17. Februar
Wir werden nicht müde. Das Feuer gibt uns beiden Kraft. Ich zehre von meinen Vorräten, Fenia läuft mit der Macht des Waldbrandes.
Der Mond steht am Himmel. Sterne scheinen zu fallen, während Rauch aufsteigt. Fenia flieht, ich folge ihr.
Im weißen Kleid sehe ich sie vor mir, wie sie durch die schwarzen Baumstämme rennt und über trockene Äste springt. Das Feuer tost und brüllt. Meine Jacke weht hinter mir wie Rabenflügel. Ich hetze hinter Fenia her. Wir rennen beide um ein Leben – um Fenias Leben. Wer auch immer gewinnt, wird das Leben erhalten.
Fenia ist flink. Ich bin verbissen. Das Feuer scheint uns einzukreisen. Es folgt uns, begleitet uns. Fenia läuft tiefer und tiefer in die Wälder. Sie ist ein weißes Gespenst vor mir.
Sie ist schnell, doch sie läuft nicht. Sie tanzt. Ihre Bewegungen sind elegant und fließend. Das Feuer tanzt mit ihr. Das ist ihre Macht, die gute Seite des Feuers. Wenn sie tanzt, schenkt das Feuer ihr seine Energie. Ich muss mir die Macht erst gewaltsam nehmen.
Ich lasse sie nicht aus den Augen. Fenia wird ewig rennen können, doch ich habe nicht vor, die Jagd noch länger dauern zu lassen. Wie lange ich ihr schon folge, weiß ich nicht. Stunden. Es ist noch die gleiche Nacht, aber sicherlich ein neuer Tag.
Der Wald ist riesig. Wenn die Sonne aufgeht, wird er nur noch Asche sein.
Ich hole auf. Schritt für Schritt komme ich näher. Fenia dreht sich nicht um, doch ich bin sicher, dass sie es weiß.
Feuer tanzt um Fenia. Hohe Flammenwellen, tosende Geysire. Flammen tanzen über ihre Arme, umhüllen sie wie ein Liebhaber. Fenia hat die Augen geschlossen. Sie hört und sieht alles innerhalb des Waldbrandes.
Sie sammelt neue Macht. Ich kann nicht zulassen, dass sie zu stark wird. Ich hasse mich selbst dafür, dass ich sie habe rennen lassen.
Um einen Baum, dann über einen Strauch. Ich bin schnell und wütend. Fenia wird mir nicht entkommen. Diese Demütigung lasse ich nicht zu.
Meine Augen brennen.
Fenia hält an. Sie hat eine Lichtung erreicht. Vielleicht ist es auch die alte Lichtung. Sie dreht sich um, erwartet mich.
Hält sie sich für stark genug? Oder gibt sie auf? Ich nähere mich, langsamer. Feuer ist auf meinen Armen. Ich habe meine Macht bereit. Keine Schutzschilde, nur Angriffe. Und wenn ich auch sterbe – Fenia wird mit mir kommen!
Sie keucht. Feuer umgibt sie. Immer noch ist sie wunderschön. Ich trete auf die Lichtung, Schritt für Schritt.
Fenia hebt die Hand, um anzugreifen. Ich sehe die pulsierende Energie an ihrer Hand. Furchtlos gehe ich weiter.
„Tu es doch“, flüstere ich. „Los, mach schon. Töte mich. Ich bin das Feuer. Ich komme zurück.“
Fenia weint. Sie senkt die Hand.
Sie kann mich nicht angreifen. Ich habe sie richtig eingeschätzt.
Ohne Eile gehe ich zu ihr. Vor ihr bleibe ich stehen.
„Warum rennst du, Fenia?“, frage ich: „Dem Tod kann man nicht davon rennen.“
„Aiden. Es gibt eine Welt, von der du nichts weißt. Es gibt Schönheit. Und Gnade. Willst du wirklich sterben, ohne Liebe und Freundschaft zu erfahren?“, schon wieder redet Fenia.
„Soll das eine Drohung sein?“, frage ich düster.
Fenia schüttelt den Kopf: „Eine Warnung. Wenn du das tust, gibt es kein Zurück mehr.“
Sie senkt die Arme: „Ich werde dir nichts tun, Aiden. Ich wehre mich nicht.“
Ich zücke den Dolch und setze ihn ihr an die Kehle. Fenia sieht mich an. Sie macht wirklich keine Anstalten, sich zu wehren.
„Ich kann nicht weglaufen“, flüstert sie leise. „Ich kann dir nicht wehtun. Ich kann nicht gegen dich kämpfen und ich will nicht zusehen müssen, wie ein Monster aus dir wird. Wenn das dein Weg ist, dann töte mich.“
Ich sehe sie an: „Ich habe keine Wahl. Du hast mich an diesen dunklen Ort verbannt. Mich – und auch andere.“
Fenia sieht auf: „Andere? Von wem redest du, Aiden? Was für ein dunkler Ort?“
Ich sehe in ihre Augen. Jetzt leugnet sie es?
„Als du mich im Waisenhaus besiegt hast. Da hast du mich in die Hölle gestoßen. Und dort habe ich Draco gefunden.“
„Draco?“
„Draco. Daemon. Wie auch immer sein richtiger Name ist.“
Jetzt fasst Fenia meinen Arm: „Aiden! Ich habe dich nicht in die Hölle gestoßen.“
„Was denn?“, frage ich grimmig: „Wenn das nicht die Hölle war, dunkel, voller Feuer und mit dem schwarzen Herz in Eis in der Mitte, mit der verlorenen Seele von Daemon darin, was war es dann?“