Ron konnte keinen Blick vom Dunklen Herrn wenden, der ihm seine kühle Aufmerksamkeit schenkte. Man unterhielt sich bis spät in die Nacht im gemeinsamen Salon und flirtete beiläufig. Hermine spürte ein eigenwilliges Prickeln auf der Haut, dass Lord Potter noch nie zuvor bei ihr ausgelöst hatte. Verwirrt bemerkte sie, wie ihre Hand über seinen Arm strich. Wie viele Jahre kannten sie sich schon? Dieser Sexappeal wirkte auf sie, ohne dass sie sich ihm entziehen konnte. Es war falsch, sich auf dieses Spiel einzulassen. Dennoch erregte sie die Erwiderung ihrer Berührung.
Lord Potter hatte kein einziges Wort über das Gespräch mit Albus Dumbledore verloren. Gereizt und übellaunig war er zurückgekehrt. Eine Vielzahl von Dienern, Lakaien und Höflingen erlebten ihren Herrn seither unleidlich. Überraschend an dieser Angelegenheit erschien nur, dass er noch niemanden getötet hatte. Aber das könnte noch immer nachgeholt werden. Hier im Salon jedoch verlor er sich in seinem Flirt mit Hermine und Ron. Draco, der gezwungenermaßen daneben saß, dankte seinem Eltern stumm für die endlosen Lektionen in Selbstbeherrschung.
Er trank nur wenig Alkohol, obwohl die Stimmung des ehemals goldenen Trios zunehmend ausgelassener wurde. Wenngleich Draco darum gebeten hatte, sich zurückziehen zu dürfen, beharrte Lord Potter auf seiner Gesellschaft: „Du bleibst bis ich sage, dass Du gehen kannst.“ Draco widersprach nicht. In dieser Situation konnte er nur verlieren. Lord Potter schob Lady Granger sanft von seinem Schoß zu seinem ältesten Freund: „Küß Ron für mich, Liebes. Zeig´ mir, wie sexy Du küßt.“, verlangte er weich und zugleich bestimmt. Eigentlich hatte sie immer selbst entschieden, wann sie was beim Liebesspiel tat. Nun aber folgte sie der aufreizenden Aufforderung.
Ron spürte die vertraute Erotik seiner künftigen Gattin. Etwas allerdings war anders als zuvor. Hermines Küsse schienen feuriger, begehrender und zugleich nachgiebiger. Ihr Parfüm machte ihn schwindelig. Er vergrub seine Finger in ihren Locken und küßte ihren schlanken Hals.
Draco war wirklich nicht prüde, allerdings empfand er die Intimität zwischen Hermine und Ron ungewöhnlich. Erst viel später begriff er, dass es Liebe war, die er gesehen hatte, kein Sex. Der dunkle Herr verführte das Paar, miteinander immer weiterzugehen. Er selbst sah sich das Liebesspiel aufmerksam an und trank den Absinth direkt aus der Karaffe. Dann hob er Hermine leichtgängig auf seinen Arm und trug sie in ihr eigenes Schlafzimmer. „Draco, Du kannst gehen. Ich brauche Dich nicht mehr.“, sagte Lord Potter mit einem Blick über die Schulter. Ron folgte ihnen lächelnd.
Ginevra hatte sich seit Stunden in ihren Gemächern verbarrikadiert und reagierte auf Dracos leises Klopfen nur zögerlich. „Ich will nicht gestört werden.“, rief sie durch die geschlossene Tür. „Darf ich bitte hereinkommen, Mylady?“ Vorsichtig wie bei einer gereizten Raubkatze trat er ein, nachdem sich die schwere Tür geöffnet hatte. Sie weinte nicht mehr, weil keine Tränen mehr kamen. Trotzdem ihr bewusst gewesen war, welche Scharade sie alle aufführten, hatte Rons wahrhaftige Verliebtheit sie verletzt. Zaubertrank hin oder her – ihr Bruder flirtete unaufhörlich mit ihrem Verlobten. Bei Ron handelte es sich nicht um irgendein beliebiges Spielzeug. Ron und sie waren Geschwister. Wie konnte Harry ein derartiges Spiel mit dem Feuer beginnen?
„Darf ich?“, fragte Draco sanft. „Ich kann sie nicht lieben. Du musst sie für mich lieben.“, hatte Harry ihm gesagt. Daran hielt sich Draco, während er mit einem weichen Seidentaschentuch Ginnys angetrocknete Tränen abwischte. Das Tuch duftete nach Lavendel und Sommerregen. Trocken schluchzte sie auf. „Er ist mit ihnen zusammen, nicht wahr?“ Draco schwankte zwischen einer behutsamen Notlüge und liebender Ehrlichkeit. „Ja, sie sind drüben in Hermines Schlafzimmer.“ Es machte keinen Sinn zu lügen, darüber war sich Draco klar. Spätestens, wenn der Dunkle Herr beliebte, die Wahrheit zu sagen, erführe sie es ohnehin. Sie standen sich gegenüber. Sie wirkte so verletzlich und klein, während sie ihre Stirn an seine Schulter schmiegte. „Shhh, Prinzessin. Seine Lordschaft wird nichts tun, was er nicht kontrollieren kann.“ Er streichelte das rote Haar vorsichtig. Sie atmete seinen Duft ein und fragte sich, weshalb sie ihn früher nicht gemocht hatte. Er legte sein Kinn leicht auf ihrem Kopf ab und stellte fest, wie zierlich sie doch war.
Nach einer Weile ließ sie sich auf eine Chaiselongue führen. „Willst hältst Du das aus?“, fragte sie ihn leise. „Ich halte es aus, weil ich Euch beide liebe und es notwendig ist.“ Ihre tiefe Traurigkeit brach sein Herz und lenkte ihn zugleich von seinen eigenen trüben Überlegungen ab. „Hast Du überhaupt etwas gegessen?“, fragte er fürsorglich. Sie schüttelte stumm den Kopf. Er klingelte nach einem Hauselfen und ließ ihr ein paar Kanapees bringen. Sie versuchte, die sich ihr aufdrängenden Bilder von ihrem Geliebten und ihrem Bruder abzuschütteln. Es gelang ihr nicht. „Lady Weasley möchte ein Bad nehmen – mit Milch, Honig und Rosenessenz.“, wies er den Hauselfen, der gewöhnt war, keine Fragen zu stellen, an. Unbefangen entkleidete sie sich vor ihm und zog sich einen weichen Bademantel über.