Im Jahr 2988
„Also, sag schon: Was tust du, wenn wir ausgebildet sind?“, fragt Tobi lächelnd.
Ich sehe auf meine Hände, die einen billigen Becher mit warmer Suppe umschließen.
„Ich werde Kopfgeldjäger, was sonst?“, antworte ich. Es gibt ja kein Zurück mehr für uns.
„Wie, kein Widerstand gegen das unvermeidbare Schicksal?“, fragt Sven.
„Ich bin ja nicht du“, murre ich.
Die Jungs schweigen. Sie wissen, dass man mich besser nicht ärgert, wenn ich wütend bin. Aber sie werfen mir immer wieder verstohlene Blicke zu.
Ich seufze und sage schließlich: „Warum sollte ich Widerstand leisten? Es gibt keine Hoffnung, dass ich wieder ein Mitglied der gefeierten Gesellschaft werde. Und das möchte ich auch nicht!“
Die Jungen zucken mit den Achseln.
„Du bist ein alter Schwarzmaler“, meint Tobi und wirft mir den Weinschlauch zu.
Lars und Sven beginnen mit einem Würfelspiel. Kalle starrt in die Flammen.
„Heute wäre Torbens Todestag“, erklärt Kalle. Vom Wein benebelt sehen wir ihn an: „Heute?“
Kalle nicht ernsthaft: „Ich war da. Ich hätte ihm helfen sollen.“
Tobi setzt sich neben Kalle: „Wir waren alle da. Aber es gab nichts, was wir hätten tun können.“
Kalle nickt und schweigt. Er ist nicht mehr pummelig, seit Torbens Tod hat er extrem abgenommen. Jetzt ist es nicht mehr witzig, ihn als den Reiter Hunger zu bezeichnen.
Tobi klopft Kalle auf den Rücken: „Wir hatten Angst. Es ist nicht unsere Schuld, sondern die der Schweine, die ihn umgebracht haben!“
Garrik hatte uns die Köpfe der Männer gebracht. Für die Rache hatten wir sogar auf die Prämie verzichtet, die es diesmal nur für die lebendigen Männer gab.
Aber das bringt uns Torben auch nicht zurück.
Lars und Sven schwanken unsicher zu uns. Ich registriere am Rande meines Bewusstseins, dass sie einander an der Hand halten. Wenn es ihnen irgendwie hilft, meinetwegen.
„Da draußen gibt es noch mehr solche Schweine“, gibt Kalle von sich: „Und sie werden weiter morden.“
Tobi schnaubt: „Dann halten wir sie davon ab, was sagt ihr? Wir werden Kopfgeldjäger, und wir werden jeden verdammten Verbrecher auf dieser Welt fangen und ausliefern. Wir machen die Welt zu einem besseren Ort.“
Mit erhobenen Krügen stimmen sie ihm zu. Ich gebe ein ungeduldiges Knurren von mir: „Wie willst du das schaffen, Tobi?“
Der Junge sieht mich mit blitzenden Augen an: „Indem ich es versuche!“, zischt er mir entgegen: „Wenn wir es nicht versuchen, wer dann?“
„Und wofür?“, frage ich.
„Für die Generationen nach uns!“, sagt Tobi, als wäre es selbstverständlich: „Damit einmal Jungen wie wir nicht das Gleiche erleben müssen.“
Ich nehme einen großen Schluck von dem Whiskey.
„Es wird keine Generation nach uns mehr geben“, sage ich ruhig.
Die vier Jungen sehen mich an: „Was?“
„Wir sind die letzte Generation der Menschen, die es geben wird“, erkläre ich ihnen: „Nach uns kommt die Apokalypse. Ich habe es gesehen. Die Welt geht bald unter – wofür sollen wir noch kämpfen?“
Schweigen senkt sich über die Jungen.
„Bist du sonne Art Prophet?“, fragt Lars wütend: „Oder warum musst du hier rumstänkern?“
„Ich weiß nicht, was ich bin“, sage ich ehrlich: „Aber ich habe es gesehen. Ich träume davon, jede Nacht. Die Welt geht bald unter.“
Wieder trinke ich einen großen Schluck. Die anderen tauschen Blicke.
„Dann sorgen wir wenigstens dafür, dass die Apokalypse eine Welt vernichtet, die man auch vermissen wird“, sagt Tobi dann: „Nur, weil alles vergebens sein wird, müssen wir nicht aufgeben.“
Wir sehen ihn an. Er guckt in die Runde: „Wir werden kämpfen. Egal, was kommt. Wir müssen einfach tun, was in unserer Macht steht.“
In diesem Moment habe ich tatsächlich das Gefühl, ein bisschen Licht im Dunkel zu sehen.