Gerhard hatte beim Notar erst erkannt, dass er Besitz hatte. Die Eigentumswohnung war weitgehend abbezahlt, sodass Silvia sie auch mit kleinen Raten fertigfinanzieren würde können, sein Motorrad konnte sie für rund acht- bis zehntausend Euro verkaufen und auch der Smart würde noch einen guten Preis erzielen. Ein Sparbuch gab es da auch noch, aber damit würde man nur seine Beisetzung bezahlen können, weil er letztes Jahr seine Maschine damit finanziert hatte. Er wunderte sich darüber, dass er diese Dinge so nüchtern betrachten konnte. doch er hatte sich offenbar damit abgefunden, dass sein Leben nun zu Ende sein würde und da er selbst keine nahen Verwandten mehr hatte, war es ihm nur recht, seiner Freundin alles hinterlassen zu können. Er hegte keinen Groll gegen sie, auch wenn er es sehr schade fand, nicht mehr mit ihr gesprochen zu haben...
Außerdem stellte sich die Frage, wie er denn nun seinem Leben ein Ende setzen konnte und wo. Hier in der Wohnung wollte er nicht sterben, weil Silvia dann niemals einziehen würde. Dabei leiden wollte er natürlich auch nicht. Er stand auf und ging zum Medizinschrank. Er konnte nichts entdecken, was ihm helfen würde. Also würde er wohl oder übel noch einmal darüber schlafen müssen... Als er ins Schlafzimmer ging, warf er noch einen Blick auf das Foto, auf dem sie beide auf dem Motorrad saßen, den Helm in der Hand, beide glücklich lächelnd.... "Ach Silvia!" seufzte er, "Du weißt ja gar nicht, was du mir bedeutest!" Mit einem beklemmenden Ziehen in der Brust legte er sich hin. Die ganze Nacht lang beschäftigte ihn die Frage, wie er wohl sein Ende herbeiführen könnte...
Am nächsten Morgen, führte ihn sein erster Weg zur Apotheke, wo er sich erkundigte, ob es denn rezeptfreie Schlafmittel gebe, worauf man ihm mehrere Ratschläge erteilte. Allerdings war keiner davon geeignet, sich damit ins Jenseits zu beförden. Von Baldrian-Tropfen bis Globoli empfahl man alles, nur "echte" Schlaftabletten waren offenbar nicht zu kriegen. Während er am Verkaufspult stand und sich beraten ließ, betrat Silvia die Apotheke. Erst auf den letzten Schritten zur benachbarten Angestellten bemerkte sie, neben wem sie hier zu stehen kam.
Beide hatten damit nicht gerechnet! "Hallo Gerhard!" grüßte sie leise, als sich ihre Blicke trafen. Gerhard stand wie angewurzelt. "Silvia!" Beide wandten sich wieder ihren Bedienungen zu, um die Peinlichkeit der Situation nicht eskalieren zu lassen. Silvia bat leise um einen Schwangerschaftstest, bezahlte diesen und wandte sich um zu Gerhard, der offenbar am Ausgang auf sie wartete. Er sah elend aus. "Oh Gerhard, du siehst nicht gut aus! Gehts dir nicht gut?" Sie ärgerte sich noch über ihre blöde Frage, wo sie doch wusste, dass ihm die Trennung sehr zu schaffen machte. Gerhard aber griff sich an den Hals und hatte den Mund unnatürlich weit geöffnet. Er schien um Luft zu ringen! Besorgt griff sie nach seinem Arm, doch Gerhard brach einfach zusammen. "Gerhard!" sie kniete sich zu ihm. Schockiert sah sie in seine Augen, die sie bis zur letzten Sekunde fixierten. Er versuchte noch etwas zu sagen, doch er verstarb in ihren Armen ohne ihr seine Liebe ein letztes Mal gestehen zu können. Verzweifelt versuchte sie ihn wieder zu beleben. Auch ein zufällig anwesender Arzt kam hinzu. Doch ohne Erfolg. Der herbeigerufene Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen. Silvia kniete schluchzend vor ihrem toten (Ex)Freund und verstand die Welt nicht mehr.