Am gleichen Tag
Fenia vertraut mir. Und ich sauge ihre Kraft durch ihren Mund heraus. Sie wehrt sich gegen meine Umarmung, als sie es bemerkt. Ich bin stärker, viel stärker. Meinem Todeskuss kann sie nicht entkommen.
Meine Macht dringt in sie ein, an ihren Schilden vorbei, die sie zu spät wieder aufzieht. Ich fasse sie am Hals und schiebe dann den Arm von mir, bis sie an meiner Hand hängt, eine Fußlänge über dem Boden mit den Beinen zappelnd. Ihr Geschmack ist noch auf meinen Lippen. Süß. Lilie und Kirsche.
„Aiden! Nein!“, röchelt Fenia an meinem Griff um ihren Hals vorbei. In ihrem Inneren wird ihre Magie von meiner Macht umklammert und festgehalten. Sie kann nichts tun, kein Feuer rufen, sich nicht schützen. Jedes Aufbäumen von Energie kämpfe ich nieder.
Ich lächele sie an, wie sie mit beiden Händen meinen Arm umfasst, um atmen zu können.
„Du hast einen schweren Fehler gemacht, Fenia“, sagte ich ihr.
Ich wirbele sie herum und ziehe sie zu mir, bis ihr Rücken an meinen Bauch gepresst ist. Von hinten umklammere ich mit einer Hand noch ihren Hals und drücke ihren Kopf zur Seite. Mit der anderen Hand halte ich ihre Arme fest. Ich tauche mein Gesicht in ihre Haare. Sie ist nur zwei Jahre älter als ich, einen Kopf kleiner und so viel dünner und schwächer.
Ich atme ihren Geruch ein.
„Du wirst mein Opfer, Fenia. Dein Blut wird mich stärker machen, als ich es je war.“
Sie wehrt sich verzweifelt gegen meinen Griff: „Aiden, nein! Tu das nicht!“
Ich drehe sie herum und fasse ihre Schultern. Sie muss mir in die Augen sehen. Ihre Augen sind weit aufgerissen.
„Und warum nicht, Fenia? Warum sollte ich es nicht tun?“
Sie streckt die Hände aus und umklammert meine Unterarme. Beschwörend sieht sie mich an: „Du verlierst deine Seele! Deine Menschlichkeit! Aiden, das kannst du nicht wollen! Du wirst zu einem Monster werden. Ich flehe dich an –“
„Das merke ich“, unterbreche ich sie grob. Ich mache einen Schritt auf sie zu und zerre ihren Kopf an den Haaren in den Nacken. Sie schreit auf. Ich küsse ihren Hals, dann ihren Mund. Ziehe ihr weitere Kraft ab, bis ihre Beine nachzugeben drohen.
„Ich höre nicht auf dich“, flüstere ich heiser, als ich meinen Mund von ihren Lippen löse. Fenia klammert sich an meine Schulter, um nicht zu fallen. Ihr Blick ist getrübt, als sie mich ansieht.
„Bitte … Aiden …“ Sie ist schwach. Ich kann deutlich spüren, dass ihr inneres Feuer zu einem kleinen Flämmchen verkümmert ist. Spielend leicht hebe ich sie auf meine Arme. Fenia kann sich nicht wehren. Sie ist schwach wie ein Kind. Ihr Kopf ruht an meiner Brust.
Sie versucht, sich von mir abzudrücken. Ein schwacher Fluchtversuch. Ich kämpfe ihren Widerstand ohne Aufwand nieder. Sie zittert.
„Ich kann dir helfen“, flüstert sie schwach: „Ich hätte viel früher da sein müssen … verzeih mir.“
Ihre Augen flattern und fallen zu. Sie liegt in meinem Arm. Das Feuer tobt um uns herum.
Ich sehe zum Himmel. Ein heller Mond steht zwischen den dunklen Rauchwolken. Doch er ist noch nicht ganz voll. Ein dünner Streifen fehlt noch.
Draco meinte, ich sollte das Ritual am besten bei Vollmond vollziehen. Dazu muss ich ein wenig warten. Ein bisschen mehr als einen Tag.
Ich trage Fenia durch das ausgebrannte Gebäude des Hauptbahnhofes. Und von dort aus durch eine Wartungsluke auf das Dach. Unter dem Sternenhimmel setzte ich mich und bette Fenia auf meinen Schoß. Mit Kabelbindern fessele ich ihre Hände. Ihr Kopf ruht auf meinen Beinen. Ich streiche ihr behutsam durch die Haare, bis sie ordentlich um ihren Kopf liegen.
„Gute Nacht, mein Feuerengel“, flüstere ich, wie gebannt von dem Licht des Feuers auf ihrer glatten Haut.
„Wenn du aufwachst, werde ich dich töten. Schlaf, mein Engel, schlaf ein.“