Auf Hawaii kennt man ein Vergebungsritual, welches mich immer wieder begeistert. Mit ihm könnten wir viele Probleme, mit denen wir uns heute auf der ganzen Welt konfrontiert sehen, lösen.
Doch lasst mich kurz ausholen.
Dr. Hew Len, ein Psychiater aus Honolulu, wurde im staatlichen Gefängnis angestellt, sich auf der geschlossenen Abteilung mit den psychisch kranken, gewalttätigen Insassen auseinanderzusetzen. Sie alle hatten eine beachtliche Liste von noch beachtlicheren kriminellen Tätigkeiten vorzuweisen. Dr. Len war der letzte von unzähligen Psychiatern, den man hier einstellen musste. Vor ihm hatten sich nicht nur seine Arbeitskollegen, sondern auch das Personal, welches die Häftlinge betreute, die Klinke in die Hand gegeben. Es wird berichtet, dass sich die Betreuer den Wänden entlang bewegten, um Schlägen auszuweichen.
Dr. Len bezog sein Arbeitszimmer und liess sich die Dossiers der Häftlinge geben. Zur Verwunderung seiner Mitarbeiter sass er stundenlang über die Dokumente gebeugt, wollte aber kaum je einen Häftling zu einem persönlichen Gespräch empfangen.
Nach einer Weile begann sich die Atmosphäre in der Abteilung zu verändern. Unmerklich zuerst, aber dann immer offensichtlicher, begann sie sich zu entspannen. Die Betreuer brauchten nicht mehr angstvoll durch die Gänge zu gehen aus Angst, niedergeschlagen zu werden. Echte Kontakte zwischen Personal und Häftlingen begannen sich zu bilden. Sie fingen an, miteinander zu kochen und zu essen und immer mehr entwickelte sich ein "normaler" Alltag, der beide Seiten bereicherte.
Um es kurz zu machen: Von den 34 Häftlingen, die man ursprünglich auf Lebenszeit verwahrt hatte, konnten nach zwei Jahren 32 geheilt entlassen werden. Die Abteilung wurde geschlossen.
Was machte Dr. Len anders als seine Vorgänger?
Er wandte ho'oponopono an, ein uraltes, hawaiianisches Vergebungsritual.
Nach hawaiianischem Verständnis ist alles mit allem verbunden. Wie mit feinen, unsichtbaren Schnüren (auf Hawaii nennt man sie "Akaschnüre") sind wir alle miteinander verwoben. Wenn ich nun etwas denke oder tue, ist es, als würde ich eine solche Akaschnur leicht berühren oder gar in Schwingung versetzen. Mein Impuls geht hinaus in die Welt. "Ich" bin nie ausserhalb dieses Gefüges, genauso wenig wie ein "du", "er" oder "sie" ausserhalb sein kann. Natürlich sind wir niemals mit allen andern Wesen gleich intensiv verbunden, trotzdem aber gehören wir alle zusammen und bilden ein zwar unsichtbares, aber weltweites, feines Netz.
Wenn ich nun in mir einen Schatten betrachte, dafür die Verantwortung übernehme und ihn durch Verzeihen heile, berühre und verändere ich diese Akaschnur. Deshalb heile ich nie nur mich selbst. Die Heilung geht sozusagen "ins Netz" , in meine Umgebung, in die äussere Welt.
Während nun also Dr. Len über den Dossiers der Häftlinge sass, spürte er so ehrlich wie möglich in SICH SELBST nach, wo er eine Resonanz zu deren Handeln spürte. Denn wir alle haben in uns tiefe Schichten und Abgründe, deren wir uns oft gar nicht bewusst sind. Für diese Anteile, die er BEI SICH fand, übernahm ER die Verantwortung und verzieh - sich selbst und der betreffenden Person.
Er schaute also hin.
Er übernahm die Verantwortung.
Dann heilte er SEINEN Anteil, indem er verzieh.
Damit durften auch die erwähnten Häftlinge gesunden.
Ho'oponopono wird nicht nur wie im oben genannten Fall von Schwerbrechern angewendet, sondern auch bei Krankheit und allen Problemen, die in menschlichen Gemeinschaften auftreten.
Um die Schattenanteile zu heilen, verwendet man in diesem Versöhnungsritual vier an sich einfache Sätze. Sie lesen sich aber leichter, als sie sind, denn sie bedingen Ehrlichkeit und Offenheit:
ES TUT MIR LEID.
BITTE VERGIB MIR.
ICH LIEBE DICH.
ICH DANKE DIR.
Dr. Len sagt, dass diese Sätze eine ausserordentlich reinigende Kraft haben. Wir können damit uns selbst reinigen, unser Essen, einen Raum, eine Situation - einfach alles.
Mir ist aus eigener Erfahrung bewusst, dass dies ein Weg ist. Ein Weg, für welchen es bisweilen Mut braucht; Mut, Kraft und Ausdauer. Er erfordert Ehrlichkeit und die Bereitschaft, aus alten Denkmustern auszubrechen.
Was ich aber auch aus eigener Erfahrung weiß: Auf diesem Weg können wahre Wunder geschehen! Dinge, die ich nie für möglich gehalten hätte!
Wenn ich deshalb im privaten Leben manchmal nicht mehr weiter weiss oder mich leicht verzweifelt auf der Welt umsehe und mich frage, wohin das alles noch führen soll, komme ich immer wieder zum selben Schluss:
ES TUT MIR LEID.
BITTE VERGIB MIR.
ICH LIEBE DICH.
ICH DANKE DIR.