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Im Frühstücksraum:
„Wir machen die Hell-Hopping-Tour!“, erklärte der schlanke Junge aufgeregt der betagten Dame am Tisch neben ihm.
„Hell-Hopping?“, wiederholte die Frau, auf dem ungewohnten Neologismus kauend wie auf einem zähen Schinkenstreifen: „Das klingt sehr … düster.“ Und albern, hätte sie gerne hinzugefügt. Aber obwohl der Junge sie ungefragt angesprochen hatte, hielt sie an ihrer Höflichkeit fest.
„Ja!“, freute sich der Jugendliche und seine hellen Augen leuchteten noch ein bisschen heller: „Das ist die Horrortour! Einmal quer durchs Land, heruntergekommene Motels, einsame Gasthäuser, uralte Schlossruinen, einfach der Hammer!“
„Na, ich weiß nicht“, zweifelte die Dame und rührte in ihrem Tee. Aus dem Augenwinkel schielte sie kurzsichtig, ob sich nicht noch ein anderer freier Platz finden ließ.
„Wir kommen in 13 Hotels, und es ist sehr viel billiger als eine öde Rundreise. Außerdem gibt’s diesen Bildungskram, klassische Horrorbücher und so. Und Sport, Sehenswürdigkeiten“, festigte der Junge seinen Entschluss: „Den ganzen Kram halt, den man auch mit der Schule machen würde, nur in unheimlich.“ Die alte Frau musterte ihn besorgt.
Er war dürr, mit struppigem, braunschwarzem Haar und bleicher Haut. Seine Augen waren ungewöhnlich blass, mehr weiß als blau, und sie hatten einen fiebrigen Ausdruck, der besorgniserregend erschien. Seine Kleidung war ihm zu groß, ein wenig heruntergekommen, so als würde er die Sachen seiner größeren Brüder auftragen. Auf dem Teller vor dem Jungen türmten sich süße Teilchen und Spiegelei vom Buffet.
„Du scheinst deinen Urlaub ja zu genießen“, sagte die alte Dame freundlich und konnte den Blick nicht von der Masse an Essen abwenden: „Bist du alleine hier?“
„Nein“, der Junge schüttelte den Kopf. Im Sprechen steckte er sich ein kleines Kuchenstück in den Mund und redete kauend weiter: „Ich bin mit vier Freunden hier – nur ich bin derjenige, der am frühesten beim Buffet ist. Ich halte ihnen die Plätze frei.“
Die alte Frau witterte ihre Chance: „Dann sollte ich besser Platz machen, oder?“, fragte sie und griff nach ihrem Tablett.
Der Junge winkte ab: „Sind ja noch vier Plätze frei. Außerdem wird meine eine Freundin eh noch fünf Stunden im Bad brauchen. Sie dürfen gerne sitzen bleiben.“
Die Frau unterdrückte einen Seufzer und fragte lieber: „Ist das hier das erste Hotel von dieser Hopping-Tour?“
Der Junge nickte erneut. Er trug eine Brille, die seine Augen noch größer wirken ließ, und die tiefen Ringe darunter betonte. Er erinnerte die Frau mehr und mehr an einen hageren Geier.
„Hotel Cecilia – heute ist der erste Tag! Wir haben uns aber schon eine Nacht früher einquartiert. Morgens geht’s schon weiter, zu irgendeinem alten Haus an der Küste. Wir werden sogar in einer Burg schlafen, ein paar Stationen klingen richtig episch!“
Langsam sah der Junge sich in dem überfüllten Frühstücksraum um: „Bisher ist es noch nicht sehr spannend“, stellte er traurig fest.
„Ist doch gemütlich“, verteidigte die Frau ihr Lieblingshotel.
Der Junge zuckte mit den Schultern: „Langweilig. Wir haben eine Abenteuertour geplant, die uns auf Halloween vorbereitet. Nicht dieses lahme Veranstaltung hier!“
Wütend stopfte sich der Junge ein weiteres Kuchenstück in den Mund. Fünf oder sechs waren bereits auf diese Weise verschwunden. Die Dame fragte sich, wo die Kuchen blieben, denn zwischen den Rippen schien kaum genug Platz dafür zu sein.
„Oh, da sind die anderen!“, sagte der Junge, sprang auf und winkte vier Gestalten, die schwätzend in den Raum kamen. Kuchenkrümel verteilten sich über den Tisch.
Noch mehr von der Sorte! Die alte Frau trank hastig ihren Tee aus, ohne darauf zu achten, dass sie sich die Lippen verbrannte. Dann schnappte sie sich ihr Tablett.
„Hey, Luc! Quälst du wieder unschuldige Zivilisten mit deinem Gelaber?“, wurde der Junge begrüßt.
„Oh, kein Problem, ich muss jetzt aber gehen!“, sagte die Frau, ihr Tablett wie schützend zwischen sich und die Kinder gehalten: „Ich hoffe, eure Tour wird spannend“
Insgeheim wünschte sie den Jugendlichen einen ordentlichen Schock, der die fünf wieder auf den Boden der Tatsachen holen würde. Hell-Hopping, was für ein Unsinn! Hatte die Jugend von heute nichts besseres zu tun? In dem Alter hatte sie Tag und Nacht für die Uni lernen müssen, für Urlaub war da keine Zeit gewesen.
Die vier, die sich nun zu Luca an den Tisch setzen, hatten im Moment keine Sorgen mit Universitäten oder Jobsuche. Oder eher: Sie waren gut darin, diese Probleme zu verdrängen, solange sie untereinander waren. Das Ganze funktionierte durch eine geheimnisvolle Kraft, die sich Freundschaft nannte.
Evelyn, blondiert und geschminkt, warf einen angewiderten Blick auf Lucas überfüllten Teller und ließ sich schweigend ihm gegenüber nieder. Milo war nicht ganz so höflich und sagte: "Luca, pass auf, dass du nicht verhungerst!"
Bis auf Luca lachten alle, der Angesprochene zeigte jedoch nur ein säuerliches Lächeln: "Ihr seid nur neidisch, weil ihr immer auf eure Figur achten müsst!"
Liam überging das Gestichel: "Hey, Leute, ich spiel heute mal euren Bringroboter! Wer will was zum Frühstück?"
"Salat", kam es von Evelyn.
"Ich will was vom Englischen Frühstück - aber keine Pilze!", sagte Milo, der inzwischen neben Evelyn saß und einen Arm um ihre Schulter gelegt hatte.
"Und keine Würstchen!", fügte Evelyn streng hinzu.
"Zwei!"
"Eines!"
"Okay, ein Würstchen", einigten sie sich.
"Für mich einfach nur zwei Brötchen, Käse und Marmelade", sagte Amy, stellte eine Tasche neben ihrem Stuhl ab und bot an: "Soll ich dir helfen?"
"Hey! Für mich noch ein Brötchen mit Nutella!", schrie Luca.
"Nein danke", sagte Liam zu Amy und dann streng "Du bekommst nichts mehr!" zu Luca.
Beleidigt knüllte Luca eine Serviette zusammen und warf sie Liam an den Kopf. Der knurrte wortlos, bückte sich und pfefferte das Geschoss zurück: „Nimm dies, Klingon!“
"Jungs, Jungs!", unterbrach Amy, bevor der Streit ausarten konnte: "Friede. Die Tour hat ja noch nicht mal angefangen!"
Nach dem Frühstück streckte sich Milo wie eine Katze: "Und jetzt?"
Amy zog einen kleinen Zettel aus ihrer Tasche, der eng beschrieben war und sah danach auf ihre Armbanduhr: "Wir haben noch eine Stunde Zeit."
"Bäh, warum mussten wir auch so früh aufstehen?", jammerte Luca.
"Ich will in die Lesung!", erwiderte Amy und warf dem Schwarzhaarigen einen herausfordernden Blick aus ihren grünen Augen zu.
Milo schlug mit der Hand auf den Tisch und wiederholte ein bisschen drängender: "Freunde, was machen wir?"
"Wir könnten die Lage scannen - uns mit dem Schlachtfeld vertraut machen und so", schlug Liam vor.
"Ja!", rief Luca, der sofort Feuer und Flamme war: "Wir suchen uns gute Verstecke, dann können wir nachher die Monster erschrecken!"
Evelyn verdrehte die Augen: "Wir sind hier alle 18!"
Milo nahm seine Freundin bei der Hand und zog sie hoch: "Für heute nicht! Bis Halloween sind wir wieder so jung, wie wir sein wollen!"