7. Dezember
Raue Stimmen lachen.
„Eine Schneefreundin bist du also? Na, passt zu deiner hässlichen Haut.“
Ich winde mich in dem Griff. Jemand hält meine Arme umklammert. Shiriki schüttelt den Kopf: „Guter Trick, Glacia. Aber das wird dir auch nicht helfen.“
Er holt aus und schlägt mir mit seiner ganzen Kraft ins Gesicht. Der Schlag war so hart, dass er mir Tränen ins Gesicht jagt. Niemand hat mich vorher so hart geschlagen.
„Wir wollen keine weißen Schlampen hier! Merk dir das!“
Jemand tritt mir vor das Schienbein. Meine Arme werden losgelassen, ich falle in die Schnee.
„Du dreckige Hure! Ihr Weißen seid doch alle gleich!“, höre ich eine weitere Stimme.
Jetzt rieche ich auch Alkohol. Vorher war ich wie geblendet. Sie müssen die ganze Nacht hindurch getrunken haben. Und Shiriki will sich für Neulich rächen.
Was habe ich nur getan?
Tritte treffen mich in die ungeschützte Seite. Ich rolle ich zusammen und schütze meinen Kopf mit den Händen. Noch immer bin ich benommen von Shirikis Schlag. Alles dreht sich um mich. Mir ist schlecht. Weitere Tritte treffen mich.
Doch sie lassen von mir ab, als ich weinend im Schnee liege.
„Steh auf“, fordert Shiriki mit dunkler Stimme.
Ich rühre mich nicht.
„Steh auf, du Hure!“, er tritt in meinen Rücken.
Quälend langsam rolle ich mich auf den Bauch. Dann stemme ich mich langsam hoch. Mein Kleid ist voller Schnee und bereits an einigen Stellen zerrissen. Ich friere nicht, aber ich zittere vor Schmerz.
Wie konnte ich nur so naiv sein, ein zweites Mal auf Shiriki herein zu fallen?
Ich höre ein Knirschen wie von Eis, als ich mich auf die Knie hoch stemme. Zuerst glaube ich schon, es ist mein Herz – es fühlt sich jedenfalls genauso an – aber dann sehe ich, dass sich das Eis auf dem See weißer färbt. Es wird dicker.
Gleichzeitig kommt Wind auf und trägt Schnee zu mir. Ich spüre, wie ich neue Kraft erhalte. Ich sehe auf, in Shirikis Augen.
„Steh auf, Glacia. Und geh! Wir wollen dich hier nie wieder sehen. Geh und krepier in den Wäldern!“
„Shiriki!“, ruft einer der Jungen. Er deutet auf den See: „Das ist unheimlich! Verschwinden wir!“
Ein paar von ihnen treten die Flucht an. Ich merke mir ihre Gesichter. Es sind vier Jungen, abgesehen von Shiriki. Ich kenne alle, bin mit ihnen groß geworden. Anoki, Dyami, Nahele und Maskah. Sie fliehen, aber Shiriki bleibt. Ich richte mich langsam auf und wische mir Blut vom Kinn.
„Das war dein letzter Fehler, Kojote“, sage ich und balle die Fäuste.
Shiriki sieht mich mit weit aufgerissenen Augen an. Schnee fliegt vom Boden hoch und wirbelt um meine Arme. Er weicht zurück, doch wie aus dem Nichts ist ein hoher Wall aus Schnee um uns aufgetaucht. Ich bin wütend, und ich fühle mich so stark wie nie zuvor. Mit eiskaltem Blick betrachte ich Shiriki.
„Glacia – ich – wir – du –“, er bringt kein Wort über die Lippen.
„Klappe, Shiriki. Es reicht“, ich reiße meine Arme nach vorne und aus meinen Händen fliegt eine Mischung aus Schnee und Eis, die Shiriki in den Bauch trifft. Mist, ich muss besser zielen.
Der Schlag reißt Shiriki von den Füßen. Er landet auf dem Rücken, rappelt sich hoch und tritt die Flucht an. Panisch krabbelt er über den Schneewall, rutsch aus, landet im kalten Weiß und klettert weiter.
Er überwindet den Kamm und rollt dahinter außer Sicht. Ich höre, wie er zu rennen beginnt.
Für mich teilt sich der Schnee. Langsam verfolge ich Shiriki. Ich kann seine Spuren im tiefen Schnee sehen.
Es gibt kein Entkommen.