„Gib mir die Gitarre!“
Kaiko hob den Blick. „Nein.“
Der bullige Typ verschränkte die Arme. „Du spielt eh nicht, Freak.“
Das Blut pochte hinter Kaikos Schläfe. Es fühlte sich gut an. Eine Mischung aus Angst und Wut. Er hatte sich lange nicht mehr so lebendig gefühlt.
Er packte die Gitarre fester. „Ich spiele darauf!“
„Ich beobachte dich seit Tagen.“
Die Kleidung … sie wies den Typen als Obdachlosen aus. Natürlich.
„Gib mir die Gitarre“, verlangte er wieder. Musiker machten mehr Geld als Bettler. „Du sitzt nur da und spielst nicht! Gib sie mir!“
Eigentlich hatte der Kerl recht. Kaiko wandte den Blick ab und sah auf die Saiten. Zupfte. Spielte die ersten Akkorde, die der Typ sicherlich erkannte: The Final Countdown.
We're heading for Venus. And still we stand tall.
Der Kerl packte den Gitarrenhals und riss das Instrument aus Kaikos Händen.
„Nein!“, schrie Kaiko und warf sich auf den Größeren.
Er war schmächtig. Klein. Schwach. Trotzdem wehrte er sich mit Zähnen und Fingernägeln.
„Freak!“, brüllte der Bullige. Ein Schlag gegen Kaikos Kopf, es erklang ein quälender, disharmonischer Schrei der Gitarre.
Kaiko fiel. Um ihn herum fielen Holzsplitter. Etwas traf sein Gesicht, schmerzhaft.
Dann Schwärze.
„Sie haben Glück gehabt“, sagte die junge Assistenzärztin, als sie den Verband entfernte. „Das hätte auch ins Auge gehen können.“
Sie lachte freundlich. „Im wahrsten Sinne des Wortes. Die gerissene Saite hat Ihr Auge nur knapp verfehlt.“ Sie zeigte ihm sein Gesicht in einem kleinen Handspiegel. Eine tiefe, eitrige Wunde lief über die Stirn, quer über die Nase, bis zum Mundwinkel. Verkrustet.
Kaiko ließ sich nicht aufheitern. Er statte auf seine Hände, die in dicken Verbänden steckten.
Der Kerl war drauf getreten. Mehrere Finger waren gebrochen.
Nie wieder spielen.
„Wen soll ich anrufen?“, fragte die junge Frau mitfühlend.
Er sah sie verwirrt an.
„Familienmitglieder? Freunde?“
„Niemanden“, antwortete Kaiko. „Jetzt habe ich niemanden mehr.“