Dimitri – 20. September
Demetia zwingt mich, erst zu trinken und zu essen. Ich bin so ungeduldig, dass ich mich mehrfach verschlucke. Demia denkt natürlich, ich würde noch zu schwach sein, aber schließlich zwinge ich sie, mir zuzuhören.
„Also gut. Was ist?“, fragt sie.
Ich setze mich aufrechter hin: „Es gibt einen Grund, warum wir diese Fähigkeiten haben. Es ist … unsere Bestimmung oder unser Schicksal oder so.“
Sie sieht mich zweifelnd an: „Ach ja?“
„Ja“, sage ich bestimmt. „Ich hatte einen Traum, und eine Stimme hat mir alles erklärt. Bitte, Demia, du musst mir glauben!“
Sie atmet tief durch. Dann sagt sie: „Okay.“
„Okay?“
„Ja, okay. Ich glaube dir. Du bist mein Bruder.“
Überrascht, aber auch sehr erleichtert, fahre ich fort: „Es gibt noch mehr Kinder wie uns. Wir sind insgesamt sieben. Wir sind Kinder der Elemente.“
Ich sehe Demetia an, aber sie macht keine Anstalten, mich zu unterbrechen.
„Es sind fünf Elemente – Feuer, Wasser, Erde, Luft und Dunkelheit. Eigentlich müsste jedes Element durch zwei Kinder vertreten sein, aber das hat nicht geklappt. Also gibt es nur sieben und keine zehn.“
„Warum zwei Kinder für jedes Element?“, fragt Demia ruhig und kein bisschen so, als würde sie mir nicht glauben. Ich liebe meine Schwester in diesem Moment.
„Weil jedes Element zwei Seiten hat, die sich extrem unterscheiden. So wie wir. Wir sind die Kinder der Erde – aber ich beherrsche Stein und du beherrscht die Pflanzen. Deshalb unterscheidet sich unsere Macht so sehr.“
Demetia nickt langsam. Sie schweigt.
„Eigentlich sollte jedes Element von Geschwistern vertreten sein. Sogar von Zwillingen, doch es kam anders. Denn die Zeit wurde knapp, und jetzt läuft sie aus.“
Ich halte inne.
„Die Zeit läuft aus? Was heißt das?“
„Das heißt, dass das Ende kommt. Im nächsten Jahr wird die Welt untergehen. Und zuvor müssen wir die anderen Kinder finden.“
„Also die anderen Kinder der Elemente, ja?“, fragt Demetia. Sie nimmt die Neuigkeiten erstaunlich ruhig auf: „Wie viel Zeit haben wir?“
Ich schließe die Augen, als ich mich erinnere. Dann gebe ich die Worte wieder, die sich in der Dunkelheit unter der Erde so tief in mein Gedächtnis gegraben haben.
Wieder und wieder wurden sie wiederholt, bis sie in mein Gedächtnis wie in Stein gemeißelt sind:
„Zuerst wird Feuer kommen, und die Flammen werden die Welt reinigen. Dann folgt ein Sturm, dem sich niemand widersetzen kann, und er wird die Asche forttragen und die Wälder umstürzen. Die Erde bebt als nächstes, so heftig, dass kein Berg fortbestehen kann. Alles, was wir kennen, wird zerbrechen. Über die zerbrochene Welt legt sich Eis, kalt und klar, und alles Leben wird einfrieren.
Dann folgt die Schwärzeste aller Nächte, so dunkel, dass der Tod nicht sehen wird, wessen Seele er mit sich nimmt.“
Ich öffne die Augen und sehe in Demetias bleiches Gesicht.
„Das wird wirklich geschehen?“, fragt sie.
Ich nickte: „Wenn wir es nicht aufhalten, wird es passieren. Schon nächstes Jahr. Wir müssen die anderen Kinder finden oder das Feuer wird uns alle überraschen.“
Demetia vergräbt ihre Hände in ihrem Schoß. Sie zittert, das kann ich ihr nicht verdenken. Ich habe im Traum gesehen, wie all das passieren wird.
Demetia zieht mich in ihre Arme und ich halte sie fest. Dann zittern wir gemeinsam, voller Angst vor dem, was auf uns zu kommt.
„Und Demia …“, sage ich leise, sehr leise.
„Was, Mitja?“
„Das … das war nicht ich. Mit dem Erdbeben. Ich kann es nicht erklären, aber … das war nicht ich.“
Demetia hält mich fest. „Ich weiß, Mitja. Du würdest so etwas niemals tun.“