14. Dezember
Der Baum fällt mit lautem Krachen und dem ohrenbetäubenden Splittern von Holz. Er landet in einer gewaltigen Schneewolke und die drei Jungen jubeln. Sie freuen sich vermutlich, dass keiner von ihnen erschlagen wurde.
Nun, das kommt auch mir zugute.
Ich liege flach im Schnee und beobachte Nahele, Anoki und Dyami. Sie machen sich mit den Äxten daran, die kleinen Äste von der Tanne zu schlagen. Holzsplitter fliegen in jede Richtung. Ihre Gesichter sind schnell von Schweiß überzogen. Anoki macht schließlich eine Pause und wischt sich den Schweiß mit dem Ärmel ab. „Wo bleibt eigentlich Maskah?“, fragt er.
„Will sich vermutlich vor der Arbeit drücken, der Faulpelz“, meint Dyami sorglos. Ich grinse. Oh ja, glaub das nur.
„Ich suche ihn“, sagt Nahele.
„Ja, klar, verpiss du dich auch in die Wälder!“, brummt Dyami.
„Macht doch ne Pause“, schlägt Nahele vor. Er nimmt sich die Lampe, als Anoki ihn am Arm fasst: „Nahele, lass uns zusammen gehen, ja?“
„Was, warum?“, fragt Nahele.
Anoki sieht sich mit aufgerissenen Augen um. Ich ducke mich tiefer in den Schnee.
„Was, wenn Maskah von irgendwas erwischt wurde? Zu zweit sind wir sicherer!“
Nahele verdreht die Augen, stimmt aber zu. Sie gehen gemeinsam in den Wald hinaus. Lassen ihren Freund alleine zurück.
Dyami setzt sich auf den Baumstamm und schüttelt den Kopf: „Paranoider Sack.“
Er nimmt sich eine Flasche und trinkt in großen Schlucken. Ich robbe lautlos vorwärts. Jetzt oder nie.
Dyami trinkt gierig. Ich stoße leise meinen Atem aus und lenke ihn in Richtung der Flasche. Es ist eine Thermoskanne. Ich habe Schwierigkeiten, mit meiner Kraft der Kälte hindurch zu dringen. Doch ich bin verbissen.
Dyami setzt schließlich die Flasche ab, als das Wasser in Form kleiner Eiswürfel in seine Kehle rinnt: „Was zum Teufel?“
Er merkt, dass sein Atem trotz der hellen Wintersonne als Dampfwolke aufsteigt. Langsam steht er auf und angelt mit einer Hand nach der Axt, die neben ihm liegt.
Ich springe aus dem Schnee auf und lande mit den Füßen in seinem Rücken. Mit meinem Schwung werfe ich ihn flach in den Schnee.
Die Axt rutscht vom Baumstamm, weil Dyamis Finger sie angestoßen hatten. Ich berühre seinen Hinterkopf und friere sein Gehirn ein. Nur seine Wahrnehmung lasse ich ihm. Er wird spüren, wie seine Lungen einfrieren und wird nichts dagegen tun können.
Ein Schrei hallt durch den Wald. Offenbar wurde Maskah gefunden. Ich schnappe mir die Axt und verschwinde, als sich schnelle Schritte nähern.
„Dyami!“, schreit Anoki in Panik. „Sie ist zurück! Dyami!“
Er hat wohl begriffen, dass es ein Fehler war, zu zweit wegzugehen und einen zurück zu lassen.
Ich warte im Baum darauf, dass sie kommen.
Anoki fällt neben Dyamis Körper auf die Knie und rüttelt an ihm: „Nein! Dyami!“ Nahele weicht entsetzt zurück. Ich warte, geduldig.
Nahele macht noch eine Schritt rückwärts und steht genau an der richtigen Stelle. Von meinem Platz aus kann ich sowohl ihn als auch den riesigen Eiszapfen über ihm erkennen.
Als es knackt, kann Nahele nicht mehr reagieren. Der Eiszapfen trifft ihn genau in den Kopf, durchstößt seinen Unterkiefer und schließlich seinen Kehlkopf, um mit der Spitze im Brustkorb stecken zu bleiben.
Blut spritzt in den Schnee. Nahele ist auf der Stelle tot. Sein Körper fällt nach vorne und dann auf den Bauch.
Anoki springt auf.
„Mich kriegst du nicht, Hexe!“, schreit er. Dann läuft er los, so schnell ihn seine Beine tragen.
Ich mache mich an die Verfolgung. Schnee lässt mich schneller und ausdauernder laufen als jeden Menschen. Anoki hat keine Chance.