Flucht aus dem Klinikum:
Samstags Plan bestand darin, dass alle 13 Flüchtigen in das Heck eines geparkten Kleintransporters krabbelten, als gerade keiner der Sicherheitsleute hinsah.
Im Inneren war es dunkel und kalt. Die blinden Passagiere hofften, dass der Wagen nicht mehr kontrolliert werden würde, bis sie ein ganzes Stück an der Klinik heraus wären. Tatsächlich war er bereits beladen. Einige Kisten standen in dem erstaunlich leeren Lagerraum unter einer weißen Plane, die über das Heck gespannt war.
Die Gäste krochen, so gut es ging, hinter die Kisten, um nicht sofort entdeckt zu werden, falls etwas schief laufen sollte. Samstag, Mira, Lily, Wild Child, Tee-jo und Fay hockten direkt bei den Kisten, alle sechs nebeneinander, eng aneinander gedrängt wie Hühner auf einer Stange. Jeder von ihnen hielt ein Messer in der Hand. Die anderen saßen ihnen gegenüber.
Eve hatte sich eng an Milo gekuschelt. Ihre Hände zitterten noch immer und sie widerstand dem übermächtigen Bedürfnis, sich krampfhaft über die Arme zu streichen.
Der Anblick des enthaupteten Körpers schwebte vor ihrem inneren Auge. Sie sah das Blut, das überall gewesen war, eine klebrige, rote Masse, an manchen Stellen braun und eingetrocknet. Eve konnte den Gestank riechen. Sie wünschte sich, sie könnte duschen, am Besten fünf Stunden lang, bis sie den Ekel abgewaschen hatte. Ihr war übel.
Milo merkte, dass sie zitterte, und strich sanft über ihren Rücken. Aber er konnte Eve nicht helfen. Sie fühlte sich beschmutzt. Obwohl sie das Blut nicht berührt hatte, glaubte sie doch, es überall am Körper zu spüren, wie eine zweite Haut, die langsam fest wurde.
Draußen erklangen Schritte auf dem Steinweg. Mit angehaltenem Atem duckten sich die 13 tiefer hinter die Kisten. Zwei Menschen gingen über den Parkplatz. Das Auto piepte, als es aufgeschlossen wurde. Dann wackelte das Gefährt, als die Unbekannten einstiegen.
Eve hielt den Atem an. Sie hörte zwei Türen ins Schloss fallen. Die Männer, durch eine Metallwand von ihnen abgetrennt, redeten miteinander, dann wurde der Motor gestartet und das Auto zitterte. Brummend rollte der Wagen nach hinten, nach vorne, nach hinten und noch mehrmals hin und her, als der Fahrer ausparkte.
Milo umfasste Eves Oberarm fester, bis es begann, wehzutun. Auch sie war angespannt. Mit angehaltenem Atem lauschten die blinden Passagiere auf die Geräusche der Schranke, die sie passierten und hörten auch das Quietschen des Tores.
Dann hielt der Wagen nicht mehr an, sondern rollte, langsam an Fahrt aufnehmend, über eine befestigte Straße. Eve konnte die Leitplanken und Gras durch eine schmale Lücke zwischen Plane und Heckklappe vorbeigleiten sehen. Sie nahmen ein paar Kurven, und die Straßen schienen immer weniger Schlaglöcher zu bekommen, die sie durchschütteln konnten.
Endlich flogen sie gleichmäßig dahin, mit einem ruhigen Tuckern, das Eve ganz langsam beruhigte und einschläferte.
Ihre Träume aber waren unruhig und voller Blut.