7. Dezember
Shiriki stolpert kurzatmig durch den verschneiten Wald. Es ist ein Sturm aufgekommen, der ihm die Sicht verdeckt. Er taumelt blind vorwärts und merkt nicht, dass ihn der Wind direkt zu mir zurück treibt.
Es ist erstaunlich leicht, den Schnee zu kontrollieren. Ich spüre nichts, keine Wut, keinen Hass. Ich weiß, das Shiriki sterben muss. Aber mein Herz ist kalt wie der Schnee.
Wenn ich nicht von Gefühlen geleitet werde, bin ich mächtiger. Shiriki rennt jetzt direkt auf mich zu. Ich gehe ihm entgegen. Um meine Hände sammelt sich Eis. Es ist eine Macht, die ich nie gekannt habe. Ich fühle mich unbesiegbar. Unsterblich.
Ich bin der Winter. Ich bin der Schnee. Ich bin der Tod.
Jedenfalls für Shiriki. Er ist nicht mehr weit entfernt. Ich sehe ihn zwar nicht, aber ich spüre in der Kälte, wo sein winziges Feuer der Lebendigkeit leuchtet.
Kälte ist pure Stärke. Ich hole aus und warte auf Shiriki, der direkt in meinen Schlag hinein rennt. Ich gebe ihm nur die Gelegenheit, mich zu erkennen, dann treffe ich ihn so hart, dass er auf den Boden fällt.
Ich knie mich über ihn. Aus dem Boden schießt Eis und umklammert seine Arme und Beine. Panisch zerrt er an seinen Fesseln. Ich beuge mich zu seinem Gesicht herunter: „Danke, Shiriki.“
Er erstarrt: „Danke? Wofür, zur Hölle?“
Ich lächele breit: „Du hast mich zu dem gemacht, was ich bin. Zur Schneekönigin. Wärst du nicht gewesen, ich hätte dieses Geschenk niemals erhalten.“
„Ich dachte, du wärst nur eine Freundin des Schnees!“, ruft Shiriki. Trotz seiner Angst kann er noch klar denken. Bewundernswert.
„Ich war seine Freundin, bevor du mich zum zweiten Mal verraten hast“, flüstere ich ihm zu. Mein Atem streicht über sein Gesicht, hinterlässt Frost: „Du hast mich gelehrt, nicht auf meine Gefühle zu hören. Du hast mich stark gemacht.“
Shiriki zittert. Nicht nur vor Kälte. Langsam öffne ich seine Jacke und entblöße den Pullover darunter.
„Ich würde dir ja anbieten, mein Diener zu sein“, sage ich im Plauderton. „Oder wenigstens mein Hund. Aber ein Kojote ist so dreckig. Nichts als Schmutz“, ich schüttele den Kopf. Auf meinem Zeigefinger lasse ich eine scharfe Spitze aus Eis wachsen. Damit zerschneide ich den Pullover und lege Shirikis Brust frei. Er hat eine Gänsehaut. Sein Brustkorb hebt und senkt sich schnell. Ich betrachte seine Muskeln versonnen. Er hat ein wenig zu viel Fett. Obwohl die Arbeit hier schwer ist und das Essen meist nur Eintopf. Alkohol scheint nicht gut für ihn zu sein.
Ich lege meine Hand auf seine Brust, direkt über seinem Herzen. Dann lehne ich mich nach vorne, mit meinem ganzen Gewicht auf diese Hand, um in seine braunen Augen zu sehen.
„Weißt du, wie die Hölle ist, Shiriki?“
Er schüttelt den Kopf: „Bitte! Glacia, es tut mir leid! Ich liebe dich –“
„Du kannst hoffen, dass sie nicht so kalt sein wird wie ich“, zische ich ihm entgegen.
Dann schießt Kälte aus meiner Hand in seine Brust. Shiriki zuckt und bebt. Sein Körper wird von Krämpfen geschüttelt. Als die Kälte sein Herz erreicht, kippen seine Augen nach hinten, aber er verliert das Bewusstsein noch nicht ganz. Ich sehe in seine Augen, sauge ihre Schmerzen in mein Gedächtnis, bis sie so kalt und tot sind wie ich.
Als ich meine Hand zurück nehme, ist ein weißes Mal geblieben. Shiriki hat den Mund zu einem lautlosen Schrei geöffnet. Seine Hände sind in den Schnee gekrallt.
Die Kraft meiner Magie hat den Schnee um uns herum zur Seite getrieben. Shiriki liegt in einem Kreis, wie ein Ritualopfer. Ich stehe langsam auf und streife das Eis von meiner Haut.
Ich werde nicht zurück kehren. Wie Shiriki und seine Freunde es wollten, werde ich gehen.
Aber ich werde sie nicht in Ruhe lassen.
Ich bin die Kälte und ich werde Gerechtigkeit fordern.