellende Meute und die Befehle klangen nach mehreren. Klarichs Gedanken überschlugen sich.
Alrics unerwarteter Auftritt bei der Burg dann als Schattenjäger begleitet von fünf weiteren hier auf dem Hof - er ihre Leitperson. Die Hektik und Angst um die Jungs. Unbestritten begründet aber dennoch der schiere Anblick war ihm zuwider. Jetzt der Wachposten, ebenfalls aus Besatzung Bestlins. Gleichermaßen beanspruchte auch dieser sich als Anführer eines Trupps, wohingegen dessen Absichten deutlich schienen.
»Mhm. Lasst mich überlegen.« Abermals nutzte er seine Linke. Der Zeigefinger tippte gedankenversunken an seine Nasenspitze, während seine Rechte für andere unbemerkt an dem Schaft seines Schwertes glitt. »Beim ersten Treffen musste ich jemanden ... entsorgen. Sagt man das so?«
Seine Begleiter wechselten fragende Blicke und einer von ihnen hob die Brauen. »Beim zweiten Mal, nun, ich kann nicht überall wachen. Tut mir leid, ich war nicht stürmisch genug.«
»Was sagt er da?«, raunte Alna mit kaum erkennbar geöffnetem Mund.
»Sch.«
»Bauer Klarich. Der Lord hat sein Angebot überlegt. Er will euren Sohn jetzt schon in Sold nehmen. Wo ist er? Übergebt ihn und wir gehen.«
Klarichs Knöchel der rechten Hand knackten, als er seinen Griff um die Sense lockerte, um sie sogleich fester zu greifen wie noch zuvor. Sein Gesicht zeigte Entschlossenheit und seine Worte forderte sie heraus. »Andererseits? Lasst ihr euch auch auf die andere Schulter scheißen?«
Er zuckte mit vorgeschobenem Kin auf besagte Stelle, auf welcher ein milchig weißgrauer Tropfen sich abzeichnete. Er wendete seinen Blick, verzog grienend die Mundwinkel und zwinkerte ihm zu. »Wer weiß.«
»Serfem! Wir haben was«, rief einer der Männer, die das Wohnhaus durchsuchten. Er stand auf der Veranda des Vorbaus, nestelte an etwas herum und zuckte fluchend.
Angesprochener sah auf und in seinem Blick spiegelte sich Unsicherheit und Unglaube. Jener, der der Anführer zu sein schien und auf dem Namen Serfem reagierte, stieg in seinen Steigbügel auf und seufzte. »Das ist nicht der Junge. Sucht weiter.«
»Nein verdammt, aber mehr als eine beschissene Feder unter einem der Kissen und dieses Schwert ...«, er hielt es mit der Linken hoch. Von der Rechten löste sich ein einzelner roter Tropfen und viel herab. »... gibt es hier nichts Brauchbares. Schon gar keine Jungs.«
Ihr Anführer stieg ab und bedeutete seinen Begleitern zu folgen. Mürrisch hielten diese Klarich und Alna im Blick. Aufmerksam musterte Serfem zuerst das Gefieder, danach die dargebotene Klinge.
»Eine Feder und ein prächtiges Schwert? Ich frage nicht, woher ein Diener, zu so etwas kommt.« Seine Finger fuhren den Stilisierungen des Blattes entlang, die eigenartigerweise nur auf einer der Seiten eingelassen waren. Ein Greifvogel zierte als Wappenbild die Mitte der Parierstange, welche wiederum als Flügel aufgearbeitet schienen. Er wog es in der Rechten, verzog die Mundwinkel und gab es zurück. Aus Richtung der Scheune polterte und wieherte es beklagenswert, grimmige Ausflüchte und Gelächter folgten.
»Scheiße Serfem, lass uns die Pissbude abfackeln und zurückreiten. Mit der Schlampe da können wir ja noch Spa...« Er kam nicht mehr dazu, seinen unbedachten Satz zu vollenden, stattdessen röchelte er und fasste sich fassungslos an den Hals. Lautlos und wie aus dem Nichts suchte sich ein noch an der Befiederung nachvibrierender Pfeil Bahn. Das Geschoss traf mit solcher Wucht sein Ziel, dass die geschärfte Spitze auf der einen Seite des Halses eindrang und an der Gegenüberliegenden austrat. Blut lief ihm am Hals herab und besudelte nebst Rüstzeugs nun auch die hölzernen Dielen. Das entwendete Schwert glitt ihm klappernd aus der Hand. Schuld zuweisend sah er sich um, während sich sein Blick trübte und er schlussendlich zu Boden ging. Er sackte nicht einfach in sich zusammen, er stürzte vornüber und mit dem Gesicht voran.
Serfems Rechte glitt hinab, er trat einen Schritt zurück und entging so dem Hauch des Todes. In Form eines weiteren Pfeiles schoss dieser keine handbreit an ihm vorbei und fand ein ebenso passendes Ziel in der Brust eines seiner Begleiter. Der Schütze beherrschte den Bogen wie kaum ein anderer, dessen Hände und Augen mussten die eines brillanten Jägers sein. Vier Finger beginnend des Sodaplexus hinauf und weitere vier zur Linken. Mitten ins Herz. Sein Kamerad starb ohne den Hauch einer Chance zur Gegenwehr.
Alna verbarg sich unter den Karren und Klarich schwang seine Sense. Kampflos gab er weder sich, seine Frau, seine Kinder noch den Hof auf. Die verbliebenen zwei Hunde hoben die trainierten Nasen. Sie rochen Blut.
»Schattenjäger! Such! Fass!«
»Legt das Schwein und die Schlampe um.«
Während die zwei übrigen Soldaten neben Serfem begannen ihre Klingen zu ziehen, rannten jene, die die Scheune durchsuchten und womöglich auch verwüsteten heraus. Rauch stieg auf und bahnte sich durch Tor wie Fenster einen Weg ins Freie. Noch im Laufen zogen die Männer Blank und suchten einen unbekannten Feind, um diesen in Klarich zu erkennen.
Zwei weitere Pfeile sausten heran und richteten einen Angreifer, der sich dem Bauern von hinten näherte. Serfem hingegen behielt Ruhe. Er warf sich nicht unbedacht ins offene Messer, ohne zuvor zu sondieren, was er tat. Anstatt einem offenkundigen Widersacher entgegenzutreten, schwang er sein Schwert in hohem Boden. Klarich stand mit seiner Sense gegen Dreien, bewaffnet mit Waffen aus gehärtetem Stahl. Sein Blick zuckte unstet von Links nach rechts und sein primitiver Behelf folgte diesem. Alna wimmerte vor Angst und ihr Mann spielte auf Zeit, wusste jedoch nicht, wie lange sich seine Kontrahenten auf so plumpe Art aufhalten ließen. Würden die übrigen Soldaten eintreffen oder auch nur jene aus dem Lager hinzueilen, wäre die Misere in wenigen Atemzügen beendet.
Sie trieben sie weg vom Karren und in Richtung des Lagers, aus welcher klirrende wir knurrende Laute drangen. Sie lachten höhnisch, wussten sie, dass der Pfeilbote in dieser zu suchen war und ihresgleichen dort jeden Winkel mit der Klinge auseinandernahmen.
Serfems stand mit einem weiteren Begleiter wie jenem, der das Wohnhaus mit durchsuchte auf der Veranda. Fassungslos weiteten sich dessen Augen. Er versuchte dem Unheil, mit bloßen Händen, entgegenzutreten, war seine Schwerthand zu nah am Vorbau, um damit wirksam sich zur Wehr zu setzten. Die nahende Klinge fuhr durch Haut, Fleisch und Knochen. Er fühlte nicht einmal den Schmerz. Jede vergehende Sekunde dehnte sich zu Minuten, in welchen er miterlebte, was geschah. Beginnend am kleinen Finger durchtrennte das kalte, geschliffene, stück Stahl vom Handansatz her oberhalb des ersten Gelenks das Glied. Es war ein durchweg glatter Schnitt und endete an der Kuppe des Daumens. Seine Gliedmaßen flogen wie geworfene Dominosteine und winzige pulsierende Springbrunnen seines Blutes spritzten im Takt seines Herzschlages aus den Wunden.
Der Getroffene stand nur einen halben Fuß zu weit von dem Schwertführer entfernt. Das Schwert fuhr somit nicht wie gewollt zur Gänze durch sein Ziel, sondern durchtrennte lediglich etwas mehr als die Hälfte dessen Halses. Ein Schwall Blut schoss einer Fontäne gleich über den Platz, als die Klinge aus ihrem Opfer trat. Hinsichtlich der zuvor eingenommenen Abwehrhaltung wie der geführten Wucht des Hiebes klaffte die verursachte Wunde weiter auf, als ihm der Kopf in den Nacken fiel. Rücklings gesellte sich der Rest seines toten Körpers in dieselbe Richtung.
»Sollen wir dem Bauern helfen?«
Serfem hielt den Blick starr auf den vor ihm liegende sterbliche Hülle. Blut lief dieser aus Fingern und Hals und vereinte sich zu einer Lache. Er trat einen angewiderten Schritt zurück, als sich diese seinem Schuhwerk nährte. »Mhm, aber haltet die Köpfe unten.«
»Du traust ihnen nicht?«
Er sah über seine Schulter hinweg und grunzte mit erhobener Braue amüsiert. »Ihnen schon, aber euren Dickschädeln ...« Er nickte hinüber zu Klarich. »... und dem da, weniger.« Er säuberte seine blutige Klinge an der Hose des Erschlagenen. »Macht schon, bevor er es lustig findet, und bringt das Schwert zurück. Leiser fügte er hinzu: »Es wird noch nicht gebraucht.« Er vermochte kaum auszusprechen, als die Sichel des Bauern endlich tat, wofür sich geschaffen wurde.
Alric trat mit rot besprenkeltem Gesicht und einem entzweigerissenen linken Oberärmel aus dem Tor des Lagers. Er atmete angestrengt und beobachtete seinen Vetter. Begleitet wurde er von einem der Soldaten, der einen der zwei Hunde an einer kurzen Leine hielt. Auch bei diesem war ein milchig weißgrauer Farbtropfen auf der Schulter ersichtlich.