"Hilfe, Idee entlaufen! Wer sie sieht oder Hinweise zu ihrer Ergreifung hat, bitte melden!"
Mit dieser einfachen Meldung im Chat begann das Drama der Autorin. Autor = Urheber. Wie kann sich die Idee bloß wieder verstecken? Eigentlich unverschämt, gemein, rücksichtslos, fand die Autorin.
Hoffentlich helfen mir die anderen, sie wieder einzufangen.
Mit diesem Gedanken machte sie sich zunächst an ihre üblichen Ablenkungs, Prokrastinations- und Kreativmanöver: Kaffee kochen, Hund streicheln, Kekse backen.
Doch die Idee meldete sich nicht.
Mist!
Langsam fing die Autorin in spe an, nervös zu werden. Sie schaute in alle Winkel ihrer Wohnung. Fand aber nichts, das sie lieber machen wollte. Schade. Etwas richtig tolles tun, das ist eigentlich die Übung schlechthin, um Ideen auf Egotripp anzulocken. Das können sie nämlich gar nicht haben: Dass sich ihr Autor genüsslich mit etwas anderem zurückzieht. Nein, die gemeinen Biester wollen nichts weiter, als eine überproportional große Menge Aufmerksamkeit. Nicht einfach ankommen, aufschreiben, glücklich sein. Wie es sich für ordentliche Ideen eigentlich gehört (findet zumindest die Autorin). Nein, stattdessen muss es großes Tamtam, viel Seufzen und Bangen sein, ob die Idee wohl auch wirklich in ihrer ursprünglichen strahlenden Schönheit in die Finger springt, auf dass sie aufgeschrieben und präsentiert werden kann.
"Pfft!" Frustig schaute sich die Autorin um. Ohne Geschriebenes ist eine Autorin nichts weiter als ein gewöhnlicher Mensch. Die Idee kann ja ohne weiteres zu einem anderen Menschen wandern und ihn zum unsterblich brillanten Autor machen.
Mist, dachte die Autorin und sah im Geiste, wie jemand anderes in 30 Jahren den Nobelpreis für ihre Idee bekommt. Na warte, dir werd ichs zeigen, Idee.
Die Idee ihrerseits blieb völlig ungerührt und hockte vermutlich irgendwo voller Schadenfreude und trank mit anderen Ideen heißen Kakao und lachte sich eins.
Schokolade, ja, das wärs. Aber die war nicht im Haus. Und außer Haus gehen? Bei dem Sturm draußen? Da würd ja nicht mal der Hund mitkommen.
Schiet! Dabei wäre ein ausgedehnter Spaziergang genau das richtige, um das Gehirn durchzupusten und eventuell Platz zu machen für die Rückkehr der Idee. Ist eigentlich eine der liebsten Kreativkurbeln, die die Autorin sonst nutzt. Pah, nicht für diese hinterlistige Idee.
Mal einfach sich ein bisschen im Chat bedauern lassen, dachte die Autorin. Tja, der Hund jammerte so ausführlich mit ihr, dass sie sich nicht lange trösten lassen konnte. Die Idee, sich einer Gedicht-Challenge zu stellen, fand sie zwar verlockend, hatte aber zu viel Angst, beim Dichten endgültig den Draht zu ihrer Superidee zu verlieren, die in Erinnerung - also ohne Erinnerung, aber in Gedanken - immer großartiger wurde.
Ein Blick ins Adoptionsbüro zeigte, dass es zwar ziemlich interessante herren- und frauenlose Ideen gibt, aber ihre eigene nicht darunter war.
Hm.
Nun fing das bange Grübeln und Warten an.
Da wurde ihr eine Glühbirne gereicht. Sehr passend. Danke. Sind nämlich schon zwei von dreien in meinem Zimmer durchgebrannt und harren auf der Prokrastinationsliste ihrer Erlösung.
Nur die gesuchte Idee, die versteckte sich immer noch.
Tja, soweit die Livereportage aus einem unglücklichen Autorinnenhaushalt.
Sobald sie sich wieder anfindet, werdet ihr das leider wahrscheinlich auch nicht erfahren. Schon allein aus Schutzgründen. Das einzig Unklare dabei ist, wer damit geschützt werden soll: Die Leser vor Lesehinweisen seitens der Autorin. Die Idee vor autorensolidarischen Ermahnungen. Oder die Autorin, vor Bemerkungen, also sooooooo brillant war die Idee doch gar nicht. Und dafür machst du so einen Wind?