Beförderung:
Die Diener hatten sich in einer langen Reihe aufgestellt. Max und Karo, als die Letzten, die zu der Gruppe gestoßen waren, standen ganz am Ende der Reihe. Samira Hain spazierte die Angestellten ab wie ein Heerführer, der seine Soldaten für die Schlacht auswählte.
Wen sie aufrief, der durfte zum nächsten Hotel. Max war sich nicht sicher, ob er das wollte. Er fühlte sich tatsächlich, als wäre dies einer Einberufung in den Krieg gleichzusetzen.
Nachdenklich fragte er sich, wie er hierher gekommen war. Machte sich bereits jemand Sorgen um ihn? Aber seine Mutter und sein kleiner Bruder waren von dieser Samira gefangen. Er ballte hilflos die Fäuste.
„Eigentlich ist es eine große Ehre, in das nächste Hotel befördert zu werden“, sagte Samira, die ihre Reihe abmarschierte. „Aber zur Zeit haben wir nur wenige Mitarbeiter, die eigentliche Tour ist vorbei und beinahe alle in ihrem wohlverdienten … Urlaub. Deswegen seht es anders: Es ist eine furchtbare Schande, nicht befördert zu werden.“
Max' Mut sank, als Samira zum Anfang der Reihe ging und so gut wie jeden aufrief. Es kam, wie es kommen musste.
„Maximilian. Karolin.“
Sie traten zusammen vor. In Karos Gesicht konnte Max die gleiche Sorge erkennen, die er auch selbst spürte. Fast alle waren aufgerufen worden, nur zwei Menschen blieben. Eines war ein junges Mädchen, das wiederholt Dinge fallen gelassen hatte. Sie war wohl zu ungeschickt. Der dunkelhaarige Mann, der ebenfalls blieb, hatte etwas gefährliches. Wenn das Licht ungünstig fiel, wirkten seine Augen beinahe rot.
Er schien es nicht als Schande zu sehen, zu bleiben, sondern als selbstverständlich.
Der Mann, mit dem Karo sich so gut verstand, trat hinter sie beide.
„Nervös?“
Karo nickte, Max schwieg misstrauisch.
Der Mann, Jason hieß er, soweit Max sich erinnerte, lächelte schief. „Es ist niemals jemand zurück befördert worden. Diese Karriereleiter ist so eine Art Einbahnstraße. Ich weiß nicht, ob das wirklich gut ist.“
„Was weißt du überhaupt?“, fragte Karo beinahe flehentlich. „Was will Samira von uns? Was passiert hier?“
Jason sah sich um, doch Samira war damit beschäftigt, weiter vorne Anweisungen zu erteilen. Max hörte nicht wirklich hin, doch offenbar ging es nun zu einem Hotel namens „Fear“. Es klang nicht sonderlich einladend.
„Das weiß niemand, der erst im ersten Hotel ist“, sagte Jason langsam. „Ich weiß nicht viel mehr als ihr. Aber ich weiß eines: Vor Samira solltet ihr euch in Acht nehmen!“
In dem Fall konnte Max Jason vorbehaltlos zustimmen, obwohl er ihn kaum kannte und unter seltsamen Umständen kennengelernt hatte. Samira war gefährlich. Sie besaß genug Macht, um seine Familie zu entführen, und ebenso die Familien der anderen Angestellten. Sie musste zu einer Art Mafia gehören, anders konnte er es sich nicht erklären.
Gerade jetzt kam sie zu ihnen. „Habt ihr hier hinten alles mitbekommen?“
Ihre kalten Augen musterten Max, Karo und Jason eindringlich, als wüsste Samira, dass sie getuschelt hatten. Max fühlte sich an die strenge Biolehrerin seiner Schulzeit erinnert.
„Tut mir leid“, sagte Jason und nahm zu Max' Erleichterung die Schuld auf sich. „Sie waren schwer zu verstehen.“
„Also nochmal“, seufzte Samira und verzichtete darauf, sie in der Luft zu zerfleischen, wie Max halb gefürchtet hatte. „Ihr werdet gleich in einen Bus verladen. Darin müsst ihr auf jedes Wort der Fahrerin achten. In dem Fall kann sie euch problemlos zum Hotel Fear bringen. Wenn ihr wieder nicht zuhört, dann gnade euch euer Gott!“
Max, Karo und Jason nickten eingeschüchtert. Für den Moment traute Max Samira jede Gräueltat zu.
„Und merkt euch eines“, schärfte sie ihnen ein: „Selbst, wenn ich nicht da bin: Ich höre und sehe alles, was ihr tut. Alles.“
Mit diesen Worten drehte die blonde Frau sich um und rauschte davon. Max fühlte sich mit einem Mal sehr müde.