Noe grinste und tippte eine Antwort.
»Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist.«
James‘ Antwort kam augenblicklich.
»Doch das ist eine super Idee!«
Der blonde Junge schüttelte den Kopf und antwortete: »Nein! Du wirst nur die Küche abfackeln.«
»Was kann ich denn dafür, wenn ich so heiss bin?«
Ein Schauer kroch durch Noes Körper als er die Antwort las.
»Ich kann nicht beurteilen ob du heiss bist oder nicht.«
»Stimmt. Dann musst du mir wohl einfach glauben.«
Noe hatte keine Ahnung wie James aussah.
In seiner Vorstellung hatte er braune verwuschelte Haare und war muskulös, aber ansonsten hatte er nicht wirklich ein Bild von seinem Chatpartner.
Seit mehreren Monaten schrieben die beiden nun bereits miteinander, hatten aber noch nie miteinander geredet oder sich getroffen.
Noe wusste, dass James genau wie er 17 war und dass er in Bromley wohnte. Das lag nur fünfundvierzig Minuten von seinem Wohnort entfernt.
Doch irgendwie hatte er bisher nicht den Mut aufgebracht den Anderen zu fragen, ob sie sich treffen wollten.
Auch die Beziehung zwischen ihnen zwei konnte er nicht wirklich beschreiben. Sein Herz machte jedes Mal einen Hüpfer, wenn er eine Nachricht von James bekam, aber ansonsten hatten sie nie über ihre Beziehung gesprochen. Noe wusste auch nicht, ob James gleich empfand wie er.
»Ich muss aufhören. Bis morgen«, verabschiedete er sich von James.
»Gute Nacht und schlaf gut.«
Der Blonde klappte den Deckel seines Laptops zu und legte ihn auf sein Nachttisch. Er legte sich hin und versuchte zu schlafen.
»Noe! Aufstehen!«, brüllte seine Mum von unten.
Grummelnd zog sich der Junge die Decke über den Kopf. Jemand packte diese und zog sie von seinem Bett.
»He«, brummte er müde.
»Aufstehen du Schlafmütze!«, sagte seine kleine Schwester lachend.
»Ich will nicht...«
Sie prang auf ihn drauf und tätschelte ihm die Wangen.
»Leia lass das.«
»Du hast wieder zu lange mit deinem Freund gechattet«, tadelte sie ihn.
»Er ist nicht mein Freund«, knurrte der Junge und rollte sich aus dem Bett. Er schlurfte ins Bad und duschte.
Angezogen und mit tiefen Ringen unter den Augen ging er nach unten und setzte sich an den Tisch.
»Hey Schatz, hast du gut geschlafen?«, fragte seine Mum ihn.
»Mhm.« Er kippte ein paar Cornflakes in seine Schüssel und goss Milch dazu.
Die Zwillinge blödelten zusammen rum und grinsten ihre Eltern schelmisch an.
»Noe hat wieder mit seinem Freund gechattet«, sagte Kevin feixend.
»Er ist nicht mein Freund«, murmelte er genervt.
»Du bist in ihn verliebt.« Leia strahlte wie ein Honigkuchenpferd und steckte den Kopf mit ihrem Zwillingsbruder zusammen.
»Lasst euren Bruder in Ruhe«, ermahnte Mum die beiden Zwölfjährigen.
Nachdem Frühstück nahm er seine zwei Geschwister mit seinem Jeep zur Schule. Er lud die beiden bei der Thomas Aveling School ab und fuhr danach weiter an die Rochester Grammar School.
»Willst du dich nicht mal mit ihm treffen?« Leia lehnte sich zwischen den beiden Vordersitzen hindurch.
»Nein«, erwiderte Noe kurz angebunden.
»Wieso nicht?« Nun steckte auch Kevin seinen Kopf zwischen den zwei Sitzen hindurch.
»Einfach.«
Er sah durch den Rückspiegel wie seine Geschwister einen Blick tauschten. Der Parkplatz war bereits fast voll, als er an der Schule ankam. Kaum hatte er den Jeep geparkt, sprangen die Zwillinge auch schon aus dem Wagen.
»Tschüss«, riefen sie und rannten auf die Schule zu.
Er startete den Wagen, fuhr weiter zu seiner Schule.Unmotiviert schloss er das Auto ab und ging auf den Haupteingang zu. »Hey du siehst aus wie ein Zombie«, begrüsste ihn Nuriel grinsend.
»Halt die Klappe«, knurrte Noe.
»Die Ringe unter deinen Augen bedeuten James stimmt’s?« Ihre grünen Augen strahlten schalkhaft, als sie das Geschichtszimmer betraten.
»Was gibt’s denn da zu grinsen?«, fragte Katy, die den Kopf von Nicos Schulter hob. Noe schlug in die Faust von seinem besten Freund ein.
»Noe und sein schlafraubender Freund James«, beantwortete Nuriel Katys Frage.
»Er ist nicht mein Freund«, knurrte er zum gefühlten 100. Mal am heutigen Morgen.
„Mhm“, meinten seine drei besten Freunde grinsend.
„Ach lasst mich doch in Ruhe“, murmelte er zu müde, um noch weiter mit ihnen zu diskutieren.
Er quälte sich durch den Morgen, obwohl er in fast allen Stunden kurz davor war auf dem Tisch einzuschlafen.
„Die Schwuchtel gesellt sich auch noch in die Kantine“, brüllte Cord Harris durch den Raum als er sich mit seinem Tablett an einen Tisch setzte.
Einige lachten, andere starrten ihn einfach nur an, während die Lehrer peinlich berührt dreinschauten.
„Dieser Mistkerl kann was erleben“, zischte Nuriel und sprang von ihrem Stuhl auf.
„Lass es“, murmelte Noe und packte sie am Arm.
„Nein! Er kann nicht einfach solche Dinge durch die Gegend schreien.“ Ihre Augen glommen wie zwei Smaragde und ihre Hände zitterten vor Wut.
„Bitte.“ Seine Augen blickten sie bittend an. Er wollte keine Prügelei vom Zaun brechen.
Sie liess sich wieder auf ihren Platz sinken, warf aber weiter böse Blicke auf Cord.
„Weshalb lässt du dir das gefallen?“, fragte Nuriel ihn.
„Weil so jemand wie Cord Harris es nicht verdient, dass ich mich über ihn aufrege“, antwortete er schulterzuckend.
Am Anfang, nach seinem Coming-Out war es eine schwierige Zeit für ihn gewesen. Dort hatte er mit solchen Kommentaren zu kämpfen gehabt, aber mittlerweile war es ihm egal, was die Anderen von ihm dachten.
Seine Familie hatte das Ganze wirklich gut aufgenommen und auch seine Freunde waren ruhig geblieben.
Doch solche Dinge machten innerhalb weniger Tage, die Runde und schon bald war er Gesprächsthema Nummer Eins gewesen.
Das war hart, aber seine Freunde, seine Familie und Kyo standen ihm bei und das machte die Zeit leichter.
„Hey Zombie! Wo bist du mit deinen Gedanken?“, riss Katys Stimme ihn aus seinen Gedanken.
»Willst du ihn nicht mal treffen?«, fragte Katy ihn vorsichtig.
Noe schüttelte den Kopf.
»Wieso nicht? Bist du nicht neugierig wie er aussieht? Wie seine Stimme klingt?« Nico fuhr sich durch die Haare und schaute ihn fragend an.
»Doch, aber wir haben nie über unsere Beziehung geredet. Ich weiss nicht, ob er mich auch so mag, wie ich ihn oder, ob er einen Freund hat...«, er zuckte mit den Schultern.
Seine Freunde tauschten einen Blick voller Mitleid. Ihnen war der wichtigste Punkt, den er nicht angesprochen hatte, nicht entgangen.
Dass er noch nicht bereit war James zu treffen.
»Du musst ihn ja nicht gleich treffen, aber du kannst ja mal mit ihm telefonieren«, meinte Nuriel.
Sie griff nach seinem Handy und entsperrte es mit ihrem Fingerabdruck.
»He! Gib das her!«, fuhr er auf.
Sie grinste nur schelmisch und tippte hektisch auf seinem iPhone herum.
»Hey James. Wollen wir nicht mal miteinander telefonieren? Noe«, murmelte sie.
»Wehe du schickst das ab«, knurrte er drohend.«
Sie hob den Kopf und drückte auf »Senden«.
»Ups.« Ihre grünen Augen waren gross und schauten ihn unschuldig an.
„Du musst dich trauen, Noe“, meinte Katy und drückte seine Hand leicht.„Ich weiss“, murmelte er.
Aber dennoch kam es ihm falsch vor, sich mit James zu treffen.
Jedes Mal, wenn er mit ihm schrieb, bekam er Schuldgefühle gegenüber Kyo.
Obwohl es schon sieben, fast acht, Monate her war, konnte er nicht aufhören an ihn zu denken.
Er vermisste ihn.
Unglaublich.
Noe wünschte sich, dass alles anders wäre.
Vor allem wünschte er sich, dass er nochmal in Kyos karamellfarbene Augen schauen konnte, durch seine dunklen Haare streichen und seine weichen Lippen küssen konnte.
Doch das war nicht möglich.