16. Februar
Fenias Spur war leicht zu verfolgen, nachdem ich sie einmal gefunden hatte. Als die Stadt explodierte, hat Fenia sich geschützt. Ich fand die Stelle, wo nicht alles verbrannt und dem Erdboden gleich gemacht war.
Dann folgte ich ihren Spuren durch die Asche. Fenia war erschöpft. Sie stolperte vorwärts, kroch streckenweise. Doch sie hatte einen Vorsprung. Ich bin ihr jetzt zwei Tage lang gefolgt. Aus der Stadt heraus und in die Wildnis. Fenia hat jede menschliche Siedlung vermieden, sie wusste, dass ich ihr folge.
Ich habe Umwege gemacht, wenn ein Dorf in der Nähe war. Ich nehme die Wärme der Menschen aus zwei Kilometern Entfernung wahr. Wenn ich sie gefunden habe, nehme ich ihre Energie, bis sie zu meinen Füßen sterben. Sogar die Tiere, die mir begegnen, töte ich, auch wenn es Mäuse und Vögel sind, die mir nicht viel Kraft bringen.
Wenn ich Fenia erwische, will ich so stark sein, wie ich nur sein kann.
Ich spüre, dass ich ihr näher komme. Ich kann ihre Energie vor mir spüren, ein Leuchtfeuer, wenn man die Sinne dafür hat. Ich spüre sogar, wie müde, erschöpft und verzweifelt sie ist. Ich kann sie spüren, als stünde ich neben ihr. Das kann kein Zufall sein: Sie ist für mich bestimmt, wir sind eins. Bei keinem anderen Menschen hatte ich so sehr das Gefühl, dass ich ihn kenne.
Es sind nur noch ein paar Meter, die ich gehen muss.
Der Vollmond ist um. Dafür wird Fenia büßen. Ich werde ihre Kraft trotzdem aufnehmen und sie töten. Ohne den Vollmond ist der Effekt nicht so stark, sagt Draco. Aber ich werde nicht nochmals das Risiko eingehen, dass sie entkommt.
Es sind jetzt nur noch wenige hundert Meter. Ich kann zwischen den Bäumen einen Lichtschein sehen. Er scheint von einer Fackel zu stammen.
Das macht mich stutzig. Hat Fenia am Ende doch einen Plan? Ich gehe langsamer, durch die Schatten, leise wie der Tod.
Vielleicht weiß Fenia, dass ich komme, wie eine Gazelle den Tiger riecht. Sie kann nicht entkommen. Sie läuft nicht mehr.
Fenia steht auf einer Lichtung. Neben sich hat sie ein großes Lagerfeuer gebaut. Sie hat einen trockenen Ast wie eine Fackel in der Hand und trägt noch immer das weiße Kleid, das jetzt zerrissen und schmutzig ist. Der Feuerschein muss sich in meinen Augen spiegeln. Sie sieht mich direkt an.
„Komm nicht näher!“, ruft sie. Ihre Stimme zittert. „Wenn du kommst, brenne ich den Wald an!“
Ich lache heiser: „Und warum sollte mir das Angst machen, Fenia?“
Sie sieht mich an: „Weil ich den Waldbrand vor deiner Macht schützen kann. Es wird eine Quelle der Macht, auf die du nicht zugreifen kannst. Egal, wie viele Menschen du unterwegs getötet hast – der größte Teil deiner Macht ist aufgebraucht. Einem Waldbrand hättest du nichts entgegen zu setzen. Ich wäre stärker als du, um ein Vielfaches. Bleib stehen, Aiden, oder ich töte dich.“
Ich halte tatsächlich an und untersuche das Feuer mit meinem Blick und meinem Bewusstsein.
Sie hat recht. Das Feuer ist außerhalb meiner Reichweite, wie es auch die Kinder im Waisenhaus waren.
Fenia sieht meinen Blick und lächelt für einen Moment. Dann kehrt das Mitleid in ihren Blick zurück. Was für eine Schwäche!
„Warum tötest du mich nicht direkt?“, frage ich. Einige Geheimnisse hat Fenia nun doch vor mir.
„Ich wollte dich retten, Aiden. Und das will ich immer noch.“
Ich schnaube: „Ich will nicht gerettet werden. Mir geht es gut, besser als je zuvor.“
„Ich weiß, du verstehst nicht, wie schlimm deine Taten sind“, sagt Fenia leise.
Ich knurre. Ich verstehe genug, ich muss nicht mehr wissen!
„Du kannst noch aufhören, Aiden. Du musst das Feuer nicht aufgeben, aber gib den Weg auf, den du gewählt hast.“
Ich mache vorsichtig einen Schritt auf die Lichtung. Fenia beobachtet mich. Sie hebt die Fackel in ihrer Hand, bereit, diese in den Wald zu schleudern. Aber sie schreckt davor zurück.
Skrupel. Noch so eine menschliche Angewohnheit, die uns davon abhält, wahre Größe zu erreichen. Aber Fenia ist verzweifelt genug, um zu drastischen Maßnahmen zu greifen. Ich kann mich ihr nicht nähern. Und so kann ich sie nicht überwältigen.
„Aiden. Ich bitte dich. Ich will dir helfen.“