Die erste Nacht in Haus Luminor ist wie ein kurzer Ausflug in den Himmel. Meine Hand schmerzt von der Scherbe. Ich sitze im Schneidersitz auf dem Sofa im Wohnzimmer, die Hände im Schoß und die Schultern hochgezogen. Misa flätzt sich neben mir im Sessel, der Kamin flackert und aus dem Plattenspieler dringt Musik. Marc quietscht im Schaukelstuhl, ein Buch in der Hand. Velaa ist nirgends zu sehen. Sie hat sich nach einem letzten Blick auf mich zurückgezogen. Die fremdartige Wohnung macht mich nervös, obwohl ich langsam müde werde. Mein Tag war lang gewesen.
Mitten drin knurrt mein Magen. Er übertönt sogar die Musik und ich werde rot.
"Wolf! Warum hast du nichts gesagt?", Misa springt erschrocken auf.
Ich zucke mit den Schultern. Ich war abgelenkt. Misa läuft in die offene Küche im Nebenzimmer. Die Wand zwischen Küche und Wohnzimmer besteht nur aus niedrigen Theken, ich kann beobachten, wie Misa Schränke öffnet und mit Lebensmitteln hantiert. Marc hebt nur müde den Blick vom Buch.
„Das-das musst du nicht tun...!“, stammele ich. Misa winkt ab: „Ich wollte mir sowieso was machen. Da ist es kein Problem, zwei Sandwichs zu machen.“
„Sandwichs?“, frage ich nach.
Misa nickt: „Kakao dazu?“
Ich schüttele den Kopf und lehne dankend ab. Drei Minuten später stellt Misa mir eine dampfende Tasse und einen Teller mit Brot vor die Nase.
„Misa...!“, jammere ich. Sie grinst: „Wenn du einen trinkst, habe ich eine Ausrede, selber einen zu nehmen.“
Sie lässt sich gleich ausgestattet in den Sessel fallen. Ich beobachte heimlich, wie sie das Brot isst - mit den Händen, wo ich geglaubt hatte, Reiche äßen alles mit Besteck. Neugierig mache ich es ihr nach. Das Brot ist einfach köstlich.
Zwischen zwei dünnen Scheiben Toast liegen ein Salatblatt, zwei Scheiben Salami, eine Scheibe Käse und eine Schicht glibberiges Gelee. Bei Misas Sandwich fehlt die Salami. Alles ist großzügig mit Mayonnaise belegt. Eine richtiggehende Geschmacksexplosion. Sogar die Tomate und den Salat esse ich mit, obwohl ich mich sonst von vegetarischem Essen fernhalte. Ich putze das Sandwich so schnell weg, dass Misa mir und sich selbst ein zweites machte. Diesmal bekomme ich noch mehr Wurst. Marc betrachtet Misa streng und erinnert sie daran, nicht zu viel Käse zu essen - zu viele Kalorien. Misa ersetzt Käse durch noch mehr Gelee. Nach dem zweiten Sandwich ist auch mein Magen gefüllt, besonders, da ich ja noch Kakao hatte. Ich bin satt und endlich kann ich mich entspannen. Meine Augen fallen immer wieder zu, bis Misa mir schließlich eine Decke bring und aus dem Sofa mein Bett wird. Erwärmt von den letzten Flammen im Kamin schlafe ich schließlich zufrieden ein.
Mit einem Lächeln auf den Lippen.