Es war erst Mittwochabend und Hermine fühlte sich bereits, als könnte sie das Wochenende nur zu gut gebrauchen. Das schwarzmagische Ritual hatte sie mehr Kraft gekostet, als sie während der Ausführung bemerkt hatte. Erst im Laufe der Unterrichtsstunden am nächsten Tag war ihr aufgefallen, dass sie sich schwerer tat, ihre Magie zu kontrollieren oder überhaupt genügend Energie aufzubringen. Sie musste unbedingt mit Dumbledore darüber sprechen, ob Dunkle Magie abgesehen von der Verführung noch andere, dauerhafte Effekte haben könnte. Sie konnte einfach nicht riskieren, ihre Zauberstärke zu verlieren.
"Miss Dumbledore", riss sie da die helle Stimme von Beatrix aus den Gedanken, "darf ich mich zu Ihnen setzen?"
Misstrauisch blickte Hermine zu ihrer verhassten Klassenkameradin hoch. In dem kleinen Studierzimmer für Siebtklässler stand nicht nur dieses eine Sofa, und die übrigen Sessel waren leer, warum also suchte Parkinson so offensichtlich ihre Gesellschaft? Mit einem neutralen Ausdruck nickte Hermine und rückte ein Stück zur Seite, um mehr Distanz zwischen sich und dem anderen Mädchen zu schaffen.
"Ich hoffe, Sie vergeben mir meine Worte gestern Morgen?", setzte Parkinson mit besorgtem Tonfall an: "Ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen, doch ich sah Ihre Ehre in Gefahr und da konnte ich einfach nicht schweigen."
Innerlich lachte Hermine auf. Gewiss, Beatrix Parkinson hatte nur aus Zuneigung und Sorge öffentlich die Natur ihrer Lernstunde mit Riddle angezweifelt. Mit einem nachsichtigen Lächeln auf den Lippen erwiderte sie: "Machen Sie sich keine Sorgen. Die Ehre einer Frau ist ihr höchstes Gut, nicht wahr? Es gibt wirklich kaum etwas Wichtigeres auf dieser Welt, als den Anstand aller Frauen zu achten. Ich verstehe Sie nur zu gut."
"Es freut mich, dass Sie das auch so sehen", nickte Beatrix eifrig, "wenn auch nur der kleinste Zweifel am Anstand einer Frau auftaucht, ist ihr Ruf für immer ruiniert. Und für Sie als Amerikanerin ist dies umso wichtiger, schließlich sind Amerikanerinnen sowieso schon bekannt für ihre... fröhlichere Lebensweise."
Diesmal musste Hermine wirklich an sich halten, nicht in lautes Lachen auszubrechen. Sie wusste genau, worauf Parkinson hinaus wollte, doch für sie selbst war es so irrelevant, über den Zustand ihrer Jungfräulichkeit nachzudenken, dass sie Beatrix kaum ernst nehmen konnte. Mühsam riss sie sich zusammen, griff nach ihrer Tasse Tee, die vor ihr auf dem kleinen Tisch stand, und nickte ganz einfach zustimmend.
Offensichtlich irritiert von ihrer sparsamen Reaktion blieb auch Beatrix einen Moment stumm, ehe sie einen erneuten Vorstoß wagte: "Es ist wahrlich mutig von Ihnen, dass Sie unter diesen Umständen auch nur das Gerücht der Unanständigkeit riskieren. Ich bewundere Ihre Courage."
Seufzend nahm Hermine einen Schluck des kräftigen Schwarztees, dann stellte sie die Tasse zurück und blickte Parkinson gerade an: "Sie schmeicheln mir, meine Liebe. Meine Entscheidungen haben wenig mit Mut zu tun. Ich denke, wenn Sie ähnlich über Ihre Studien denken würden wie ich, würden Sie ein Angebot von Tom Riddle auch nicht abschlagen, so bedrohlich für Ihre Ehre es auch sein mag. Wenn Sie wollen, kann ich ihn bitten, Ihnen dieselbe Aufmerksamkeit wie mir zukommen zu lassen."
Wie erwartet lief ihre Gesprächspartnerin leuchtend rot an vor Wut: "Wie können Sie es wagen? Hier komme ich zu Ihnen, um Ihnen einen gut gemeinten Ratschlag zu geben, und als Dank dafür beleidigen Sie mich und unterstellen mir...!"
Wie auf ein Stichwort erschien Tom in dem kleinen Studierzimmer. Es war offensichtlich, dass er die letzten Sätze von Beatrix Parkinson mitbekommen hatte, denn sofort wandelte sich sein höfliches Lächeln in wohlabgestimmte Besorgnis: "Höre ich Sie streiten, meine Damen?"
"Tom!", empörte sich Beatrix augenblicklich und sprang vom Sofa auf: "Miss Dumbledore hier... sie unterstellt mir, ich hätte unehrenhaftes Interesse an dir! Wie kannst du dich nur regelmäßig mit einer so dreisten Person abgeben?"
Hermine sah, wie Tom seine Besorgnis kalkuliert ernster werden ließ und eine Augenbraue hob: "Wie kommen Sie zu solchen Äußerungen, meine Liebe?"
"Ich habe ihr lediglich angeboten, Sie zu fragen, ob Sie ebenfalls mit ihr lernen würden", entgegnete Hermine achselzuckend. Sie war sich sicher, dass Tom die Situation richtig interpretierte, doch genauso sicher war sie sich, dass er sie nicht einfach so vom Haken lassen würde. So gefährlich die negative Stimmung des Hauses gegen sie und die möglichen Intrigen der Mädchen ihr noch vor wenigen Tagen erschienen waren, nach dem Ritual war sich Hermine nun nur zu bewusst, dass sie weitaus größere Probleme hatte. Außer Tom Riddle spielte kein einziger Schüler wirklich eine Rolle für sie.
"Oh, ich verstehe, woher die Unstimmigkeit stammt", sagte Tom langsam, während er nach Beatrix' Hand griff und sie drückte: "Meine Teuerste, Sie dürfen die Worte von Miss Dumbledore nicht falsch interpretieren. Sie weiß einfach nicht, wie man sich ausdrückt und hat wenig Feingefühl für solche Dinge. Denken Sie immer daran, dass nicht jedem das Glück einer anständigen Erziehung beschieden war."
Hermine konnte nur mit den Augen rollen, als sie sah, wie begeistert ihre Hausgenossin von diesen Worten war. Sicher, Tom Riddle war ein Charmeur, der so ziemlich jeden um seinen Finger wickeln konnte, aber es war so offensichtlich, dass diese Menschen hier alle nur zu bereit waren, sich von seinem Charme täuschen zu lassen. Die ganze höfliche Kultur dieser Zeit breitete förmlich einen roten Teppich für einen Rhetoriker wie ihn aus.
"Miss Dumbledore, denken Sie nicht, dass eine Entschuldigung angebracht wäre?", erkundigte Tom sich höflich bei ihr. Sie spürte, dass er von ihr erwartete, dass sie tat, was er verlangte. Sie hatte nicht die geringste Lust, dieses absurde Spiel mitzuspielen, doch sie wusste, dass sie es nicht riskieren durfte, ihn zu verärgern. Nicht, wenn sie sehr bald ernsthaft mit ihm über die Dunklen Künste reden wollte. Sie erhob sich ebenfalls von dem Sofa und trat einen Schritt auf Beatrix, die noch immer die Hände von Tom hielt, zu: "Miss Parkinson, glauben Sie mir, ich hatte keine Ahnung, dass Sie meine Worte so negativ auffassen würden. Ich hatte nur die besten Intentionen für Sie. Verzeihen Sie mir, dass meine mangelnde Bildung erneut zu so einem Fehltritt geführt hat."
Triumphierend richtete sich Parkinson noch ein Stück weiter auf und schaute hochmütig auf sie herab: "Ich akzeptiere Ihre Entschuldigung, aber nur, weil Sie zeigen, dass Sie endlich erkennen, wo Ihr Platz ist."
Zufrieden mit sich und der Welt ließ Beatrix sich dann wieder auf das Sofa zurücksinken. Hermine hingegen hatte genug. Sie brauchte dringend Schlaf und auf die Gesellschaft sämtlicher ihrer Hausgenossen konnte sie gerade nur zu gut verzichten. Höflich neigte sie den Kopf zu beiden Gesprächspartnern, ehe sie sich Richtung Schlafsaal verabschiedete.
oOoOoOo
So natürlich wie möglich ließ Augusta sich neben Orion Black auf die Schulbank sinken. Sie war sich nur zu bewusst, dass es mehr als ungewöhnlich war, dass eine Gryffindor sich einfach so neben einen Slytherin setzte, doch sie hoffte, dass Orion, mit dem sie sich immerhin schon des Öfteren unterhalten hatte, ihr das nachsehen würde.
"Miss Bargeworthy!", wurde sie von dem gutaussehenden Jungen begrüßt: "Womit verdiene ich die Ehre Ihrer Aufmerksamkeit?"
Augusta atmete tief durch. Nachdem Ignatius seine Bitte mit einem dringenden Tonfall wiederholt hatte, hatte sie die ganze Nacht damit verbracht, sich eine Strategie zurecht zu legen, wie sie mit Orion Black ins Gespräch über Riddle kommen könnte. Im Endeffekt hatte sie sich für die glaubwürdigste und einfachste Herangehensweise entschieden: "Mr. Black, ich hoffe, Sie verzeihen mir meine Dreistigkeit, doch ich weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden sollte. Sie sind meine einzige Hoffnung in dieser Misere."
Besorgnis trat auf das Gesicht des Slytherin: "Oh, das klingt aber ernst. Sprechen Sie nur, rasch, ehe der alte Binns auftaucht und jedes Gespräch unterbindet. Wie kann ich Ihnen helfen?"
"Ich weiß, Sie kennen mich kaum", setzte Augusta an, sorgfältig darauf bedacht, leise, verzweifelt und ein wenig beschämt zu sprechen: "Doch all unsere Unterhaltungen bisher ließen mich den Eindruck gewinnen, dass Sie ein anständiger junger Mann sind, der es mir nicht nachtragen wird, wenn ich mit einer ungewöhnlichen Bitte an ihn herantrete. Können Sie dieser Mann für mich sein, Mr. Black? Können Sie das Geheimnis einer verzweifelten Frau bewahren?"
Sie spürte förmlich, wie sich inzwischen beinahe alle Blicke im Klassenraum auf das ungewöhnliche Paar in der ersten Reihe richteten, doch sie musste es aushalten. Wenn Ignatius dachte, dass Tom Riddle eine Gefahr für einen Mitschüler darstellte, dann glaubte sie ihm. Und was waren schon einige misstrauische Blicke und geflüsterte Lästereien gegen die Möglichkeit, dass eine andere Frau zu Schaden kam?
"Nun sagen Sie schon", drängte Orion sie zum Weitersprechen, inzwischen vollends von ihr eingenommen: "Welches Geheimnis lastet auf Ihrer Seele?"
"Sehen Sie", flüsterte Augusta beinahe unhörbar: "Ich bin mir bewusst, dass ich dem Hause Gryffindor angehöre. Und ich weiß, wie schwer es Schülern aus Slytherin fällt, auch nur ein Wort mit uns zu wechseln. Sie sind da eine lobende Ausnahme. Denken Sie, dass auch andere in Ihrem Haus so offen sind wie Sie?"
"Wir sind keine Monster, Miss Bargeworthy", erwiderte Orion indigniert. Augusta schlug die Augen nieder und bemühte sich, ein wenig rot anzulaufen, um den Eindruck zu erwecken, dass sie sich schämte: "Das wollte ich auch niemals andeuten. Es ist nur... ach, was rede ich drum herum? Ein junger Mann aus Ihrem Haus hat meine Aufmerksamkeit erweckt und ich würde ihn gerne besser kennen lernen. Mehr über ihn erfahren. Verzeihen Sie meine Offenheit, aber ich fürchte, ich bin verliebt."
Mit offenem Mund starrte Orion sie an: "DAS ist es, was so schwer auf Ihnen lastet? Bei Merlin, ich hatte alle möglichen furchtbaren Szenarien vor meinem geistigen Auge gesehen! Wieso schämen Sie sich Ihrer Gefühle?"
"Verstehen Sie nicht, wie schwer es mir fällt? In meinem Haus ist man sehr deutlich, was Beziehungen zu Mitgliedern aus Slytherin angeht. Es ist beinahe unmöglich, offen über solche Interessen zu reden. Sie sind der erste, dem ich überhaupt jemals von meinen Gefühlen erzählt habe."
Mit einem raschen Blick zur Tür versicherte Orion sich, dass Professor Binns noch immer nicht in der Nähe des Klassenraums war, dann beugte er sich weiter vor, um so leise wie möglich das Gespräch fortzusetzen: "Glauben Sie mir, Miss Bargeworthy, solche Vorurteile gibt es bei uns nicht. Sie sind eine reinblütige Hexe, das ist alles, worauf es ankommt. Also, erzählen Sie mir, welche edle Schlange hat die Aufmerksamkeit dieser mutigen Löwin erweckt?"
Beinahe unhörbar flüsterte Augusta: "Tom Riddle."
Augenblicklich zuckte Orion zurück. Seine Miene verdüsterte sich, während er offensichtlich um Worte rang. Also hat Ignatius Recht! Irgendetwas stimmt nicht mit Riddle!, dachte Augusta bei sich, während sie angespannt auf einer Antwort wartete.
"Ich fürchte", sagte Orion schließlich mit ernster Stimmer: "Sie haben sich da einen sehr schwierigen Kandidaten ausgesucht. In diesem speziellen Fall ist es möglich, dass Ihre Hoffnungen zum Scheitern verurteilt sind."
"Wieso?", hakte sie augenblicklich nach, ohne dabei ihre Neugier vortäuschen zu müssen: "Hat er bereits eine Liebste?"
"Nein, das ist es nicht", gab er langsam zurück: "Es ist eher... ich glaube nicht, dass Frauen im Moment interessant für ihn sind. Er hat... andere Prioritäten."
"Ja, ich weiß", erwiderte Augusta, verzweifelt darum bemüht, irgendwelche konkreten Aussagen zu erhalten: "Er ist Schulsprecher und er hat die besten Noten, das erfordert sicher viel Konzentration. Aber selbst jemand wir er wird doch zumindest ein wenig Freizeit haben?"
"Wenn es nur um seine schulischen Leistungen ginge, wäre es gewiss kein Problem", stimmte Orion ihr zu, nur um sich augenblicklich selbst auf den Mund zu schlagen. Mit großen Augen starrte sie ihn an: "Wie meinen Sie das?"
"Ich... meine Worte sind völlig unbedeutend", stotterte Orion, ehe er inne hielt, sich gerade aufrichtete und sie streng ansah: "Es gibt viele Frauen, auch in unserem Haus, die sich für Tom Riddle interessieren. Ihre Chancen sind gleich Null. Es ist besser für Sie, wenn Sie ihn bald aufgeben."
Er wollte sie loswerden, so viel war offensichtlich, doch Augusta war noch nicht bereit, das Gespräch fallen zu lassen: "Sie geben sich sehr mysteriös, Mr. Black. Was außer der Schule könnte Mr. Riddle ablenken? Plant er etwa bereits seine berufliche Karriere?"
Der Blick, mit dem Orion sie als Antwort bedachte, war eiskalt: "Ihre Gefühle in allen Ehren, aber Sie sind zu neugierig. Unsere vergangenen Gespräche haben mich Zuneigung zu Ihnen fassen lassen, also glauben Sie, wenn ich Ihnen sage: Tom Riddle ist kein Mann für Sie. Zu viel Neugier ist schädlich."
Ein eisiger Schauer lief Augusta über den Rücken, während sie sich mit einem schwachen Lächeln erhob und zurück zu ihren Hausgenossen ging. Orion Black hatte ihr nichts über Tom Riddle erzählt. Und doch so viel. Was brauchte so viel Aufmerksamkeit von Riddle, dass er sich nicht für Mädchen interessieren konnte? Warum sollte es schädlich für sie sein, neugierig zu sein? Wieso hatte sich der charmante, zuvorkommende Orion Black in einen ablehnenden, harten Mann verwandelt, kaum dass der Name Riddle gefallen war? Mehr denn je teilte sie die Befürchtung von Ignatius, dass der Schulsprecher kein guter Mensch war.
oOoOoOo
"Tom?"
Überrascht drehte der Angesprochene sich um. Es kam beinahe nie vor, dass Orion das Wort an ihn richtete, ohne zuvor dazu aufgefordert worden zu sein. Interessiert ließ er sich von dem jungen Black in eine Ecke des Gemeinschaftsraums ziehen.
"Was gibt es, Orion?", erkundigte er sich leise, während er gleichzeitig das Treiben seiner Hausgenossen im Auge behielt.
"Ich... es ist eigentlich nichts, aber ich habe das Gefühl, dass ich einen Fehler gemacht habe, und da dachte ich mir, ich sage es dir lieber gleich, immerhin ging es um dich..."
"Langsam", unterbrach Tom das wilde Gestottere. Er kannte Orion nicht gut, er kannte nur die Seite, die er nach seiner Aufnahme in den Kreis der Auserwählten gezeigt hatte, doch er war sich sicher, dass diese Nervosität nicht charakteristisch für den jungen Slytherin war: "Atme tief durch. Was möchtest du mir mitteilen?"
Orion folgte seiner Anweisung, atmete merklich mehrmals tief ein, dann sagte er langsam: "Ein Mädchen hat mir heute erzählt, dass sie sich für dich interessiert. Romantisch. Ich habe ihr davon abgeraten, solche Gefühle zu haben... weil ich dachte, dass du zu beschäftigt bist mit dem ganzen Zukunftsplan und so. Und ich wollte nicht, dass du belästigt wirst. Aber ich glaube, die Art und Weise, wie ich ihr das ausreden wollte, war möglicherweise... ungeschickt. Ich habe möglicherweise... angedeutet, dass du... außerschulischen Aktivitäten nachgehst", Orion schluckte, inzwischen sichtlich nervös, als ob ihm erst jetzt wirklich aufging, was er da sagte: "Ich habe keine Details genannt oder so, wirklich nicht, Tom, aber sie war danach nur noch neugieriger und hat mehrmals nachgefragt und... ich weiß nicht, vielleicht fragt sie jetzt noch andere Schüler außer mich."
Nachdenklich rieb Tom sich das Kinn. Es war ihm tatsächlich alles andere als Recht, dass eventuell irgendjemand mitbekam, dass er seine Freizeit mit mehr als bloß Schule und dem Amt des Schulsprechers verbrachte. Dass Orion da offenbar zu offen gewesen war, störte ihn mehr, als er sich nach außen hin anmerken ließ. Er musste unbedingt auf der nächsten Versammlung deutlich machen, dass er das nicht tolerieren würde. Es war Abraxas gewesen, der als erster darauf hingewiesen hatte, wie wertvoll Orion sein könnte. Er hatte darüber nachgedacht und dem Rat seines ältesten Gefährten schließlich zugestimmt. Es war ein Fehler gewesen. Natürlich war es ein Fehler gewesen. Es war niemals klug, die Vorschläge anderer zu befolgen. Niemand hatte denselben Weitblick und dieselbe Menschenkenntnis wie er. Er würde diesen Fehler nie wieder begehen. Und er würde sicher stellen, dass Orion und Abraxas ebenfalls nie wieder einen Fehler begehen würden. Sie waren eingeweiht und sie waren nützlich, er konnte sie nicht einfach so loswerden, zumal sie auch alten Zaubererfamilien angehörten. Aber er konnte ihnen deutlich machen, dass er kein Versagen akzeptierte. Irgendein Mädchen war verliebt in ihn und Orion ließ durchblicken, dass er, der brave Schulsprecher, aufgrund außerschulischer Aktivitäten nicht zur Verfügung stand? Wie hatte Orion so etwas sagen können? Viele Schülerinnen hatten Interesse an ihm, aber für alle war es genug zu wissen, dass er sich auf die Schule konzentrieren wollte, niemand brauchte irgendwelche zusätzlichen Erklärungen. Und selbst wenn, niemand hatte die Dreistigkeit, ihn in Frage zu stellen. Was hatte Orion sich dabei nur gedacht?
"Von welcher Schülerin sprechen wir denn hier eigentlich?", fragte er schließlich, ohne sich anmerken zu lassen, wie aufgebracht er über diesen Fehler war. Orion schluckte erneut, ehe er leise erwiderte: "Augusta Bargeworthy. Sie ist in meinem Jahrgang, aber in Gryffindor."
"Ich kenne sie. Prewett klebt ständig an ihrer Seite."
Ignatius Prewett. Irgendwie war ihm der Zufall zu groß, dass er an einem Tag Hermine in größter Vertraulichkeit mit Prewett sprechen sah und kurz darauf Augusta Bargeworthy angeblich romantisches Interesse an ihm bekundete. Wieder fuhr Tom sich über das Kinn, während er angestrengt nachdachte.
"Halte die Augen und Ohren offen, Orion", sagte er nach einer langen Pause: "Sollte die gute Miss Bargeworthy weiterhin Fragen über mich stellen, berichte mir bitte augenblicklich davon. Und wenn sie sich noch einmal an dich wendet, versuche herauszufinden, ob sie wirklich verliebt ist, oder andere Motive hat, nach mir zu fragen."
"Andere Motive?"
"Ich habe da so einen Verdacht..."
Der stählerne Ausdruck in Toms Augen gefiel Orion nicht. Offensichtlich wusste sein neuer Freund und Meister mehr, als er ihm mitteilen wollte. War es noch schlimmer als er zuvor befürchtet hatte, dass er sich verplappert hatte? Schweiß brach ihm aus, als er den unnachgiebigen Ausdruck sah, mit dem Tom ihn musterte. Er hatte ohne Zweifel seinen Meister verärgert. Einen Meister, der ihm plötzlich extrem gefährlich erschien.