Sirias Glück war ein kleiner Stand auf dem Bürgersteig vor ihrer Wohnungstür. Eigentlich nur zwei Plastikhocker und eine billige Staffelei, dazu eine Tasche mit leeren Bildern und eine Palette.
Alles konnte sie innerhalb weniger Sekunden zusammenpacken, falls es regnete oder falls Polizisten auftauchten.
Sie hatte natürlich keinen Gewerbeschein. Sie hatte nur Pinsel und Farben.
Inzwischen kamen eigentlich immer Passanten, die stehen blieben. Sich von ihr zeichnen ließen oder sie anwiesen, eine Landschaft oder eine Szene zu malen. Ein paar Kinder kamen immer wieder und ließen Siria die neusten Kampfszenen ihrer Lieblingshelden aufmalen – das waren lustige Crossovers der verschiedensten Anime-Charaktere.
Siria zeichnete alles. Sie war schnell und gut.
Sie machte auch noch andere Zeichnungen, abends in ihrer Wohnung. Nackt. Im Akt. Dafür bekam sie gutes Geld, und sie konnte auch noch ein paar Yen rausschlagen, indem sie ihren Auftraggebern einen runterholte. Sich von ihnen vögeln ließ.
Sie konnte davon leben. Konnte die Miete von dem kleinen Zimmer bezahlen, konnte sich einmal alle sechs Monate die Haare neu färben lassen, konnte Essen und Trinken und Drogen kaufen.
Mehr brauchte sie nicht. Ab und zu vielleicht mal neue Farben.
Es ging bergauf. Letztens hatte sie sogar eine Rolle in einem der Filme spielen können.
Die meisten schrieben sie sofort ab, weil sie nicht hübsch war. Sie war kaputt. Man sah ihrem Körper die Nachfolgen der Schwangerschaft an, die Spuren der Drogen, ihr fehlten einige Zehen, Opfer des letzten Winters.
Doch diese Jungs hatten sie trotzdem gewollt. Es lag an Sirias Haaren. Und vielleicht an dem Zielpublikum der Typen.
Ihr war das egal. Sie hatte sich festbinden, schlagen und auf Maschinen setzen lassen. Sie hatte Spaß vorgetäuscht, darin war sie gut. Sie hatte all die Narben vor der Kamera präsentiert und zugelassen, dass Zungen, Hände und Schwänze der Kerle sie überall berührt hatten.
Es ging bergauf. Sie hatte eine Wohnung. So etwas ähnliches wie einen Job.
Sie könnte alles, was früher gewesen war, einfach vergessen.