Du bist Elred Aramys Nuvian.
„Versuchen wir, die Wachen zu täuschen“, entscheidest du.
Arthrax grinst breit, als sein Vorschlag angenommen wird. Du beschließt, dem Menschen etwas Wind aus den Segeln zu nehmen, ehe er zu euphorisch wird.
„Wie sieht dein genauer Plan aus?“
Wie du erwartet hast, wird Arthrax auf deine Frage hin rasch ernst. Planung war noch nie seine Stärke.
„Wir suchen das Tor, klopfen und sagen, wir würden noch zur Säuberung wollen“, meint der Mensch dann zögerlich.
Du rollst die Augen und unterdrückst ein Stöhnen. „Du hast doch gehört, wie die armen Menschen geschrien haben! Denkst du, jemand von denen würde sich freiwillig zur Säuberung melden?“
„Nein. Außer …“
„Außer, sie sind streng religiös“, beendest du Arthrax‘ Überlegung nachdenklich. Er hat recht! „Wir tun, als wären wir sehr krank. Wir müssen klingen, als wären wir überzeugt, ebenfalls … gesäubert … werden zu müssen.“
Arthrax nickt und hält dir dann ein Stück Stoff hin.
„Was ist das?“, fragst du.
„Kleidung von den Händlern“, sagt Arthrax.
Du klopfst dem Krieger anerkennend auf die Schulter. „Eine Verkleidung, natürlich.“
Arthrax grinst dich an und zieht sich das sandfarbene Gewand dann über. Ihr wickelt euch Stoffbahnen um Kopf, Füße und Hände, die die Farbe von vergilbtem Papier haben. Die Umwicklung geht bis zu den Ellbogen, Knien beziehungsweise bis zum Brustbein herab, sodass am Ende kein Stück Haut mehr sichtbar bleibt. Nur ein schmaler Schlitz für die Augen ist geblieben.
Ihr habt am Tag genug Wissende in solcher Aufmachung gesehen, um euch sicher zu sein, dass niemand euch durchschauen wird. Zuletzt verbergt ihr eure Waffen im erstaunlich locker fallenden Stoff der Roben. Prüfend mustert ihr euch gegenseitig – Perfekt! Niemand wird euch durchschauen können.
Etwas unsicher auf den Füßen, da euer Sichtfeld nun stark eingeschränkt ist, folgt ihr der Mauer bis zum großen Eingangstor, an dessen Holzpforten ihr klopft.
Arthrax röchelt wie ein alter Mann mit Lungenbeschwerden. Du krümmst dich zusammen, als eine Klappe im Tor vorsichtig geöffnet wird.
„Wer ist da?“
„Guter Herr …“, beginnt Arthrax und bricht in einem gespielten Hustenanfall zusammen.
„Die Säuberung“, krächzt du in deiner besten Nachahmung eines alten Menschen, „sie haben uns übersehen. Nie und nimmer werden wir neues Wissen an diesen Ort bringen können.“
Die Gestalt hinter der Klappe ist in Schatten getaucht. Auf eure Vorstellung folgt Schweigen, ehe die Klappe geschlossen wird. Dein Herz schlägt schneller.
Dann wird eine Tür geöffnet, die in den größeren Torflügel eingelassen ist, und ein in nahezu goldene Roben gekleideter Wissender tritt euch gegenüber.
„Ihr seid gekommen, um euch der Säuberung hinzugeben?“, fragt er euch.
Ihr nickt. Arthrax simuliert einen neuerlichen Hustenkrampf.
Der Wissende sieht vom einen zum anderen. Um deine Tarnung perfekt zu machen, kratzt du dich auffällig.
Der Wissende nickt. „Folgt mir dann.“
Als er euch den Rücken zuwendet, tauscht du einen triumphierenden Blick mit Arthrax. Dann tretet ihr durch die Tür und folgt dem Wissenden in einem Tempo, das zu eurer angeblichen Gebrechlichkeit passt.
„Wie konntet ihr übersehen werden?“, fragt der Wissende euch, leises Misstrauen in der Stimme.
„Ich saß am Straßenrand“, erklärst du. „Verdeckt durch die Stehenden. Als ich die Schreie hörte, wollte ich mich nach vorne hindurchkämpfen, doch ich war zu langsam und zu schwach.“
„Ich hab’s komplett verschlafen“, antwortet Arthrax und du hättest fast gelacht. Das wäre mal wieder typisch für ihn gewesen! Er ist ein exzellenter Lügner.
Der Wissende führt euch über Stufen, die von unzähligen Füße durch die Jahrhunderte glattgerieben worden sind. Zu beiden Seiten des Weges liegen die Ruinen, Bauwerke, die einst wunderschön gewesen sein müssen, doch niemand versucht, die verfallenen Räumlichkeiten instandzuhalten. So ist von der ehemaligen Pracht nicht viel mehr als staubbedeckte Steinhaufen geblieben, nur hier und da erhebt sich noch eine Säule oder dümpelt Wasser in einem Becken.
„Hier entlang.“ Euer Führer winkt euch in eine kleine Hütte, die noch halbwegs stabil aussieht. Arthrax folgt dem Mann in das düstere Innere. Du wirfst einen prüfenden Blick die Straße hinauf und hinunter, doch es ist niemand zu sehen.
In diesem Moment hörst du ein Japsen von Arthrax, das dich sofort alarmiert.
„Kein Ton!“, knurrt der Wissende. Du siehst Arthrax im Türrahmen stehen, eine blitzende Klinge wird ihm an den Hals gehalten. Der Krieger ist wie erstarrt und hebt vorsichtig beide Hände.
Du machst es ihm gleich. „Wir werden nicht schreien!“
Da der Wissende Arthrax nicht gleich getötet hat, was ihm auch möglich gewesen wäre, habt ihr vielleicht eine Chance, mit ihm zu reden.
„Sagt mir auf der Stelle, was ihr wirklich hier wollt!“, knurrt der Wissende.
„Wir wollen zur Säuberung …“, stammelt Arthrax und verstummt, als der Druck der Klinge zunimmt. Du kannst sehen, wie das Metall in die Haut an Arthrax‘ Hals gedrückt wird.
„Das könnt ihr sonst wem erzählen, doch keinem Wissenden!“, knurrt der im Schatten Verborgene.
„Es ist die Wahrheit, wenigstens teilweise“, sagst du schnell. „Wir wollen uns nicht opfern lassen, trotzdem wollen wir zur Säuberung. Eine Freundin von uns wurde verschleppt und wir möchten sie retten.“
Du kannst nur die Hand des Wissenden und das Messer sehen, doch die Klinge zuckt leicht.
„Ist das wahr?“, fragt der Wissende und Arthrax nickt.
„Narren!“, knurrt der Wissende und senkt die Waffe, worauf Arthrax erleichtert aufatmet.
„Hilfst du uns?“, fragt der Krieger direkt.
„Selbstverständlich nicht!“, ruft der Wissende aus. „Wenn wir damit anfangen, können wir die Säuberung im nächsten Jahr vergessen! Ich bringe euch zurück zum Tor.“
„Nein, bitte!“ Verzweifelt greifst du in deine Tasche und stößt auf das Geld, das ihr heute verdient habt. Du ziehst die Münzen heraus und hältst sie dem Wissenden hin. „Wir müssen unbedingt dabei sein. Führe uns hin, mehr verlangen wir nicht. Danach kannst du den anderen Bescheid geben oder uns sogar aufhalten, oder gehen und tun, als wärst du nicht beteiligt gewesen. Wir werden kein Wort sagen, nur bitte, schick uns nicht fort!“
Einen Moment herrscht Stille. Dann schiebt sich der Wissende aus dem Schatten und nimmt dir das Geld ab.
„Eure Freundin scheint euch ja viel zu bedeuten.“
„Die Welt“, sagst du, was ja nicht einmal so weit von der Wahrheit weg ist. Wenn ihr die Steine nicht findet, wird Kalynor vermutlich untergehen und mit ihm alle eure Freunde, Bekannten, alles, was ihr kennt.
Der Wissende steckt das Geld ein und seufzt. „Ihr müsst ein Stück zurück, bei der dritten Kreuzung links und dann immer geradeaus. Ihr solltet die Musik schon bald hören können.“
Er gibt euch mit einer Handbewegung zu verstehen, dass ihr gehen sollt.
„Danke“, sagst du und eilst los, Arthrax dicht auf den Fersen.
Tatsächlich habt ihr schon bald einen von Feuern erhellten Platz vor euch, Unzählige verhüllte Wissende tanzten zu den Klängen von Zupfinstrumenten und Trommeln rings um die gefesselten Verschleppten. In der Mitte des großen Platzes erhebt sich eine Art kleiner Kapelle.
Das muss die Schatzkammer sein, da bist du dir sicher.
„Los!“, flüsterst du, denn im Moment scheinen sich alle eher auf die Gefesselten zu konzentrieren als auf die Kapelle.
Ihr wollt gerade loslaufen, als ein Schrei die Musik übertönt.
„Da! Da vorne sind die Fremdlinge!“
Ein Wissender deutet auf euch. Andere wirbelnd herum und ziehen ihre Waffen, die an schlankere Hellebarden erinnern.
„Verräter!“, zischt Arthrax. „Der Scheißkerl hat unser Geld genommen und uns trotzdem verraten!“
Du zerrst an deinem Bogen, doch er hängt an deiner Kleidung fest. Schon haben die Wissenden euch umzingelt.
„Tötet sie! Eindringlinge!“, brüllt jemand und du spürst die dumpfen Schläge der langstieligen Waffen auf dich einprasseln. Arthrax‘ Schrei klingt in deinen Ohren wider, während du zu Boden sinkst.
Dies ist kein Canon-Ende, deswegen gibt es hierzu keine Fortsetzung.
Um das Canon-Ende für Elreds Teil der Geschichte zu erreichen, musst du dich für den Weg unter der Mauer hindurch entscheiden.
Vielen Dank für's Lesen und viel Spaß beim Weiterspielen!