"Danke... für alles", Finn lehnte auf dem hölzernen Fensterbrett seiner neuen exklusiven Villa in den Bergen von Kitzbühl. Sassy starrte aus dem Fenster: "Ein Naturbadeteich? Wirklich?" Finn zog eine Braue hoch und ließ den Blick über das edle Holz schweifen. Der Kachelofen spendete wohlige Wärme und in der Luxusküche stand der Koch, welcher gleich im Preis inkludiert war. "Ja, wieso nicht? Wenn ich mich schon verstecken muss, dann mit Stil!", er lächelte als er die ersten Schneeflocken entdeckte, Weihnachten nahte. "Weiße Weihnachten!", Sassy fand das beinahe zu kitschig, "Einsam in den Bergen, nur du, der Koch, das Zimmermädchen und die anderen Bediensteten!" Finn blickte sie fragend an: "Du bleibst nicht?" Sassy schüttelte den Kopf: "Ich muss wirklich mal ganz woanders hin. Es gibt jemanden, der mich eingeladen hat!" Finn ging zurück zum Kachelofen und ließ sich auf das weiße Ledersofa fallen, welches danebenstand. "Wer? Zumindest ich sollte wissen, wo und bei WEM du bist!", er verstand die Geheimnistuerei nicht. Sassy ging zu ihm und warf sich auf das weiche Leder: "Als du unten warst, in Nirgendwo, da hatte ich Hilfe von einem Elf. Er ist der Bruder von... Es ist schwer zu erklären... Und eigentlich ein Geheimnis!" Finn hörte ihr aufmerksam zu, sein Koch brachte in der Zwischenzeit zwei dampfende Tassen Tee. Sassy bedankte sich bei dem jungen Mann und nippte, wobei sie sich die Lippe verbrannte. Finn lachte sie, wie erwartet aus: "Du bist ein Lappen! Wenn du mir nicht von dem ominösen Elfen erzählen möchtest, ist das okay, wenn doch können wir ja zu zweit dieses Geheimnis hüten!" Sassy musste nun ebenfalls lachen. Es tat gut mit Finn zu reden und das war nicht das erste Geheimnis, welches sie teilten. Also begann sie ihm alles zu erzählen, genoss die Ruhe und das offene Ohr ihres Freundes. Finn kratzte sich danach verlegen am Kopf: "Alpha ist also deinetwegen nicht mitgekommen?" Sassy nickte. "Und der Elf hat dir gleich zwei wertvolle magische Gegenstände gegeben und dir angeboten, deine Haare zu machen? Das klingt echt schwul!" Sassy prustete los und spuckte versehentlich eine Ladung Tee auf das Sofa. Finn begann sie wieder schamlos auszulachen, dann wurde er wieder ernst: "Dieser Elf, Allister, denkst du er wird mit uns zusammenarbeiten? Es wirkt, als würden sie eher unter sich bleiben, diese Elfen!" Sassy nickte: "Seine Schwester hat sofort einen Rückzug angeordnet, als sie uns entdeckt hat. Ich habe es nicht übers Herz gebracht, ihm zu sagen, dass dieses Ungeheuer, vor dem er mich beschützt hat, sein Bruder ist!" Finn lehnte sich zurück und starrte auf die Holzbalken an der Decke: "Sie haben Treplew damals in die Firma verschleppt, nachdem Alpha zu widerspenstig war für unseren Auftrag und die Energie des Titanen schlug nicht durch. Sie dachten, dass ein Elf vielleicht mehr Erfolg bringen würde. Um ihn zu brechen und seine Identität zu zerstören, haben sie ihm alles genommen: den Namen, die Ohren, die Schönheit, sodass ihn sein eigener Bruder nicht mehr erkennt!" Sassy erhob sich: "Ich werde dir berichten, wenn ich zurück bin. Geh nicht verloren in der Zwischenzeit!" Finn brachte sie noch zur Türe: "Keine Sorge, noch einmal verursache ich keinen Drunken-Master Weltenriss und verliere dabei mein Gedächtnis in einem Bottich aus ... Das erzähle ich dir ein anderes Mal, für heute war das genug!" Sassy zog eine verwirrte Grimasse, es gab noch genug zu erzählen und aufzuarbeiten, aber sie konnte das noch nicht. Sie musste Abstand zu all dem gewinnen und erst einmal wieder mit sich selbst zurechtkommen. "Finn... Ich komme zurück, aber das kann dauern! Aber ich bin sicher, dass du dich nicht langweilen wirst!", sie winkte ihm zu, er blieb auf dem Sofa liegen und winkte zurück. "Du findest nach draußen?", er grinste verschlagen. "Immer noch der Alte", grinste Sassy zurück und verließ die Wohnküche. Der Gang bis zur Tür kam ihr schon beengend vor. Ihre Paranoia, irgendwo doch noch dem irren Treplew zum Opfer zu fallen, war allgegenwärtig. Getrieben von der Schlaflosigkeit und den Depressionen, die das letzte Abenteuer hinterlassen hatten, schlüpfte sie in ihrem Mantel. Die Holztür nach draußen fühlte sich schon beinahe befreiend an, die Schneeflocken waren dichter geworden und bedeckten den Boden vor dem Haus. Sassy schloss die Tür und kramte in ihrer Manteltasche. Nichts von der schönen Natur um sie herum, konnte das Gefühl tiefster Trauer aus ihrem Herzen verbannen. Sie musste hier weg und der wortwörtliche Schlüssel dafür musste sich in ihrer Tasche befinden.
Endlich konnte sie das rostige Ding zwischen all dem anderen sinnlosen Kram herauswinden, gespannt, was passieren würde, steckte sie ihn in das Schlüsselloch von Finns Haustüre. Er passte zu ihrer Verwunderung, nun würde sie ihn herumdrehen und entweder wieder in Finns Vorraum stehen oder an einem gänzlich anderen Ort.
Sie wartete noch einen Moment, dann drehte sie den Schlüssel im Schloss, es klickte und die Tür schien für einen kurzen Moment eigenartig zu schimmern. Gespannt drückte sie die Klinke nach unten und öffnete die massive Holztür. Dahinter konnte sie einen Blick auf wahrlich wunderschöne Einrichtungsgegenstände werfen. Der Raum war durch die hohen Fenster hell erleuchtet, obwohl es bereits dämmerte. Die Vorhänge aus goldenem und blauen Samt waren mit Bändern zur Seite gebunden und ließen sie einen Blick auf die untergehende Sonne werfen. Am Boden lag ein wunderschöner, geknüpfter weißer Teppich mit blauen Akzenten, die zu den Vorhängen passten. Zu ihrer Linken sah sie ein schmales Sofa, weißer Samt und goldene Füße gaben ihm einen edlen Touch. Davor stand ein kleiner Tisch, Bücher stapelten sich darauf. Zu ihrer Rechten stand ein großer Spiegel mit goldenem Rahmen, daneben eine Kommode, im selben verschnörkelten Stil wie der Rest des Raumes. Die weißen Wände wurden von den Holzbalken aufgelockert, deren Holz zum Gestell des Himmelbetts passte. Dieses stand in der Mitte des Raumes, war Blick geschützt von blauen Samtvorhängen. Ein Lüster an der Decke leuchtete den Raum schön aus und auch er schien zumindest vergoldet zu sein. Sassy trat ein und schloss die Türe hinter sich. Auf dieser Seite war es eine dünne Tür aus Holz mit vielen Schnitzereien. Sie warf ihren Mantel auf das Sofa und betrachtete sich kurz in dem großen Spiegel. Ihre Haare sahen furchtbar aus, der Ansatz zog sich über mehrere Zentimeter. Ihr Gesicht war eingefallen und ihre Augen von dunklen Schatten gezeichnet, ihr rechter Arm zitterte unkontrolliert, wie so oft in letzter Zeit.
"Ich wusste ja, dass du eine Zeit brauchen wirst, um zu kommen, aber so lange?", Allisters spöttische Stimme ließ sie herumfahren. Er war gerade dabei, ihren Mantel in der Kommode zu verstauen, lautlos wie gewohnt. Er trug einen langen Mantel aus schwarzem Samt mit edlen Stickereien. Seine langen schwarzen Haare hatte er zusammengebunden.
"Du sagtest ich kann jederzeit...", begann Sassy, aber Allister legte ihr einen Finger auf die Lippen und führte sie zurück zum Sofa. Sie war zu fertig, um sich zu widersetzen, außerdem fühlte sie sich eigenartig sicher in seiner Nähe. Er strahlte so viel Wärme und Güte aus, sein inneres Licht schien es wert zu sein, bewahrt zu werden, das hatte sein Bruder damals gewusst. Sie ließ sich auf den samtigen Stoff des Sofas fallen und ließ los, irgendwie spürte sie, dass sie jetzt nicht mehr stark zu sein brauchte. Zitternd sank sie in sich zusammen, bitterlich weinend über all den Schmerz, den die letzten Jahre gebracht hatten. Über den Zerfall ihrer Gruppe, die wahre Herkunft ihres Anführers und die Bürde, die dieser jetzt zu tragen hatte. Allister setzte sich zu ihr und streichelte ihr sanft über den Kopf: "Du kannst nicht alles tragen, irgendwann zerbrichst du unter dieser Last!" Sassy rollte sich auf dem schmalen Sofa zusammen und legte ihren Kopf auf seinen Schoss: "Kannst du mich heilen Allister? Kannst du diesen Schmerz von mir nehmen?"
Allister lehnte sich zurück und begann ihren Kopf zu kraulen: "Ich kann körperliche Gebrechen und Wunden heilen, aber nicht die Seele. Es wird viel Zeit brauchen, um dein Trauma zu überwinden!" Sassy umklammerte ihren zuckenden rechten Arm: "Warum darf ich hier sein? Wieso willst genau du mir helfen, Elf?" Allister richtete sie wieder auf und nahm ihren Kopf in die Hände: "Weil ich gesehen habe, was du getan hast und was du geopfert hast, um auch meine Welt zu beschützen! Ich kann dir Zuflucht und Sicherheit bieten, solange du möchtest! Aber aufstehen musst du selbst, deine Seele heilen, meine ich!" Sassy nickte und war froh, dass sie gar nicht erst fragen musste, ob sie bleiben konnte.
"Du musst schlafen", Allister stand auf und reichte ihr die Hand, "Schlaf ist wichtig für einen gesunden Geist!" Sassy folgte ihm zu dem Himmelbett und ließ sich hineinfallen, federweich zischen all den Polstern begann sich ihr ganzer Körper zu entspannen. Die Sonne war untergegangen und Sassy schloss zum ersten Mal seit langem friedlich die Augen.
Strahlendes Sonnenlicht weckte sie sanft am nächsten Tag. Langsam setzte sie sich auf und schaute sich um. Es war kein Traum gewesen, das wunderschöne Zimmer war allgegenwärtig. Auf dem kleinen Tisch vor dem Sofa stand ein silbernes Tablett mit Früchten und eine Karaffe mit Wasser. Die zweite Seite des Bettes war perfekt gemacht, eine schwarze Hose und ein rotes Hemd lagen darauf. Sassy war gerade erst aufgefallen, dass sie mit nichts als den Kleidern die sie am Leib trug gekommen war. Es klopfte leise an der Türe, dann öffnete sie sich einen Spalt. Sassy erkannte die Elfe, die sie bereits in Zöne getroffen hatte, Allisters Schwester. "Guten Morgen, Sassy, oder?", ihre Stimme klang weit nicht so bissig wie bei ihrer ersten Begegnung. Sassy nickte nur kurz, sie wusste nicht genau, wie sie ihr Auftauchen in dem fremden Haus erklären sollte. "Ich bin Allison! Die Sachen auf dem Bett stammen von mir, ich hoffe sie passen. Allister sagte mir, dass du nichts dabeihast und eine Weile bleiben wirst!" Sassy war überrascht, sie schien als Hausgast vollkommen akzeptiert zu werden. "Ich wusste nicht ob, naja, solche wie du, normal frühstücken. Allister ist losgezogen, um etwas, wie soll ich sagen, Adäquateres für dich, zu finden!" Sassy war beschämt über all die Umstände, die man sich ihretwegen machte. Essen, Kleidung... "Ich wollte... es tut mir leid... Danke...", etwas Besseres fiel ihr fürs Erste nicht ein.
"Schon in Ordnung", Allison legte den Kopf schief und musterte sie interessiert, "Sollen wir deine Haare machen? Ein Geist kann nur heilen, wenn er sich im Körper wohl fühlt!" Sassy wusste immer noch nicht so recht, wie sie auf all die Freundlichkeit reagieren sollte. "Du musst nichts sagen. Es wird einige Zeit dauern, bis du wieder okay wirst", Allison lächelte sie herzlich an, "Setz dich einfach auf den Stuhl vor dem Spiegel und ich mache den Rest."
Sassy kroch nun doch aus dem Bett und setzte sich vor den großen Spiegel. Ihre Augenringe waren durch den ausgiebigen Schlaf besser geworden, aber nicht verschwunden. Die Haare waren nach wie vor eine Katastrophe, so wenig hatte sie vorher noch nie darauf geachtet. Allison fuhr ihr leicht über die Stirn, woraufhin Sassy wieder sehr schläfrig wurde. "Du solltest dich entspannen", hörte sie Allison noch sagen, "Vertrau mir einfach und lass dich fallen!"
Ein leichtes Rütteln an ihrer Schulter unterbrach diesen Zustand tiefster Entspannung wieder, Sassy schreckte auf. "Kein Grund zur Panik", Allisters goldene Augen funkelten sie ein klein wenig hämisch an.
"Du... wie lange habe ich gedöst?", jetzt erst achtete sie auf ihr Spiegelbild und traute ihren Augen nicht. Aus den ausgewachsenen blonden Zotteln waren seidige Haare geworden. Allison hatte ihr einen Mittelscheitel verpasst, der ihre natürliche Haarfarbe perfekt zur Geltung brachte: Die rechte Seite schwarz, die Linke kastanienbraun. Ihre Augenbrauen waren perfekt in Form gebracht und ihre aufgesprungenen Lippen waren unter einer dicken Schicht Salbe wieder viel weicher geworden. Sassy verwischte die Reste davon und machte einen Schmollmund. Finn hatte sie früher immer Schlauchbootlippe genannt, denn sie und ihre Schwester hatten die vollen Lippen ihrer Mutter geerbt, aber sie wusste, dass die meisten Männer verrückt danach waren. Da entdeckte sie im Spiegel, wie Allister sich vor Lachen krümmte. "Das war jetzt peinlich", stellte sie fest, "aber deine Schwester hat das echt drauf, da fühlt man sich gleich wie ein neuer Mensch!" Allister klopfte ihr von hinten auf die Schultern: "Und damit du nicht verhungerst habe ich dir auch den guten Stoff mitgebracht!" Er deutete auf den Tisch, auf dem eine Holzkiste voller Glasflaschen stand. Alle befüllt mit einer roten Flüssigkeit. "Woher...", Sassy betrachtete den Vorrat an Blut fassungslos. Allister winkte ab: "Ich habe so meine Quellen und Kontakte! Mach dir keine Gedanken darüber. Deine Aufgabe ist es nun zu heilen, von innen heraus!"