Dieser Morgen im Schwarzen Schloss bot noch mehr Überraschungen, als ein Tag Oktober für gewöhnlich tat. Statt vom jungen Lord wurden die Gäste pünktlich um zehn Uhr von Draco begrüßt. „Ihnen allen ein wunderbaren guten Morgen. Unser Hausherr hat sich kurzfristig zu einem kleinen Ausflug entschlossen. Er wünscht Ihnen eine gute Zeit und wird in spätestens zwei Tagen wieder hier eintreffen. In wichtigen Angelegenheiten ist er per Eule zu erreichen.“
Severus Snape überraschte die Information nur begrenzt. „Er ist auf der Jagd.“, stellte er nüchtern fest. Fred, der die gestrigen Ereignisse nur mäßig verdaut hatte, entschied dennoch nachzufragen: „Was heißt, er ist auf der Jagd?“ „Was gibt es daran nicht zu verstehen, Mr. Weasley? Lord Potter unternimmt einen Jagdausflug und rechnet damit in zwei Tagen mit der Beute zurück zu sein.“, schnippisch fasste Snape noch einmal zusammen. „Ich sah ihn heute früh in der Dämmerung vom Astronomieturm mit dem Besen starten.“, erzählte McGonagall. „Er war ungewöhnlich gekleidet für eine Jagd. Er trug eine edle Bluejeans im Muggelstyle, schwarze Sneakers und eine Drachenlederjacke. Jagdausrüstung sah ich auch nicht.“ „Was jagt der Dunkle Lord denn nun?“, fragte der zweite Weasley. Snape antwortete trocken: „Dieser bedauernswerte Mangel an Scharfsinn. Die korrekte Frage lautet wen? Jedenfalls wird er dieses Mal nicht mit zwei toten Drachen hier wiederaufkreuzen.“
In der Winkelgasse gingen die Menschen ihren gewöhnlichen Geschäften nach. Niemand beachtete den jungen Mann mit smaragdgrünen Augen, der lässig an den Schaufenstern entlang schlenderte. Bei Qualität für Quidditch blieb er stehen und betrachtete das neuste Modell aus dem Hause Nimbus. Er mochte Nimbusbesen gerne, seitdem er sein erstes Quidditchmatch auf solch einem Besen gewonnen hatte. Er galt damals als jüngster Sucher aller Zeiten. Seine Quidditchkarriere hatte er allerdings nie weiterverfolgt. Im Spiegel der Schaufensterscheibe beobachtete er ein junges Mädchen. Sie mochte 16 oder 17 sein. Ihr langes dunkles Haar hatte sie mit einer goldenen Spange gebändigt. Wie ihr Vater hatte sie eine schokoladenbraune Haut und wache fast schwarze Augen. Zweifellos kam sie aus einem guten Haus, denn ihre Robe stammte von Madame Malkins. Auch war sie durchaus hübsch. Dem Mädchen folgte sehr unauffällig ein Mann, der einen langen Ledermantel trug und der sich nicht in der Scheibe spiegelte. Er folgte ihr nun schon eine ganze Weile aus den Schatten. Er sah den jüngeren an und nickt kaum sichtbar.
Jetzt löste sich der junge Mann vom Schaufenster und stieß mit dem Mädchen wie zufällig zusammen. Sie stürzte beinahe. Er griff nach ihrem Arm und hielt fest. Ihre Handtasche fiel hinunter und mit einem kleinen Schwenk seines Zauberstabes, hob ihn der Junge wieder. „Sorry. Tut mir echt leid. Darf ich Dich zu einem Kaffee einladen?“, lächelte er sie an. Er sah wirklich gut aus. Ziemlich groß. Schwarzes Haar. Eine blitzförmige Narbe auf der Stirn. Sie erkannte ihn sofort. „Harry Potter?“, fragte sie erstaunt. Dieses Lächeln konnte einen vollkommen verrückt machen: „Yep. Mein Name ist Harry Potter und mit wem habe ich die Ehre?“ „Aurora. Aurora Shacklebolt.“, stotterte sie verwirrt von diesem grünen Blick. Er stand leibhaftig vor ihr, der berühmte Retter der Zauberwelt. Harry Potter hatte sie auf einen Kaffee eingeladen. „Hi Aurora. Was ist jetzt mit dem Kaffee?“ Sie stimmte zu und ging mit ihm die Winkelgasse weiter hinunter in ein Café. Der Schattenjäger folgte ihnen geduldig. Er wußte, dass er nur eine Aufgabe hatte, darauf zu achten das kein Auror seinen Herrn störte. Es war eine große Ehre vom Dunklen Lord zur Jagd mitgenommen zu werden. Er würde nicht versagen.
Die Modenschau und die Aftershowparty zogen sich ewig hin. Ginny sehnte sich sehr nach ihrem Geliebten. Sie liebte Lord Potter genauso innig, wie sie Harry geliebt hatte. Beide Seiten gehörten zur selben Magie. Obwohl sie wußte, weshalb sie das Schloß verlassen mussten, wäre sie lieber geblieben. Manchmal spürte sie die unsichtbare Macht seiner Magie in ihrem Inneren – seinen dunklen Ruf. Er nannte sie seine Schöne und für sie war der eine Herr, dem sie gehören wollte. Seine Gespielinnen und Gespielen empfand Ginny als bedeutungslos. Sie bedeuteten ihm nichts, weshalb sollten sie ihr etwas bedeuten. Zu ihr kam er, wenn die Spielzeuge ihre Aufgaben erfüllt hatten. Ihr las er Bücher vor oder spielte mit ihr Karten. Jeden Tag machte er ihr kleine Präsente oder umsorgte sie aufmerksam. Nur mit ihr spielte er Quidditch oder tanzte durch die Nacht. Ihre Sehnsucht wuchs mit jeder Sekunde der Trennung an. „Mine, ich möchte bei Lord Potter sein.“, seufzte sie. Hermine kannte dieses Verhalten von Ginny schon. Auch sie spürte die Sehnsucht nach dem Schwarzen Schloß, wenn sie fort war. Aber ihre Sehnsucht war anders. So wie sie Harry anders liebte und auch Lord Potter anders liebte. „Ginny, es dauert nicht lang. Wir sind bald wieder zu Hause.“
Die Spinne war gewaltig und sehr gierig. Ein besonders widerliches Exemplar seiner Gattung. Lange haarige Beine mit furchterregenden Klauen, die nach Draco schlugen. Sie würde dieses Menschlein genüßlich verspeisen. Er war ihre Beute. Sie konnte ihre Gier nicht im Zaum halten. Sie hatte ihn angegriffen, ohne dass er wußte warum. Sein Zauberstab lag unerreichbar weit weg. Das Monster hatte ihn aus dem Schatten angesprungen, noch bevor Malfoy seiner gewahr wurde. Jetzt lag es auf ihm, dass Maul weit aufgerissen. Giftiger Spinnenspeichel tropfte auf seine Haut. Draco kämpfte verzweifelt. Seine Kraft schwand mehr und mehr. Er schrie nach Hilfe. Niemand kam.
Die Ironie, dass das Tier sterben würde, weil Potter ihn nun bald nicht quälen konnte, entging ihm nicht. Malfoys Verbissenheit gewährte ihm einige Vorteil. Er entging den Klauenschlägen immer wieder.
Eher zufällig kam Severus Snape in den Bereich der Sklavenquartiere. Eigentlich suchte er nach einem Hauselfen als Assistenz bei einem schwierigen Trank. Er hörte eigenartige Geräusche von haarigen Beinen auf den Fliesen. Er zog einen Stab intuitiv. Hinter der Ecke des Korridors sah er das Monster über einem Menschen. Der Mensch kämpfte mit aller Kraft und würde bald unterliegen. Sofort feuerte Snape ein paar Flüche auf sie ab. Sie hielt inne. Draco rang nach Luft. Die Flüche verletzten den Chitinpanzer der Spinne nicht. Ein starkes Geschöpf. Sie schüttelte sich ärgerlich und wendete sich nun wieder ihrer Beute zu. „Bei der Macht von Lily Evans. Expecto patronum!“, schrie Snape mit aller Magie, zu der er fähig war.
Die Hirschkuh erschien in strahlendem Silber. Sie griff die Spinne an. Die weiße Magie traf das Geschöpf der Dunkelheit unerwartet. Das Kerbtier ließ von seinem Opfer ab. Draco nutzte die Gelegenheit, um zu seinem Zauberstab zu gelangen. Er verfluchte das Tier nun zeitgleich mit Snape. „Crucio!“ Sie gab ein ekliges Geräusch von sich. Man hörte ihren Schmerz und ihre nun aufkeimende Angst. Die Magier stimmten sich wortlos ab und gleichzeitig feuerten sie den „Avada Kedavra!“ auf sie ab. Die vereinte Macht des Todes zerriss das Wesen. Die Spinne stieß einen letzten Schrei aus und starb