Teil III - Schattenpfade
Mingan ist ein Waisenjunge, adoptierter Sohn eines Polizisten in einer vom Verbrechen beherrschten Stadt. Bevor er Soyala, das Kind des Wassers, traf, war er wie sie ein Kind auf der Flucht, mit einer unerklärlichen Gabe und mächtigen Feinden.
5. September
Die Stadt liegt unter einem schwarzen Himmel. Die Sterne leuchten mit den Lichtern der Häuser um die Wette. Nur noch wenige Menschen sind auf den Straßen. Die meisten von ihnen gehen eilig nach Hause.
Einige wenig sind gerade aufgestanden. Die Nacht ist ihre Heimat, ihr Schutzmantel vor dem Bösen, dass sie nun tun wollen.
Ich stehe am Fenster, sehe hinaus in die Dunkelheit. Die Sterne scheinen mir zu winken. Mein Herz schlägt ein wenig höher. Draußen ist es stürmisch. Es regnet. Die Tropfen laufen vor dem schwarzen Himmel über das Glas.
Ich warte darauf, dass mein Vater heim kommt.
Meine Mutter tritt von hinten an mich heran und fährt mir durch die Haare.
„Mingan. Du solltest schlafen.“
Ich seufze tief: „Aber wo bleibt Paps?“
„Er arbeitet heute wohl länger“, sagt Natalie. Sie sieht müde aus. Sie macht sich genauso große Sorgen wie ich. Wir beide wissen, was dort draußen in der Nacht wartet.
Natalie zieht mich in ihre Arme: „Es wird alles gut“, flüstert sie.
Ich nicke, aber ich kann nicht daran glauben.
Seit drei Jahren hat die Mafia unsere Stadt im Griff. Jeden Abend warten wir, dass Anton heimkommt. Er arbeitet als Polizist und versucht, die Menschen dieser Stadt zu retten. Sie vor der Kriminalität zu beschützen.
Er ist ein Held. Aber das macht ihn angreifbar.
Natalie und Anton sind nicht meine wirklichen Eltern. Sie haben mich adoptiert, als ich fünf war, aber seitdem lieben sie mich wie ihren eigenen Sohn. Und ich liebe sie wie meine leiblichen Eltern.
„Ich will nicht schlafen“, murmele ich. Draußen stürmt es. Der Donner macht mir Angst.
Natalie hält mich fest: „Du musst schlafen, Mingan. Es ist spät. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Anton kommt.“
Ich nicke und lasse zu, dass Natalie mich in mein Zimmer dirigiert. Auch hier schlägt der Regen gegen das Fenster. Es blitzt, dann folgt Donner. Er ist so laut, dass das Fenster im Rahmen bebt.
Natalie gibt mit einen Gute-Nacht-Kuss, dann deckt sie mich zu.
„Schlaf gut, Mingan.“
Ich nicke und sehe ihr hinterher, wie sie das Licht löscht und die Tür schließt. Die Sterne leuchten durch das Fenster herein.
Ich schließe die Augen. Der Regen schlägt laut gegen die Fenster. Aber ich kann Natalie im Wohnzimmer weinen hören.
Seit drei Jahren haben wir jeden Abend von neuem Angst. Es werden täglich Polizisten erschossen. Sie sind alles, was zwischen der Stadt und dem Chaos steht.
Ich habe das Gefühl, in tiefe Dunkelheit zu fallen. Ich würde am liebsten selbst weinen, aber ich habe zu große Angst, dass Natalie mich hört.
Ich will ihr nicht noch mehr Sorgen machen.
Die Tür öffnet sich lautlos. Ein dünner Streifen Licht fällt in den Raum. Ich drehe mich auf die Seite und sehe Sam, unseren Border Collie. Er hechelt fröhlich und sieht aus, als würde er grinsen.
Ich strecke eine Hand aus und kraule ihn: „Na, alter Junge? Wartest du mit mir darauf, dass Dad kommt?“
Sam leckt mir die Hand und springt dann auf mein Bett. Ich kraule ihn weiter, aber jetzt wage ich es, die Augen zu schließen.
Ich warte darauf, dass sich die Tür öffnet und Anton kommt.