17. September
Ich schleppe mich durch die Straßen. Nachdem ich den ersten Schock überwunden habe, kann ich jetzt weitergehen.
Ich halte mich im Schatten. In der Sonne wird mir unerträglich heiß.
Ich kann kaum einen Schritt vor den anderen setzen. Ich muss wirklich aussehen wie ein Junkie – besonders in der gestohlenen Kleidung der Dealer, die mir zu groß ist. Zum Glück ist Sam die ganze Zeit an meiner Seite.
Mir kann nichts passieren, solange er auf mich aufpasst.
Jeder Schritt ist ein Marathon. Ich verstehe nicht, warum ich plötzlich so schwach bin. Schließlich kann ich nicht mehr. Ich muss mich im Schatten eines Hauses auf den Bordstein setzen.
Meine eigene Schwäche macht mir Angst. Aber mehr noch das Gefühl, dass ich Jens und die anderen beiden aufhalten muss – bevor sie jemanden töten. Ich bin mir sicher, dass sie unterwegs zu einem Deal oder einem Mord sind.
Ich halte inne. Warum bin ich mir da so sicher? Es stand nichts außer der Adresse auf dem Zettel. Aber in meinem Fingerspitzen kribbelt es wie von tausend Ameisen.
Ich schließe die Augen. Das Gefühl verstärkt sich. Vor meinem inneren Auge blitzen Lichter auf, ich sehe Bewegung.
Ich kann den Zettel vor mir sehen, doch diesmal ist er blutbeschmiert. Entsetzt reiße ich die Augen auf und stehe wieder auf, um weiter zu wanken. Sam ist immer noch treu an meiner Seite. Ich bemerke, wie besorgt er mich von der Seite mustert. Er winselt leise und verängstigt.
Ich stütze mich an einer Hauswand ab. Nach Atem ringend muss ich stehen bleiben.
Vor meinen Augen tanzen bunte Punkte.
Wissen hat seinen Preis, verstehe ich jetzt. Mit jeder Macht kommt eine Schwäche. Mit jedem Schritt ins Dunkel verliere ich das Licht.
Ich muss an das denken, was Björn gesagt hat: Mit manchen Mächten legt man sich besser nicht an.
Ich sehe es jetzt klar – ich bin eine solche Macht.
Ich bin gefährlich. Wie heißt es? Mit großer Macht kommt große Verantwortung.
Ich schließe die Augen, atme durch und gehe dann weiter.
Ich weiß, was die drei Dealer vor haben. Sie wollen einen Mann überfallen, ebenfalls ein Polizist. Er hat ihnen einen Deal zerstört und jetzt wollen sie Rache. Vielleicht ist es sogar ein Kollege von Anton.
So oder so – sie werden ihn angreifen. Aus irgendeinem Grund weiß ich, dass sie bis heute Abend warten werden. Stimmt ja, die Polizei arbeitet bis spät in die Nacht. Sie warten vor seinem Haus, bis der Mann nach Hause kommt.
Ich muss ihn retten. Ich weiß, was ihm bevor steht, nur ich kann ihm helfen.
Björn hatte recht: Mit mir sollte man sich nicht anlegen!
Ich knurre unwillig und stoße mich von der Wand ab, um weiter zu laufen. Ich habe keine Zeit, mich auszuruhen.
Aber ich weiß noch etwas. Ich könnte sie töten, Jens, Wolfgang und Björn. Ich hätte die Macht dazu.
Und das darf auf keinen Fall passieren. Ich bin kein Mörder. Ich will Polizist werden.
Nein, ich muss mich allein auf meinen eigenen Körper, mein Wissen und auf Sam verlassen.
Ich muss dann doch grinsen, als mir durch den Kopf schießt, wem ich ähnlich bin.
Ich kämpfe im Schatten, für die Gerechtigkeit. Gegen die Kriminalität ist einer korrupten Stadt. Und möchte dabei niemanden töten.
Nana nana nana nana nana nana nana nana Batman!
Ich muss grinsen wie ein Idiot und wische mir dann über den Mund, um die Grimasse verschwinden zu lassen. Gleiche fange ich noch an zu kichern wie der Joker!
Ich bin wohl wirklich übermüdet.