„Und? Hast du auch noch fleißig gelernt?“ Luna drückte mich an sich und gab mir einen kleinen Kuss auf die Wange. „Du siehst so kaputt aus, Sam! Aber mach dir keine Sorgen, wir schaffen das schon noch. Dann ist es vorbei!“ sie schüttelte den Kopf und drückte mich noch einmal an sich. Ich fühlte mich auch nicht gut. Erstens hatte ich seit zwei Tagen kaum mehr geschlafen, außer gestern über meinen Notizen und das war auch nicht entspannend. Auch wenn Luna und ich fleißig mitgelernt hatten, es war viel zu viel Stoff in den letzten zwei Wochen dazugekommen, als dass ich das alles noch in meinen Kopf bekommen hätte können. Aber sie hatte recht, es war die letzte Prüfung, die anderen hatten wir schon hinter uns. Jetzt konnte ich nur noch darauf hoffen, dass die Dinge, die ich mir nicht hatte merken können, nicht drankommen würden. Sollte ich nicht über der Prüfung einschlafen. Selbst Energy Drinks, die ich in mich reingeschüttet hatte als wären sie lebensnotwendig, halfen mir nicht mehr, wacher zu werden, meine Augenringe hatten mir heute morgen noch unten bei den Mundwinkeln gehangen und ich hatte keine Ahnung, ob sich das mittlerweile gebessert hatte.
„Ich glaube, ich kippe gleich tot um.“ mehr sagte ich nicht zu ihr, bevor sie mir eine Pausenbox in die Hand drückte.
„Glaub mir, mir gehts nicht viel besser. Es war viel zu viel auf einmal. Gehen wir gleich rein?“ sie nahm mich am Arm und half mir, in den Vorlesungssaal zu gehen, alleine währe ich wahrscheinlich umgefallen. Wir saßen auch bis zum Beginn der Prüfung einfach nur da und sprachen nicht mit dem Anderen. Warum auch? Sie war bestimmt nicht weniger müde als ich. Und eigentlich wollte jeder Einzelne in diesem Raum nur schnellstmöglich alles hinter sich bringen, es war keiner hier, der sehr viel ausgeschlafener aussah als ich. An diesem Morgen dachten sich wohl alle, sie hätten den falschen Studiengang gewählt.
„Fang mich, wenn ich umfalle.“ ich hielt mich wieder an Luna fest, welche mir nur auf den Rücken klopfte.
„Jetzt haben wir es endlich hinter uns! Heute Abend schaue ich Netflix bis zum umfallen, das verspreche ich dir!“.
„Ich wünschte, ich könnte. Aber ich hab mich mit einem Freund zum übernachten verabredet und so schnell werde ich meinen Schlaf ganz sicher nicht nachgeholt kriegen.“ stöhnte ich genervt. Ja, ich freute mich auf Elias, aber gleichzeitig hatte ich so gar keine Lust mehr darauf, mich mit ihm zu treffen! Eigentlich wollte ich nur schlafen!
„Uh, meinst du, da könnte was laufen?“ sie zwinkerte mir grinsend zu, aber ich schüttelte nur den Kopf.
„Nicht mal mein Schwanz würde noch stehen, so müde bin ich!“. Ja, das meinte ich ernst. Auch wenn Elias scheiße heiß war, ich würde heute nicht mit ihm schlafen können. Außer er würde mir einen blasen, aber da er ja kein Bottom war, wenn er mit anderen Bottoms schlief, konnte ich das vergessen.
„Ach was! Wenn der richtige Mann kommt, würdest auch du die Beine breit machen, ohne zu zögern! Egal ob er hart ist oder nicht!“ neckte Luna mich und ich schüttelte bloß den Kopf über sie, bevor ich mein Zeug zusammenpackte und mich verpisste. Nicht nur, dass ich so schnell wie nur möglich nach Hause wollte, weil Elias vielleicht da schon auf mich wartete, und ich am liebsten in mein Bett fallen und nie wieder aufstehen wollte. Ob er sich auch mit einem Kaffee to go zufrieden geben würde?
„Hey, du bist aber spät dran!“ Elias schloss mich in die Arme und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Und du siehst wirklich komplett kaputt aus!“ er hielt mir einen Becher von Starbucks unter die Nase und grinste.
„Das heißt, wir gehen nicht noch irgendwo hin?“ fragte ich hoffnungsvoll und er schüttelte den Kopf.
„Ich hatte schon einige Freunde, die studiert haben und ich habe auch schon oft Architekturstudenten nach ihren Prüfungen gesehen, deshalb bin ich gar nicht erst davon ausgegangen, dass wir irgendwo hingehen würden.“ erklärte er und ich atmete nur erleichtert auf.
„Oh Gott, danke, setzen wir uns einfach auf die Couch und schauen ein paar Folgen South Park oder sowas?“ schlug ich vor und er nickte.
„Gerne doch, es ist immer schöner, Serien mit jemandem zusammen zu schauen. Aber South Park darf ich nicht, die Serie hat René sich reserviert.“ er zwinkerte mir zu und folgte mir nach oben in meine Wohnung. Dort stellte er den Kaffee auf meinen Couchtisch und warf sich noch vor mir auf die weichen Kissen.
„Ich hoffe, du magst Latte?“ er hielt mir den Becher entgegen und ich nahm ihn entgegen.
„Nicht wirklich. Aber wenn ich mich noch ein paar Mal mit Noah treffen muss, werd ich mich dran gewöhnen.“ scherzte ich.
„Das ist genau der Grund, aus dem ich angefangen habe, Kaffee zu trinken, also von dem her.“ sein Zwinkern von der Seite gefiel mir und ich musste ein bisschen schmunzeln.
„Darf man fragen, woher du die hast?“. An seinem Handgelenk trug er eine Uhr, besser gesagt eine Rolex und sie sah wirklich gut aus.
„Ein Geschenk von René. Weil er mich vermisst hat und er mir ja lange nichts mehr geschenkt hat.“ er grinste weit. „Es ist eine Rolex Lady-Datejust 28 Oylster 28mm mit Edelstahl Oystersteel und Everose-Gold mit Diamanten und sie kostet 14.150 Euro. Ich hab noch nie in meinem Leben sowas schönes geschenkt bekommen. Und ich hatte es auch nie erwartet! Kannst du dir vorstellen, wie ich mich gefreut habe? 14.000 Euro hat er für eine Uhr ausgegeben, um sie mir zu schenken! Das ist so viel Geld!“ freute er sich und seine Handy zitterten etwas, als er sich wieder beruhigt hatte.
„Es ist verdammt viel Geld! Und sie ist wirklich unheimlich schön!“ ich nahm sein Handgelenk und hob es etwas nach oben, damit ich mir die Uhr noch genauer ansehen konnte. Sowas schönes und teures hatte ich auch noch nie geschenkt bekommen! Da wurde ich schon ein bisschen neidisch auf ihn!
„Jetzt kann ich aber nicht mehr nein zu ihm sagen, wenn er wieder einen Dreier mit jemandem will!“ Elias rollte mit den Augen und atmete dann tief durch. „René mag dich übrigens. Vielleicht will er ja bald einen Dreier mit dir? Wenn, dann ficke ich dich, klar?“ er zog eine Augenbraue nach oben und lachte dann. „Nur ein Spaß, alles Ok!“ wieder zwinkerte er und ich lächelte etwas nervös. Von Sex hatte ich genug gehrt, seit mir klar war, dass Noah mich auf gar keinen Fall absagen lassen würde.
„Ich glaube, er mag dich mehr als du denkst. Zumindest kam das bei meinem Besuch bei ihm so rüber.“ vermutete ich, aber Elias schüttelte den Kopf.
„Hör auf, das zu sagen. Ich weiß, dass er mich mehr mag als er sollte. Aber ich sehe nicht ein, dass ich genau wie seine Frau werden sollte. Sobald ein Mann wie René einen hat, ist man langweilig für sie geworden. Klar, ich würde sicher mehr Geschenk wie die Uhr hier bekommen, aber eigentlich zeigt es doch nur, dass er denkt, er würde mich damit zufriedenstellen können.“ interpretierte er in sein Geschenk.
„Also ich denke, er würde dich einfach gerne für sich alleine haben. Nicht mit blöden Hintergedanken, sich jemand neuen zu suchen.“ wollte ich ihn beruhigen. Was sollte das denn für eine Theorie sein?
„Nur weil er das sagt, muss es nicht stimmen. Außerdem will ich nicht, dass er sich von seiner Frau scheiden lässt, sie mag mich.“ er schüttelte den Kopf und trank wieder aus seinem Kaffee. „Wie wäre es, wenn wir langsam anfangen, Netflix zu schauen und nicht mehr über René oder seine Frau oder mich reden?“ schlug er vor.
„Wir könnten auch einfach über mich reden. Gibt relativ viel, dass ich sagen will. Mit meinen anderen Freunden geht das ja schlecht.“ bat ich und er nickte.
„Erzähl mir von jedem einzelnen Problem, das dir auf dir Seele brennt.“ er stellte seinen Kaffee ab und nahm meine Hände in seine.
„Du bist wirklich ein guter Freund, Elias. Hast du noch viele Freunde, außer mir?“.
„Es soll um dich gehen, du Vollidiot! Und nein, habe ich nicht. Jetzt erzähl endlich!“ schimpft er und schubste mich etwas nach hinten weg.
„Vielleicht will ich ja auch was von dir wissen?“.
„Vielleicht will ich ja nichts von mir preisgeben? Ich mag es nicht, wenn die Leute zu viel über mich wissen. Also, deine Probleme, die du mit niemandem besprechen kannst außer mir?“ kam er zurück zum Thema. Man, ich wollte so viel wie möglich über ihn wissen!
„Naja, ich hab in letzter Zeit ziemlich viel Scheiße gebaut und eigentlich will ich wieder zu meiner Mutter kriechen und ihr sagen, dass sie recht hatte und ich es alleine nicht in der Welt schaffe, aber andererseits will ich ihr auch auf gar keinen Fall recht geben.“ gestand ich ihm und er schüttelte den Kopf.
„Ach was! Ich finde, du machst das schon wirklich gut! Und dass sich nicht jeder sofort in einer neunen Stadt mit neuen Leuten und einem neuen Job zurechtfinden kann, das sollte doch auch klar sein!“ ermutigte er mich. Oder zumindest versuchte er es, ob es so funktionierte wie er sich das vorstellte, wusste ich nicht.
„Es ist ja nicht Mal das, sondern ich hab mich auch noch mit Vincent und meinem anderen Bruder gestritten. Noah macht mir im Moment ziemlich Angst und ich werde mich in ein paar Wochen, drei wenn ich mich nicht verrechnet habe, mein erstes Mal mit jemandem haben, den ich nicht kenne. Aber hätte ich das nicht ausgemacht, müsste ich mit Aleister schlafen und das will ich nicht, weil er ein ekelhafter Mensch ist!“ ratterte ich schnell runter, sodass Elias sicher die Hälfte nicht verstand.
„Wieso hast du dich denn mit deinen Brüdern gestritten? Das mit Noah ist glaube ich bei jedem von uns so, er kann einem einfach furchtbar viel Angst machen, nicht?“ wieder lächelte er nur verständnisvoll. Ob er wirklich so fühlte? Wer wusste das schon, er machte das mit dem Escort Ding ja schon ziemlich lange und da lernte man sicher, wie man Gefühle fakte.
„Er ist komisch, ich hab das zwar vorher schon mitgekriegt, aber da dachte ich noch, er würde mich mehr mögen als die Anderen. Mit Quentin hab ich mich schon gestritten, da war es Weihnachten und er hat gesagt, dass er schon ganz lange Kontakt zu Vincent hat. Dann wollte ich nicht mehr mit ihm reden. Aber jetzt will ich es wieder. Weil ich mich mit Vincent gestritten hab, weil er einfach gegangen ist und dann gesagt hat, dass man manchmal Dinge hinter sich lassen muss, auch wenn es die Familie ist. Und das hat mir wehgetan.“ erzählte ich noch mehr. Das tat weh. Ich wollte es nicht wiederholen. Wirklich nicht.
„Ach was! Und deshalb bist du jetzt böse auf Quentin? Wenn er seine Lebenszeit mit einem Arschloch wie deinem anderen Bruder vergeuden will, soll er das doch machen! Mir für meinen Teil wäre die Zeit dazu zu schade. Denn ein Mann, der seine Familie im Stich lässt, nur weil es ihm nicht passt, ist für mich kein Mann mehr. Sondern ein Arschloch, das es nicht verdient hat, eine Familie zu haben.“ regte er sich auf und dabei schien er ziemlich sauer zu werden. „Dein Bruder ist ein Arschloch, hast du mich gehört? Er hat es nicht verdient, einen Bruder wie dich zu haben, der sich wahrscheinlich ständig darüber den Kopf zerbrochen hat, wie es ihm gerade geht. Sowas sollte man aus seinem Leben verbannen und ihm keine Chance mehr geben!“ schimpfte er mich und atmete dann tief durch. „Entschuldigung, das sind die Gefühle, die mit mir durchgehen.“ er strich sanft über meinen Unterarm. „Du siehst so verdammt kaputt aus, Samuel. Und das liegt nicht nur daran, dass du deine Prüfungen hinter dir hast, sondern auch an all den Dingen, über die du dir Gedanken machen musst. Wenn du einen ehrlichen Rat willst, ich würde sagen, du entschuldigst dich bei Quentin und bläst Vincent in den Wind. Soll er schauen, wo er ohne seine Familie bleibt.“ riet er mir und gab mir einen kleinen Kuss auf die Stirn. „Du bist viel zu gut für jemanden wie Vincent.“.
„Danke. Ich rufe Quentin morgen an.“ versprach ich ihm und mir.
„Gut. Und wegen Noah und der Jungfräulichkeit? Egal mit wem du schläfst, wenn du Aleister als zweite Wahl hattest, war die Entscheidung auf jeden Fall gut! Glaub mir, er ist zwar nicht schlecht im Bett, aber nichts für einen Mann wie dich.“ schon wieder zwinkerte er mir zu.
„Nichts für einen Mann wie mich? Was willst du damit sagen?“ hakte ich nach und er zuckte mit den Schultern.
„Du hast zwar ein kleines Bäuchlein, das durch deinen offensichtlichen Konsum von Getränken mit Koffein nicht kleiner geworden ist, aber trotzdem bist du meiner Meinung nach viel zu zierlich für ihn. Wenn du mit deinen Armen keine vierzig Kilo oder mehr stemmen kannst, bist du nie richtig für Aleister.“ er trank wieder von seinem Kaffee, der mittlerweile sicher kalt war, wie meiner, den ich noch nicht wirklich angerührt hatte.
„Ich frage am besten einfach gar nicht, oder? Will ich wissen, welche Sexstellungen Aleister mag? Will ich wissen, woher du das weißt?“ scherzte ich und er schüttelte den Kopf.
„Das willst du mit einer ziemlich großen Wahrscheinlichkeit nicht wissen!“.
„Gut, dann belassen wir es einfach dabei und reden nie wieder darüber?“ schlug ich vor und er nickte.
„Deal.“.
Endlich hatte ich mir etwas wirklich von der Seele reden können. Elias war wirklich ein toller Kummerkasten! Und er stellte keine komischen Fragen oder sowas. Er hörte zu und gab mir gute Ratschläge, die ich befolgen konnte, ohne großen Aufwand zu haben. Außerdem fühlte ich mich nicht mehr ganz so schlecht wegen meinem Ersten Mal. Wenn er sagte, ich hatte die bessere Entscheidung getroffen, dann war das wohl auch gut so. Irgendwie konnte ich das schon hinter mich bringen. Gott, er war so schön warm. Und dann roch er auch noch so gut! Wie konnte ein Mann nur so gut riechen? Unglaublich!
„Riechst du gerade an meinem Schritt?“ seine Hände hatte er in meinen Haaren vergraben und meinen Kopf die ganze Zeit gestreichelt. Auch wenn ich so müde gewesen war, jetzt konnte ich ganz schlecht schlafen und ich bekam ziemlich viel von der Dokumentation über ein russisches Gefängnis mit. Elias hatte das vorgeschlagen, sowas interessierte ihn anscheinend.
„Vielleicht? Was kann ich dafür, wenn du so verdammt gut riechst?“ verteidigte ich mich und er schüttelte den Kopf. Langsam drehte ich mich ganz um, sodass ich ihm richtig ins Gesicht schauen konnte.
„Ach ja? Ich rieche gut? Und das musst du anhand meines Schrittes feststellen?“ er gab mir einen Klaps auf die Wange und lachte.
„Ja, muss ich. Jetzt fehlt mir nur noch die Antwort auf die Frage, wie du schmeckst.“ diesmal war es ich, der ihm zuzwinkerte.
„Wenn es dich wirklich so sehr interessiert, wieso findest du es nicht einfach heraus?“ er biss sich auf die Unterlippe und ich richtete mich ganz langsam auf, sodass ich neben ihm saß. Dabei blieb es aber nicht lange, denn er zog mich an meinem Arm auf seinen Schoß und hielt mich an der Hüfte auf diesem Platz fest.
„Du bist wirklich schön, Samuel, weißt du das? Wer auch immer der Mann ist, mit dem du schlafen wirst, er hat wirklich viel Glück.“ schwärmte er und legte sanft seine Lippen auf meine. Er konnte gut küssen. Und ich hoffte mehr als alles andere, er würde niemals aufhören.
„Nicht!“ ich wollte ihn zu mir zurückziehen, als er den Kuss beendet hatte, aber er schüttelte den Kopf und ließ meine Hüfte wieder los.
„Leg dich wieder hin. Du kannst nicht einmal deine Lippen mehr richtig bewegen. Schlaf ein bisschen, ok?“.
Seine Hände fuhren wieder durch meine Haare, als ich zurück auf seinem Schoß lag. Im Fernsehen heulte gerade ein Mann, J.W. hatte sich an meinen Bauch gekuschelt und Elias hatte meine Bettdecke geholt und mich damit zugedeckt während die Couchdecke über seinen Schultern lag. Ich war gut behütet von zwei Decken, meinem wuscheligen Kater und Elias, der sich nach wie vor auf den Fernseher und die Aufgabe, meinen Kopf zu streicheln, konzentrierte. Jeffrey war sicher auch irgendwo auf der Couch und genoss die Wärme, die wir auf meiner Couch bündelten. Wir würden eine süße, kleine Familie abgeben. Zumindest ich würde mich gut damit abfinden können, das hier jeden Abend zu haben. Und danach vielleicht ein bisschen Kuschelsex? So konnte ich mir mein Leben gut vorstellen.
„Bist du schon wach? Es ist doch erst elf!“ Elias lachte und streckte sich ausgiebig, als ich nicht mehr auf ihm lag. Das war sicher auch für ihn eine wahnsinnige Erleichterung!
„So spät? Und du musstest die ganze Nacht so unangenehm komisch auf der Couch verbringen?“ ich konnte mir schlecht vorstellen, dass er das so ausgehalten hatte.
„Ach was! Das ging schon! Ist ja auch keine große Kunst, oder?“ er zwinkerte mir zu und stand dann auf. „Das einzige, was mich irgendwie gestört hat war, dass ich unbedingt auf die Toilette muss. Wo ist die, wenn ich fragen darf?“.
„Gleich die erste Tür rechts im Gang. Du kannst dir auch die Zähne putzen, ich hohl Brötchen.“ schlug ich vor und er verschwand mit einem kurzen „Tu das“ in meinem Bad. Eigentlich wollte ich gar nicht aufstehen. J.W. und Jeffrey kuschelten neben mir gerade miteinander und es war noch warm unter meiner Decke. Der einzige Grund aufzustehen war, dass Elias Brötchen bekommen würde. Aber das reichte mir auch. Nicht nur, dass ich ein guter Gastgeber sein wollte, er sollte sich bei mir auch wohlfühlen. Vielleicht auch, weil ich vor ihm gut aussehen wollte. Obwohl er mir ja immer sagte, dass ich wunderschön war. Das hatten bisher wenige getan und ich würde wahrscheinlich auch von niemandem anderen dieses Kompliment so annehmen.
Während ich mir meine Jacke anzog, hörte ich das Wasser in den Rohren rauschen. Eine Dusche würde mir auch guttun. Ich hatte in meinen Klamotten geschlafen und war sicher nicht nur verschwitzt, sondern stank auch gewaltig. Gott, konnte ich so überhaupt nach draußen gehen? Der Bäcker war nur ein paar Minuten Fußmarsch entfernt, also würden mich nicht viele Menschen sehen oder riechen müssen. Das ging schon so!
„Das ist wirklich lieb von dir, ich liebe frische Semmeln! Sie sind ja sogar noch ein bisschen warm!“ Elias strich sich gerade Honig auf sein Brot.
„Ja, ich mag es auch, wenn sie noch ganz frisch sind. Früher haben wir immer frische Semmeln gegessen, aber irgendwann hatte meine Mutter keine Lust mehr, für uns zu backen. Ich glaube das war so um die Zeit, als mein Vater immer mehr Geld verdient hat.“ erzählte ich und er schüttelte den Kopf.
„Ich verstehe nicht, wie du dich auf mein Niveau herablassen kannst, wenn du aus einer reichen Familie kommst. Naja, Eduard oder ich zum Beispiel, wir hatten nicht nie wirklich viel, aber du bist schon so aufgewachsen. Deshalb wundert es mich auch, dass du so unbeholfen bist. Vor allem was deine Sprache angeht. Deine Eltern müssten dir doch gutes Benehmen und das alles beigebracht haben, oder nicht?“.
„Ich weiß noch nicht einmal, was unbeholfen heißt. Und nein, meine Mutter hat sich nie wirklich dafür interessiert, dass wir uns gut benehmen. Das war für sie immer eine Sache, die wir uns selbst beibringen mussten.“.
„Unbeholfen heißt so viel wie ungeschickt und nicht gewandt. Es ist wirklich Schade, du solltest dich damit Mal auseinandersetzen. Das kommt nicht nur bei den Männern gut an, sondern auch im alltäglichen Leben werden Menschen bewundert, wenn sie sich ausdrücken können. Neid und Verachtung sind auch nur Ausdrücke der Bewunderung gegenüber jemandem, der das hat was man möchte aber niemals bekommen wird.“ er zwinkerte mir zu und lachte dann. „Manchmal rede ich so einen Stuss, das ist kaum zu fassen!“.
„Denkst du viel über so komische Sachen nach? Also was Neid und Verachtung sind? Ich meine, das macht ja auch nicht jeder, oder? Zumindest hat das noch nie jemand so zu mir gesagt.“ fragte ich nach und er schüttelte den Kopf.
„Sam, was denkst du wie viel die Menschen reden würden, wenn sie alles aussprechen würden, was sie denken? Noah würde seinen Mund kaum mehr zubekommen! Du kannst in einer Welt wie unserer nicht überleben wenn du ständig unüberlegt losplaperst!“ er beugte sich über den Tisch und zeigte mit dem Finger auf meine Stirn. „Gedanken behält man am besten für sich und geht mit ihnen um, wie mit ihnen umgegangen werden sollte. Als wichtigstes Gut, das du besitzt. Denn sie sind das einzige, was niemand außer dir selbst mitbekommt. Nur dumme Menschen reden viel. Kluge Leute halten die Klappe, analysieren Situationen und Körpersprache und wissen viel mehr als sie preisgeben. Und genau das ist das einzige, was du dir immer im Hinterkopf behalten solltest. Vor allem wenn du mit Menschen wie Noah Johansson, Aleister Young oder mir redest, klar?“ er hatte mir mit dem Finger auf die Brust getippt und schaute mich mit einem Blick an, den ich nicht von irgendjemandem bekommen wollte. Er hatte etwas warnendes und gleichzeitig sah es aus, als würde er sich um mich sorgen.
„Ich habs verstanden.“ dabei schaute ich auf meine Hände, welche lustlos das Messer und meine Semmel festhielten. Elias hatte mir Angst gemacht. Und ich wusste nicht einmal, was er mir wirklich sagen wollte!
„Mach nicht so ein verwirrtes Gesicht! Du kannst doch nicht wirklich so dumm sein! Als wäre es nicht sowieso so, dass Noah denkt, er könnte alles mit dir machen. Man Sam, du musst noch so viel lernen, das kann ich dir gar nicht alles beibringen. Aber wunder dich nicht, wenn du ausgenutzt und verletzt wirst, ja? Ich hab es dir gesagt.“ fügte er noch hinzu und lächelte dann wieder. „Kannst du mir bitte die Butter geben?“.
Mir ging das, was Elias gesagt hatte, einfach nicht mehr aus dem Kopf. Auch nicht die letzten zwei Wochen, in denen ich noch fünf andere Dates hatte. Es waren Blowjob und Handjobs die ich an Männer über vierzig verteilt hatte. Einer von ihnen war sicher schon über sechzig! Ob ich das genossen hatte? Nicht wirklich, es war relativ abstoßend, aber nachdem ich im Internet Berichte gelesen hatte, dass es bei anderen noch schlimmer war, wollte ich mich nicht mehr beschweren. Aber je mehr ich mit Leuten ausgegangen war, die Noah mir zugeteilt hatte, desto mehr wusste ich: Ich wollte nicht ausgenutzt und verletzt werden! Schon gar nicht von einem Mann wie Noah! Und ich konnte auch nicht aufhören, daran zu denken, als ich mit diesem in einem Raum saß, welcher definitiv nicht gemütlich war, und darauf wartete, dass der Arzt uns meine Blutergebnisse mitteilte.
Noah war dabei die ganze Zeit gelassen gewesen und hatte sich ein paar Punkte auf einem Blatt Papier vorgemerkt. Ich konnte nur einen davon sehen, als ich über seine Schulter schielte:
-Louis anrufen
Louis kannte ich keinen, aber so genervt wie Noah aussah, hatte ich Mitleid mit ihm. Den Blick kannte ich nämlich von meiner Mutter und dann sollte man ihr besser nicht begegnen.
„Und? Bist du schon nervös?“ Noah lächelte mich sanft an. „Es tut mir leid, dass ich dich in dem Café so angefahren habe, aber die Nacht davor war wirklich nicht gut und ich hatte schon einige Leute hinter mir.“ Fing er plötzlich an und ich wusste gar nicht mehr so richtig was ich sagen sollte. Das kam dann doch etwas überraschend.
„Ist schon in Ordnung, ich versteh das.“ Gab ich dann kurz zurück, bevor ich wieder auf meine Finger schaute. Es gefiel mir nicht, alleine in einem Raum mit ihm zu sein. Hätte Elias mir bloß nicht sowas eingeredet!
„Du musst wirklich keine Angst vor Winston haben, ja? Ich bin der vollen Überzeugung, dass er der Richtige dafür ist und es entsprechend würdigen wird. Und bitte verhalt dich ihm gegenüber gut, er hat das verdient.“, wies er mich an und ich zuckte mit den Schultern.
„Ich kenne ihn ja nicht, also denke ich, ich verhalte mich einfach ganz normal?“, schlug ich vor.
„Samuel! Er ist ein wichtiger Geschäftspartner und wenn du das vermasselst, kannst du mir das Geld beschaffen. Dafür müsstest du ja nur ungefähr 300 Jahre jeden Tag für 1000 Euro mit jemandem schlafen.“ Noah zog die Augenbrauen zusammen und schüttelte dann den Kopf.
„Deine Jungfräulichkeit ist für mich mehr Wert als alles was dein Vater besitzt. Ist das nicht ironisch?“,fragte er, während ich gerade noch rechnete, wie viel Geld das überhaupt war. Über 100 Millionen? Sicher!
„Ich bin ja auch wunder…“, weiter kam ich nicht, der Arzt war gerade in den Raum gekommen und hatte Noah ein Klemmbrett in die Hand gedrückt.
„Sieht alles gut aus, sie sollten vielleicht etwas darauf achten, mehr Vitamin C zu sich zu nehmen.“, riet der Arzt mir.
„Solange er keine Krankheiten hat, ist alles gut. Und ich sehe hier nichts. Herzlichen Glückwunsch Sam, du wirst deine Jungfräulichkeit in drei Tagen an einen wundervollen Mann verlieren!“ Noah klopfte mir auf den Rücken und stand dann auf. „Ihr Geld bekommen sie spätestens morgen, einer meiner Männer wird es vorbeibringen, vielen Dank, dass ich immer auf sie zählen kann!“ Bedankte er sich dann noch. Der Mann in dem weißen Kittel nickte nur und brachte uns beide zur Tür, wo schon eine Limousine wartete. Wieso hatte ich mir in dem Moment, als der Arzt mit dem Brett wiederkam so sehr gewünscht, ich würde plötzlich AIDS bekommen? Bestimmt würde ich dieses Treffen versauen! Und Noah würde sauer auf mich sein, wenn nicht sogar versuchen mich umzubringen! So oder so würde ich das nicht gut überstehen. Scheiße.
„Apropos, ich wollte noch fragen, ob du weißt, was cleaning out ist, oder ob ich dir Elias noch einmal vorbei schicken soll?“ Noah hatte mit seinem Handy gespielt und plötzlich zu mir aufgesehen.
„Ich bin schwul, nicht blöd.“, war das einzige, was ich dazu zu sagen hatte.
„Also schicke ich Eduard vorbei und er zeigt es dir. Lass diese Gefühle lieber links liegen, ja?“, wies er mich an und schaute dann wieder in sein Handy. Nein, ich wollte keine Zeit mit Eduard verbringen! Das war doch alles Scheiße!
„Da sieht jemand ja gar nicht begeistert aus! Freust du dich über meinen Besuch?“ Eduard kam mit einer Schachtel unter dem Arm in meine Wohnung spaziert.
„Nein, tu ich nicht. Weil ich mir ganz einfach interessantere Menschen vorstellen kann, mit denen ich lieber zusammen wäre.“, gab ich zurück.
„Alles nicht so wichtig, je schneller du den Scheiß checkst, desto schneller kann ich wieder heim, also eine Win-Win Situation.“ Er kippte den Karton auf meinem Couchtisch aus und lies sich dann auf die Couch fallen. „Setz dich her, wir haben viel zu besprechen!“ Mit einem gespielt netten Gesichtsausdruck klopfte er neben sich auf die Couch. Etwas vorsichtig setzte ich mich neben ihn und schaute mir das Zeug auf dem Tisch genauer an. Was war das denn alles?
„Für was ist das? Ich hab sowas noch nie gesehen!“ Verwirrt nahm ich eine Schachtel in die Hand und schaute sie mir genauer an. Das Bild darauf und auch die Bezeichnung von Noah ‚Cleaning Out‘ ließ mich böses ahnen.
„Das sind alles Dinge, mit denen du dich sauber machen kannst. Und das ist wichtig, klar? Unsere Kunden sollen doch schließlich zufrieden sein und deshalb erwarten sowohl die als auch Noah, dass wir das können!“, erklärte er mir und nahm mir das Ding aus der Hand um es auszupacken. „Und weil du nur noch drei Tage Zeit hast, um dir das zu lernen, wirst do wohl viel üben müssen.“.
„Kannst du nicht rausgehen? Ich krieg das sicher auch alleine hin!“, versicherte ich Eduard, welcher neben mir stand, während ich nackt in meiner Badewanne kniete. Das war verdammt beschämend!
„Ich zieh den Vorhang zu, in Ordnung? Dann kann ich dich nicht mehr sehen!“ Diesmal war sein Lächeln nicht gespielt und kaum dass der Vorhang zugezogen war, fing Eduard an, mit mir zu reden: „Du musst davor keine Angst haben, auch vor dem Sex nicht, ok? Das ist für jeden am Anfang komisch, aber man gewöhnt sich ganz gut daran.“, ermutigte er mich. Während er noch redete, saß ich weiterhin einfach nur da und schaute nach unten. Mir machte das gerade relativ viel Angst. Die Aussicht darauf, Wasser in eine Körperöffnungen zu bekommen, wo ich es wirklich nicht haben wollte, war nicht sehr rosig.
„Komm schon! Mach dir keinen Kopf! Das ist alles nicht so schlimm! Du schaffst das schon!“, ermutigte Eduard mich und meine Hände zitterten richtig, als ich endlich anfing.
„Ich sterbe. Das war so verdammt komisch!“ Ich stützte mich auf Eduard, bis ich mich auf die Couch fallen lassen konnte.
„Ach, das wird schon noch! Du hast ja koch Zeit zum üben!“ Er zwinkerte mir zu und ich schüttelte nur den Kopf.
„Gott bist du ekelhaft“.
„Sag sowas nicht! Du bist auch schwul und in ein paar Tagen wirst du keine Jungfrau mehr sein! Das muss dich doch innerlich aufwühlen, nicht?“, vermutete er. Ja, das tat es. Weil ich Angst davor hatte, dass es scheiße werden würde oder er mir wehtat. „Zu den wichtigeren Dingen, weißt du schon seinen Namen?“ Er stieß mich in die Seite und ließ sich neben mich fallen.
„Winston. Das weiß ich. Mehr nicht.“.
„Musst du auch nicht, ich kenne nur einen Winston und wenn es der ist, dann hast du schon halb gewonnen. Er ist ein sehr netter Mann!“, versicherte er mir und stand wieder auf. „Es ist schon ziemlich spät, ich glaube ich gehe jetzt besser.“ Seine Hände griffen nach seiner Jacke und er zwinkerte mir noch einmal aufmunternd zu, dann ging er einfach. Ohne ein weiteres Wort machte er sich aus dem Staub und ließ mich einfach hier sitzen. Toll, das war aber Mal ein toller Besuch gewesen! Genau so schrieb ich das auch Elias, der wiederum schickte nur zwei Emojis und ‚So ist er eben‘. Wahrscheinlich hatte er einfach an diesem Abend etwas besseres zu tun als mit mir auf WhatsApp zu schreiben. Doch, ich konnte mir gut vorstellen, wie er vor René kniend noch schnell eine Nachricht an mich schrieb, bevor er seinen Schwanz wieder in den Mund nahm.
„Das sind doch alles Wixxer, oder Jeff? Was sagst du dazu, könnt ihr eine Nacht ohne Papa aushalten?“ Aber meine Katzen antworteten nicht, sie lagen genau so unbeweglich da, wie sie es auch den restlichen Tag taten.
„Fast hätte ich vergessen, dass dir das alles egal ist. Solange ihr euer Essen bekommt, passt ja alles, nicht?“, schimpfte ich und stand dann auf, um meinen Babys Futter rauszustellen. Mein Arsch fühlte sich komisch an, ich konnte mir nicht vorstellen, dass man sich an das jemals gewöhnen konnte.
„Wisst ihr was, Papa bleibt Montag und Dienstag bei euch zu Hause, er hat nämlich keine Lust auf Uni.“, versprach ich meinen beiden kleinen und machte mich dann wieder auf den Weg zu meinem besten Freund, meinem Bett.